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“Könnte die Inseltransplantation auch eine Chance für unser Kind sein?” “Wie können wir herausfinden, ob unser Kind geeignet ist?” So oder ähnlich lauten viele Anfragen von Eltern, die oft fieberhaft nach neuen Therapiemethoden für ihre Kinder suchen und auf Möglichkeiten der Heilung hoffen.
Allzu verständlich sind diese Fagen nach der Inseltransplantation und umso wichtiger ist es, den Betroffenen und Eltern ein möglichst verständliches Bild der Möglichkeiten, aber auch der Grenzen der Inseltransplantation zu vermitteln.
Die Langerhans‘schen Inseln der Bauchspeicheldrüse bestehen überwiegend aus Betazellen. Diese produzieren das natürliche Hormon Insulin, das vom Körper eingesetzt wird, um die Zuckerverwendung zu regulieren.
Beim Typ-1-Diabetes werden die Betazellen irrtümlicherweise vom eigenen Immunsystem angegriffen und zerstört. Damit ist keine ausreichende eigene Insulinproduktion mehr vorhanden und das lebenswichtige Hormon Insulin muss ersetzt werden.
Die Transplantation von Inseln, die aus der Bauchspeicheldrüse eines Organspenders gewonnen werden, bietet die Möglichkeit, die untergegangenen Zellen bei einem Menschen mit Typ-1-Diabetes zumindest zum Teil zu ersetzen und so wieder eine körpereigene Insulinproduktion zu etablieren.
Beim Verfahren der Inselisolation und -transplantation werden die Inseln vom umgebenden Bauchspeicheldrüsengewebe des Spenders durch ein maschinell unterstütztes Verfahren abgetrennt und die isolierten Inseln transplantiert (Abb. 1).
Die Transplantation erfolgt in das Pfortadersystem der Leber. Der Zugang zu diesem Gefäßsystem wird über eine sogenannte Mini-Laparotomie (kleiner Oberbauchschnitt) ermöglicht, wobei ein Katheter in eine Vene eingelegt wird und die Inseln unter Röntgen-Kontrolle in die Pfortader der Leber eingeschwemmt werden. Die Inseln “schwimmen” entlang der natürlichen Flussrichtung in das Portalvenensystem und setzen sich in den kleinsten Gefäßen fest. Dort wachsen die Inseln ein, produzieren Insulin und können somit in der Leber praktisch die gleiche Funktion wie ursprünglich in der Bauchspeicheldrüse erfüllen.
Die Leber bietet zunächst kein optimales Umfeld für die transplantierten Pankreasinseln. Zum einen kann bei Patienten mit Typ-1-Diabetes der ursprüngliche autoimmune Zerstörungsprozess der Insulin produzierenden Zellen reaktiviert werden. Darüber hinaus wird das Immun-Abwehrsystem des Empfängers aktiviert, erkennt die transplantierten Zellen als “fremd” und leitet eine zweite Abwehrattacke gegenüber dem Zelltransplantat ein (allogene Abstoßung). Deshalb müssen Insel-Empfänger immunsupprimierendeMedikamente einnehmen, die eine Zerstörung der transplantierten Inseln durch das eigene Immunsystem verhindern sollen. Grundsätzlich ist es notwendig, diese Medikation lebenslang fortzuführen.
Immunsuppressive Medikamente werden in der Absicht gegeben, die Abstoßung transplantierter Organe zu verhindern. Diese Wirkung wird durch die Abschwächung der körpereigenen Immunabwehr erzielt. Die Abschwächung der körpereigenen Immunabwehr ist jedoch bei allen bislang verfügbaren Immunsuppressiva auch mit zwei wichtigen Nebenwirkungen verbunden: einer erhöhten Infektbereitschaft und langfristig einem im Vergleich zu nicht immunsupprimierten Patienten etwa drei- bis viermal häufigeren Auftreten von bösartigen Erkrankungen.
Das primäre Therapieziel der Inseltransplantation ist eine gute und stabile Blutzuckerkontrolle und die Vermeidung schwerer Unterzuckerungen. Eine weitere Zielstellung , die sich daraus ergibt, ist es, Diabetes-assoziierte Spätfolgen zu vermeiden bzw. zu stabilisieren und die Lebensqualität erheblich zu verbessern.
