- Eltern und Kind
Diabetes und Schule gut im Griff
3 Minuten
Manchmal wirken einfach zu viele Stressfaktoren auf ein Kind ein. Durch einen klar strukturierten Tagesablauf, auch für den Diabetes, können sich die Kinder mehr auf die Schule konzentrieren – zum Beispiel im Nordsee-Internat.
Als erstes Internat in Norddeutschland hat sich das Haus in St. Peter-Ording auf die Betreuung von Schülern mit Diabetes spezialisiert. Für die diabetologische Betreuung ist Thomas Brinkmeier (siehe Abb. 1) und sein Team zuständig. Wie das Konzept in der Praxis funktioniert und wie sehr die Schüler und ihre Familien davon profitieren, beschreibt der Mediziner im Gespräch mit dem Diabetes-Eltern-Journal
.
Diabetes-Eltern-Journal (DEJ): Sie arbeiten jetzt schon seit fünf Jahren mit dem Internat zusammen. Wie kam es dazu?
Thomas Brinkmeier: Ich hatte damals einen Jungen in meiner Ambulanz, der laut seinen Eltern sehr schwer einstellbar war, ständig Hypos und stark schwankende Blutzuckerwerte hatte. Dazu muss ich sagen: Beide Elternteile waren krank und hatten Probleme, so dass sich durch den Diabetes des Kindes in der Familie massive Schwierigkeiten entwickelt hatten. Die Eltern hatten ständig Angst vor Hypos etc., die häusliche Situation ist schließlich eskaliert.
Der Vater des Jungen hat dann Kontakt zu dem Nordsee-Internat aufgenommen. Nachdem wir von der Diabetesamulanz Heide erstmal eine kleine Betreuungsstruktur geschaffen hatten, kam der Junge ins Internat. Diese Struktur hat sich im Laufe der Zeit ausgeweitet, das gesamte Personal ist geschult worden und die Küche bietet eine diabetesgerechte Kost.
DEJ: Wie viele Kinder mit Diabetes betreuen Sie derzeit im Nordsee-Internat? Aus welchem Einzugsgebiet kommen sie?
Thomas Brinkmeier: Derzeit sind es neun Kinder im Alter von 11 bis 17 Jahren. Sie kommen aus Schleswig-Holstein, aber auch aus Süddeutschland, z. B. Stuttgart, oder dem Ruhrgebiet. Eigentlich wird das Angebot aus ganz Deutschland wahrgenom-men. Insgesamt leben 120 Schüler im Internat.
DEJ: Wer gehört noch zu Ihrem Diabetesteam?
Thomas Brinkmeier: Zum Team gehört Frau Schulz, eine Diabetesberaterin und Kinderkrankenschwester vom Klinikum in Heide. Im Internat macht das hauptamtlich Julia Riese. Sie ist Pädagogin und wurde von uns in Sachen Diabetes geschult.
DEJ: Wie funktioniert das Projekt “Betreuung von Schülern mit Diabetes im Internat” genau?
Thomas Brinkmeier: Es hat als Projekt angefangen, mittlerweile hat es sich etabliert. Ich komme einmal im Monat ins Internat und mache eine Sprechstunde mit den Patienten. Die Diabetesberaterin ist zwei- bis dreimal pro Woche dort und jederzeit telefonisch erreichbar. In der ersten Zeit war sie fast täglich da. Sie bespricht dann mit Frau Riese, den anderen Betreuern und den Kindern eventuelle Probleme, um dann mit mir Rücksprache zu halten, wenn irgendwelche Änderungen oder besonderen Dinge anstehen. Frau Riese ist rund um die Uhr Ansprechpartnerin für die Schüler.
DEJ: Wie nehmen die Jugendlichen die Betreuung an?
Thomas Brinkmeier: Nach meinem Empfinden werden die Sprechstunden und der gemeinsame Austausch gut angenommen.
DEJ: Und wie wirkt sich die Betreuung auf den Diabetes und die schulischen Leistungen aus?
Thomas Brinkmeier: Im Laufe der Zeit, die die Kinder im Internat verbringen, verbessert sich der HbA1c-Wert bei einigen deutlich. Diejenigen, die wegen massiver Stoffwechselprobleme gekommen sind, haben jetzt einen viel besseren Wert. Was uns vor allem auffällt, ist, dass sich die Kinder in der Schule deutlich verbessern. Das heißt, sie können um eine Schulform aufsteigen.
DEJ: Können Sie das erklären?
Thomas Brinkmeier: Der Stressfaktor Diabetes innerhalb der Familie fällt weg. Im Internat haben die Kinder einfach weniger Stress und Sorgen als im häuslichen Umfeld. Viele Kinder sind aus Gründen da, die nicht nur mit dem Diabetes zu tun haben, sondern weil es massive Probleme zu Hause gibt – durch Alkoholprobleme der Eltern, Depressionen oder ähnliches. Das sind alles Faktoren, die im Internat wegfallen.
Durch einen klar strukturierten Tagesablauf, in dem auch Strukturen für den Diabetes vorgegeben werden, können sich die Kinder einfach mehr um andere Sachen kümmern, zum Beispiel die Schule. Von daher bringt das Internat den Kindern sehr viel – für ihren Diabetes und für die Noten.
DEJ: Bekommen Sie Rückmeldungen von den Eltern?
Thomas Brinkmeier: Ja, positive. Das Verhältnis zwischen Kindern und Eltern entspannt sich einfach wieder. Wenn sie sich z. B. in den Urlaubszeiten und an den Wochenenden sehen, sind die Belastungsfaktoren aus der Eltern-Kind-Beziehung zum großen Teil herausgenommen. Zitat eines Vaters: “Das Internat hat unsere Familie wieder zusammengeschweißt, obwohl wir nun mit der Entfernung leben.”
- Internatsplätze gesamt: 130
- Plätze für Kinder mit Diabetes: 15
- Schularten (öffentliche Schulen): Grundschule mit Förderzentrum, Regionalschule, Gymnasium (G 9)
- Klassenstärke: zwischen 20 und 25 Schülern
- Freizeit: über 30 Freizeitangebote, darunter Beachvolleyball, Reiten, Strandsegeln, Kitesurfen u.v.m.
- Kosten: Monatliche Gebühr: 1.500 Euro, Monatliche Zusatzpauschale für Kinder mit Diabetes: 500 Euro (In den meisten Fällen werden die monatlichen Kosten und der Zusatzbeitrag vom Jugend- bzw. Sozialamt übernommen.)
- Probewohnen: Das Nordsee-Internat bietet Interessierten die Möglichkeit eines unverbindlichen Probewohnenes für die Dauer von einer Woche.
- Weitere Informationen gibt es unter: http://www.nordsee-internat.de
, Ansprechpartner ist Rüdiger Hoff, der pädagogische Leiter.
Das Interview führte Angelika Leidner.
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2014; 7 (1) Seite 14-15
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Aktuelles
Diabetes-Anker-Podcast: Was leisten Apotheken für Menschen mit Diabetes, Herr Manfred Krüger?
- Eltern und Kind
Kinder mit Diabetes in der Infekt-Zeit: Krankheiten meistern ohne Stoffwechsel-Entgleisungen
3 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 21 Stunden, 14 Minuten
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
-
stephanie-haack postete ein Update vor 1 Tag, 18 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
-
lena-schmidt antwortete vor 1 Tag, 17 Stunden
Ich bin dabei 🙂
-
-
insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 1 Woche, 4 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
-

Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid