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Selbst einmal einen Marathon zu laufen, steht bei mir überhaupt nicht auf der Wunschliste. Und zwar sowas von überhaupt nicht. Aber andere Läufer beim Marathon anzufeuern, macht mir immer wieder großen Spaß. In diesem Jahr hatte ich beim Hamburger Marathon ganz besonders viel zu tun, denn auf unserer Laufreise nach Andalusien hatte ich eine Menge Leute kennen gelernt, die sich mithilfe unseres gemeinsamen Aktivurlaubs auf dieses Event vorbereiten wollten. Anstatt an der Strecke nur nach meinem Mann Christoph und ein paar anderen Freunden Ausschau zu halten, hatte ich auf einmal eine Liste von 20 Läufern, die es zu supporten galt, wie es neudeutsch so schön heißt. Zum Glück war ich nicht allein mit dieser Aufgabe, sondern Teil eines siebenköpfigen Support-Teams – lauter Mädels von der Laufreise, die in Hamburg nicht selbst mit am Start waren. Wir trafen uns zum Supporter-Frühstück, schauten uns den Marathon-Start im Fernsehen an – und dann ging es ab an die Strecke.
Und wer nun meint, „Pah, Zuschauen kann doch jeder!“, der lasse sich eines gesagt sein: Ein ordentlicher Marathon-Support ist sowohl logistisch als auch sportlich durchaus eine ernstzunehmende Angelegenheit. Im Vorfeld galt es, einen genauen Plan auszutüfteln, wann wir uns an welchem Punkt der Strecke postieren wollten, damit wir möglichst all „unsere“ Läufer mindestens einmal vom Streckenrand aus anfeuern konnten. Das war ein nicht ganz einfaches Rechenspiel, denn „unsere“ Läufer hatten sich ganz unterschiedliche Zeiten für ihren Marathon vorgenommen. Und jemand, der die 42,195 Kilometer in 3:30 Stunden finishen will, kommt nun einmal zu einem ganz anderen Zeitpunkt am Kilometer 23 vorbei als jemand, der sich vorgenommen hat, nach 4:30 Stunden ins Ziel zu kommen. Ich saß also und rechnete: Wenn Läufer A mit einem Tempo von 5:00 Minuten pro Kilometer in Block D gegen 9:05 Uhr startet, dann kommt er nach Adam Riese gegen 10:10 Uhr an Kilometer 13 (für Hamburg-Insider: Unser Support-Team stand zuerst am Baumwall) vorbei. Wenn wir dort auch noch die langsamen Läufer abpassen wollen, die in einem späteren Block starten, müssen wir uns dort bis etwa 10:45 Uhr aufhalten, bevor wir uns auf den Weg zum nächsten Wegepunkt machen. Mein Mann notierte sich seine persönlichen Zwischenzeiten auf seinem Unterarm, ich druckte für uns Support-Mädels einen eigenen Zeitplan aus. Wie gut, dass ich durch meinen Diabetes täglich mit Textaufgaben zu tun habe: Schließlich muss ich bei jeder Mahlzeit mit Kohlenhydratmengen, KE-Faktoren und dem guten alten Dreisatz hantieren – und dabei auch einen gewissen Puffer für unabwägbare Zwischenfälle berücksichtigen.
Tatsächlich ging unser Plan auch ziemlich gut auf. Was allerdings auch an unserer sportlichen Kondition lag. Denn um den ausgeklügelten Zeitplan einzuhalten, mussten wir uns immer wieder eilig durch Menschenmengen drängeln, zur nächsten U-Bahn sprinten und von der U-Bahn aus den perfekten nächsten Platz zum Anfeuern an der Strecke suchen.
Vor Ort rollten wir dann unser Transparent aus, zückten Vuvuzelas, Trillerpfeifen und Kuhglocken und machten einen Lärm, dass man uns von Weitem vielleicht eher für eine Gruppe Gewerkschaftsaktivisten halten konnte. Nur dass wir im Takt der Sambatrommeln tanzten, den Läufern mit Sekt zuprosteten und dabei auch noch ihre Namensschilder studierten, damit wir müde wirkende Gestalten lauthals anfeuern konnten: „Du siehst super aus, Manfred!“, oder „Du hast es fast geschafft, Steffi!“ oder „Weiterlaufen, Karl, es ist nicht mehr weit!“
Am Ende des Tages hatte mein Mann mit einer Zeit von 3:59:24 sein Ziel erreicht, den Marathon unter vier Stunden zu finishen. Ich wiederum war heiser und betrunken, mein Schrittzähler meldete über 20.000 Schritte (was einer Strecke von gut 12 Kilometern entspricht), mein Zuckertagebuch zeigte tolle Werte zwischen 85 und 127 mg/dl (4,7 und 7,1 mmol/l) an und ich hatte 2,5 Sport-KE gefuttert, ohne dafür Insulin zu spritzen. Ein sehr aktiver Tag also – auch ganz ohne den Marathon selbst zu laufen!
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