Grundsätzlich wäre eine Blutzuckernormalisierung ohne dass Insulininjektionen über einen langen Zeitraum notwendig sind, gleichbedeutend mit einer Heilung des Diabetes, da eine Stoffwechsellage wie bei einem Gesunden erreichbar wäre. Oberstes Therapieziel bei der Inseltransplantation ist aber nicht die Unabhängigkeit von Insulin, also der vollständige Verzicht auf Insulingabe von außen, sondern eine gute Blutzuckerkontrolle und die Vermeidung von schweren Unterzuckerungen. Meist ist es notwendig, gezielt eine – wenn auch häufig geringe – Dosis Insulin über eine Insulinpumpe oder Spritze zu geben, um die transplantierten Inseln zu unterstützen.
Die Inseltransplantation stellt heutzutage eine etablierte Therapieoption für eine sehr ausgewählte Gruppe von Patienten mit Typ-1-Diabetes dar, die trotz optimaler Insulintherapie nicht befriedigend behandelbar sind und unter häufigen und schwer kontrollierbaren Unterzuckerungen leiden. Die Möglichkeiten der konventionellen Insulintherapie müssen also ausgereizt sein, einschließlich der Anwendung moderner Techniken wie der Insulinpumpe und Glukosesensoren.
Die Inseltransplantation, wie sie heute klinisch durchgeführt wird, ist also ein Verfahren für nur eine sehr kleine Gruppe von Patienten mit Typ-1-Diabetes. Meist sind dies Patienten, die schon sehr lange Diabetes haben und im Verlauf der Erkrankung eine zunehmende Stoffwechselinstabilität und eine Störung der Wahrnehmung von Unterzuckerungen entwickelt haben. Diese Patientengruppe leidet zum Teil unter lebensbedrohlichen Stoffwechselsituationen und einer aufs schwerste eingeschränkten Lebensqualität.
In jedem Fall ist ein sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Risiken oberstes Gebot einer guten Therapieempfehlung und die gemeinsame Definition von Therapiezielen von Behandler und Patient eine entscheidende Voraussetzung für Zufriedenheit und Erfolg.
Mit den geschilderten Grenzen der Inseltransplantation, wie sie heute durchgeführt wird (Stichwort Immunsuppression), ist diese Therapieform sicherlich nur in außergewöhnlichen Einzelfällen eine Option für Kinder mit Typ-1-Diabetes. Dennoch ist die Inseltransplantation die Grundlage sehr innovativer Forschungsansätze, die zukünftig unter Umständen auch für Kinder neue Behandlungsoptionen eröffnen. Zu nennen sind hier z. B. die Möglichkeiten der Verkapselung von Insulin produzierenden Zellen.
Dieses Konzept (Makroverkapselung) stellt eine Möglichkeit dar, das Transplantat immunologisch vom Empfängerorganismus abzuschirmen, sodass keine oder nur eine sehr milde Immunsuppression notwendig ist. Außerdem bietet ein solches System die Möglichkeit, auch Zellen tierischen Ursprungs oder Stammzellen als Betazell-Ersatz einzusetzen. Damit könnte dem Problem der Knappheit von Spenderorganen begegnet werden. Das Konzept der Makroverkapselung ist bereits in einer sehr fortgeschrittenen Phase der vorklinischen Erprobung und könnte in den nächsten Jahren eine Möglichkeit zur Behandlung von Patienten mit Typ-1-Diabetes sein.
Verlockend: eine Transplantation von Inselzellen, die in der Lage sind, Insulin zu produzieren. Aktuell kommt eine solche Transplantion für Kinder mit Typ-1-Diabetes kaum in Frage – u. a. deshalb, weil nach der Transplantion lebenslang mit Hilfe von Medikamenten das Immunsystem unterdrückt werden muss (Immunsuppression). Derzeit wird auf Grundlage der Inseltransplantation an der Verkapselung von Insulin produzierenden Zellen gearbeitet. Diese Makroverkapselung könnte auch eine Therapieoption für Kinder sein, denn dadurch wäre keine oder nur eine sehr milde Immunsuppression notwendig
PD Dr. med. Barbara Ludwig
Oberärztin, Leiterin Inseltransplantation, Universitätsklinikum Dresden, E-Mail: Barbara.Ludwig@uniklinikum-dresden.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2015; 8 (2) Seite 18-20
5 Minuten
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