Diabetische Ketoazidose vermeiden, erkennen und behandeln

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Diabetische Ketoazidose vermeiden, erkennen und behandeln

Wie entsteht die Ketoazidose?

Insulin ist für jeden Menschen ein lebenswichtiges Hormon. Es sorgt dafür, dass die Glukose (Zucker) aus dem Blut in die Zellen gelangt und zur Energiegewinnung weiter verwertet werden kann. Bei einem Insulinmangel kann die Glukose von den Zellen nicht ausreichend aufgenommen werden. Sie verbleibt im Blut und führt zu einem Anstieg des Blutzuckers. Trotz des hohen Blutzuckerspiegels fehlt den Zellen Energie.

Um diesen Mangel zu beheben, wird der Fettstoffwechsel aktiviert und als alternative Energiequelle genutzt. Dabei entstehen "Ketone". Je länger der Insulinmangel anhält, desto höher steigt der Blutzucker und desto mehr Keton wird gebildet. Es kommt zu einer Übersäuerung des Blutes, der "Azidose". Ausdruck der Übersäuerung sind: Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, obstessigartiger Mundgeruch und eine angestrengte Atmung.

Besteht die Ketoazidose über einen längeren Zeitraum und wird nicht mit ausreichend Insulin und Flüssigkeit behandelt, kann sie lebensgefährlich sein.

Ursachen sehr hoher Glukosewerte

Durch die vielen möglichen äußeren Einflüsse auf den Glukosestoffwechsel lassen sich hohe Werte (> 250 mg/dl, > 13,9 mmol/l) über zwei bis drei Stunden manchmal nicht vermeiden. Die häufigsten Gründe für die Entstehung sehr hoher Glukosewerte sind:

Durch die regelmäßige Kontrolle der Sensor- und/oder Blutzuckerwerte, Katheterwechsel, Insulingaben vor den Mahlzeiten und Korrektur hoher Werte, ist die generelle Gefahr einer Stoffwechselentgleisung aber sehr gering.

Wann Ketone messen?

In den meisten Fällen sinken die Glukosewerte durch die Gabe von Korrekturinsulin. Sollten hohe Werte über 250 mg/dl bzw. 13,9 mmol/l nach einer Korrekturdosis länger als zwei Stunden nicht zu senken sein und der Trend des Glukosesensors ist stabil oder zeigt einen weiter steigenden Trend, ist immer auch eine kapilläre Blutzuckermessung ratsam. Darüber hinaus sollten nun auch Ketone gemessen werden.

Grundsätzlich können Ketone im Blut und Urin gemessen werden. Wir empfehlen eine Messung der Ketone im Blut, da diese Art der Messung eine deutlich differenziertere und schnellere Bewertung zulässt als im Urin. Ein Wert über 0,6 mmol/l bedeutet, dass zu viel Keton im Blut ist.

Gut zu wissen

Ketone können auch bei niedrigen oder Glukosewerten im Normbereich entstehen, wenn dem Körper nicht genug Kohlenhydrate zur Verfügung gestellt werden (können), z. B. beim Fasten oder bei wiederholtem Erbrechen oder Durchfällen im Rahmen eines Magen-Darm-Infektes. Diese Art der Ketone wird häufig "Hungerketone" genannt, sie sind Ausdruck eines Energiemangels. Sie entstehen auch bei Menschen ohne Diabetes. Hier besteht die Therapie in der Zufuhr von Kohlenhydraten.

Beginnende Entgleisung: wie vermeiden und behandeln?

Bei sehr hohen Glukosewerten und dem Nachweis von Ketonen ist ein standardisiertes Vorgehen nach einem "Ketoazidose-Vermeidungsschema" für Pen- und Pumpentherapie zu empfehlen. Bei erhöhten Ketonwerten gilt generell: Erhöhung der Trinkmenge auf 250 bis 500 ml pro Stunde (Wasser, ungesüßten Tee), keine Bewegung, nicht einschlafen und nicht allein bleiben. Zudem sollten stündliche Kontrollen des Glukosewertes, bis dieser < 200 mg/dl (11,1 mmol/l) sinkt, und zweistündliche Kontrollen der Ketone erfolgen.

Vorgehen bei einer Insulinpen-Therapie

Wenn der Glukosewert gleichbleibt oder weiter ansteigt, sollten Sie Kontakt zu Ihrem Diabetesteam aufnehmen.

Vorgehen bei Insulinpumpen- bzw. teilautomatischer Insulintherapie (AID)

Wenn der Glukosewert über mehrere Stunden > 250 mg/dl (13,9 mmol/l) liegt, sollte eine Korrekturinsulindosis nach Vorschlag der Pumpe abgegeben werden. Bei der Nutzung eines AID-Systems muss überprüft werden, ob der automatische Modus eine Korrektur zulässt oder der automatische Modus hierfür kurzzeitig verlassen werden muss. Eine Stunde nach Korrektur sollte der Glukosewert kontrolliert werden.

Wir empfehlen, eine Insulin-Einmalspritze (U100) möglichst immer dabeizuhaben. Wenn Sie unterwegs sind, kann im Notfall Insulin aus dem Reservoir für eine Korrektur entnommen werden. Bei Nutzung eines AID-Systems ist zu bedenken, dass bei Korrekturgaben mit einem Pen oder einer Einmalspritze der Algorithmus dieses Insulin nicht als aktives Insulin berücksichtigen kann.

Je nach Glukosewerten und Trendpfeil kann für diesen Fall der Glukosezielwert für einige Stunden angehoben werden oder das Kind bzw. der oder die Jugendliche nimmt bei Glukosewerten unter 200 mg/dl (11,1 mmol/l) 10 bis 20 g Kohlenhydrate zu sich.

Bei stark reduziertem Allgemeinbefinden und/oder Auftreten von Erbrechen, Bewusstseinsveränderungen, obstessigartigem Mundgeruch oder angestrengter Atmung sollte Ihr Kind immer im Krankenhaus vorgestellt werden.

Fazit

Eine drohende Stoffwechselentgleisung bei bekanntem Diabetes kann sowohl bei einer Pentherapie als auch bei einer teilautomatischen oder sensorunterstützten Insulinpumpentherapie auftreten. Bei länger bestehendem Insulinmangel kann sie in eine diabetische Ketoazidose übergehen.

Bei rechtzeitigem Erkennen einer drohenden Entgleisung und mit dem richtigen Management kann in den meisten Fällen ein Klinikaufenthalt vermieden werden.

Notfall-Set

Autor:

© FOTOSTUDIO M4, MIRJA MACK
Dr. med. Thekla von dem Berge
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Diabetologie
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin “Auf der Bult”, Hannover

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