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Vitamin D spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung gesunder Knochen. Neue Studien weisen allerdings darauf hin, dass es eventuell auch für die Entstehung und den Verlauf von Typ-1-Diabetes von Bedeutung ist.
Die Entdeckung von Vitamin D, dem sogenannten Sonnen-Vitamin, ist mit der Suche nach einem Heilmittel für Rachitis verknüpft. Rachitis ist eine Erkrankung des wachsenden Knochens bei Kindern.
Im Jahr 1919, als in fast allen europäischen industrialisierten Städten diese Erkrankung die häufigste Ursache für Skelettverformungen und Wachstumsverspätung darstellte, zeigten Sir Edward Mellanby und seine Nachfolger, dass es möglich ist, Rachitis durch Bestrahlung mit künstlich erzeugtem UV-Licht zu heilen. Zwei Jahre später wurde nachgewiesen, dass dies auch durch Bestrahlung mit normalem Sonnenlicht möglich ist.
Das Behandlungskonzept der Rachitispatienten mittels Bestrahlung und später auch durch Nahrungsmittel führte Schritt für Schritt zur Entdeckung von Vitamin D und zur Anreicherung vieler Nahrungsmittel (Milch, Bier) mit dem neuen “Heilvitamin”. Dies führte dazu, dass die Rachitis bei Säuglingen und kleinen Kindern dramatisch zurückging.
Unter der Bezeichnung Vitamin D sind eigentlich zwei Formen von Vitamin D zusammengefasst: Vitamin D2 und Vitamin D3. Vitamin D2 ist pflanzlicher Herkunft, und wir können es ausschließlich über die Nahrung aufnehmen. Vitamin D3 kann bei ausreichener Sonnenbestrahlung auch von unserem Körper selbst gebildet werden.
Nur 5 Prozent unseres täglichen Vitamin-D-Bedarfs können wir über die Nahrung abdecken. Die Nahrungsmittel, die eine ausreichende Vitamin-D-Quelle darstellen, werden unterschiedlich konsumiert, so dass sie keine zuverlässige Vitamin-D-Versorgung sicherstellen. Ein adäquater Vitamin-D-Spiegel in nördlichen Ländern und während des Winters ist oft schwierig zu erreichen.
Definitionsgemäß sind Vitamine Substanzen, die der Körper selbst nicht herstellen kann, aber zum Leben benötigt. Sie müssen daher über die Nahrung zugeführt werden.
Die Vorstufen von Vitamin D werden aber vom Körper selbst hergestellt. Das Pro-Vitamin (in Schichten der Oberhaut) wird durch UVB-Bestrahlung in Prä-Vitamin D und weiter in Vitamin D überführt. Vitamin D wird also aus historischen Gründen als Vitamin bezeichnet, ist aber eigentlich ein Hormon.
Um seine Wirkung zu entfalten, muss Vitamin D in die Leber und danach in die Niere transportiert und dort zweimal umgebaut werden, um die endgültige aktive Form zu bilden.
Auch im Kalziumstoffwechsel spielt das Vitamin eine wichtige Rolle: Vitamin D und Parathormon (ein Hormon, das von den Nebenschilddrüsen produziert wird) sind hier die zwei wichtigsten Steuerfaktoren.
Die Hauptwirkungen von Vitamin D bestehen darin, die Kalzium- und Phosphataufnahme im Darm zu steigern, die Mineralisierung der Knochen zu fördern und die Kalzium- und Phosphatausscheidung der Niere zu hemmen.
Aufgrund dieser Wirkungen und Eigenschaften wird Vitamin D seit vielen Jahren zur Vorbeugung und Behandlung von Vitamin-D-Mangelzuständen und in der Therapie der Osteoporose eingesetzt, entweder alleine oder auch in Kombination mit Kalzium.
So reduziert beispielsweise eine Einnahme von 700 bis 1.000 Internationalen Einheiten (IE) die Knochenbruchrate um 19 Prozent.
Eine Unterversorgung mit Vitamin D scheint nach bisherigen Untersuchungen ein Risikofaktor für viele Erkrankungen zu sein:
Studien haben gezeigt, dass bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen ein Vitamin-D-Mangel signifikant häufiger auftritt.
Nächste Seite: Aktuelle Forschungsarbeiten befassen sich mit der Fragestellung, ob sich zukünftig mit einer hochdosierten Vitamin-D-Therapie der Typ-1-Diabetes vorbeugen, aufhalten oder hinauszögern lässt.
Ein Vitamin-D-Mangel, definiert durch einen Serumspiegel von weniger als 20 ng/ml, wies in Studien eine signifikante negative Korrelation zur Inzidenz des Typ-1-Diabetes auf. Mit anderen Worten: Bei Menschen mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln trat Typ-1-Diabetes häufiger auf als bei solchen mit hohen Spiegeln. Dieser Zusammenhang bedeutet jedoch nicht, dass das eine das andere bewirkt.
Temperatur, geografische Höhe und Breite sowie Dauer und Qualität der Sonnenbestrahlung sind Parameter, die durch einen direkten Einfluss auf den Vitamin-D-Spiegel für ca. 40 Prozent der Typ-1-Diabetes-Variation verantwortlich sein können.
In einer großen Studie in Finnland wurde ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer Vitamin-D-Gabe in der Kindheit (2.000 IE pro Tag) und einem ca. 80 Prozent reduzierten Risiko für Typ-1-Diabetes bei Säuglingen gesehen. Beteiligt waren ca. 12.000 Schwangere; die Kinder wurden 31 Jahre lang beobachtet. Eine Vitamin-D-Gabe in der Kindheit könnte also Typ-1-Diabetes vorbeugen.
Eine andere Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass die Gabe eines Vitamin-D-Analogons bei Kindern mit neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes den Verlauf der Erkrankung abmildern konnte. In der untersuchten Gruppe zeigte sich eine eindrucksvolle Verlängerung der sogenannten Honeymoon-Phase, eine verbesserte Betazellfunktion und eine bessere Insulin-Restsekretion. Der Studie zufolge hat der tägliche Insulinbedarf dieser Kinder, bezogen auf das Körpergewicht, deutlich abgenommen.
Mit der Honeymoon-Phase verhält es sich so: Nach Beginn der Insulintherapie werden die durchschnittlichen Blutzuckerwerte wieder niedriger. Der Betroffene fühlt sich gut, und die vorher sehr “angestrengte” Bauchspeicheldrüse kann sich etwas erholen. Bei zirka zwei Dritteln der Kinder merkt man sogar, dass die anfänglich gespritzte Insulinmenge deutlich reduziert werden kann und sie dabei trotzdem gute und stabile Blutzuckerwerte haben. Das ist die Remissionsphase, im Englischen spricht man von der honeymoon phase, den Flitterwochen.
Ein schützende Wirkung wies Vitamin D in einer ähnlich strukturierten Studie bei erwachsenen Typ-1-Diabetikern auf, und zwar auf immunologische Entzündungsmarker sowie Parameter der Diabeteseinstellung, wie HbA1c-Wert und Tagesinsulinbedarf.
Im Rahmen unserer wissenschaftlichen Arbeit zum Vitamin-D-Stoffwechsel führen wir seit Oktober 2011 bis Dezember 2013 im Schwerpunkt Endokrinologie & Diabetologie der Medizinischen Klinik 1 des Klinikums der Johann Wolfgang Goethe Universität, Frankfurt am Main, eine Studie (ViDDA-1) durch, mit der die Wirkung einer höheren Dosis Vitamin D auf das Immunsystem bei Typ-1-Diabetikern untersucht wird.
Im Einzelnen wird die Durchführbarkeit, Verträglichkeit und Wirksamkeit einer hochdosierten Vitamin-D-Behandlung von 4 000 IE pro Tag untersucht, unter anderem bezüglich einer besseren Diabeteseinstellung bzw. eines reduzierten Insulintagesbedarfs. Die Dosierung von 4 000 IE entspricht in etwa der körpereigenen Produktion nach einem Sonnenbad.
Im Rahmen dieser Studie untersuchen wir neben immunologischen Effekten das Verhältnis zwischen täglichem Insulinbedarf, bestehend aus dem basalen und prandialen Insulinbedarf, und dem Vitamin-D-Spiegel sowie andere Stoffwechselparameter der Diabeteseinstellung. Die Studie wird im Dezember abgeschlossen und im Januar 2014 ausgewertet werden.
Ein Vitamin-D-Mangel tritt bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes weitaus häufiger auf als bei Gesunden. Niedrigere Vitamin-D-Werte stehen im Zusammenhang mit einer reduzierten Insulinsensitivität, erhöhter Nüchternglukose, einem höheren Insulinbedarf und einem höheren HbA1c.
Wenn diese Studien erfolgreich sind, kann möglicherweise in der Zukunft eine hochdosierte Vitamin-D-Therapie eingesetzt werden, um in der Frühphase von Autoimmunerkrankungen ein Fortschreiten zu verzögern oder den klinischen Verlauf positiv zu beeinflussen.
Weitere Informationen zu Vitamin D bietet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung unter www.dge.de: einfach Vitamin D ins Suchfeld eingeben.
Was Vitamin D von allen anderen Vitaminen unterscheidet, ist die körpereigene Bildung in der Haut – dank Sonnenlicht. Einerseits wird der Körper also über eine überschaubare Menge an Lebensmitteln und andererseits über Sonnenstrahlen auf der Haut versorgt. Wie hoch die körpereigene Bildung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Ein Mangel tritt bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes häufiger auf als bei gesunden. Zum Thema Diabetes und Vitamin D gibt es vielversprechende Studien. Eventuell kann man bald durch eine hochdosierte Vitamin-D-Therapie das Fortschreiten verzögern oder den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
von Dimitra Bogdanou und Prof. Dr. Klaus Badenhoop
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Kontakt:
E-Mail: badenhoop@em.uni-frankfurt.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (4) Seite 8-10
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