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Am 22. September ist Bundestagswahl. Bis dahin will diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe Politiker auf das Thema Diabetes aufmerksam machen. An der Kampagne „Diabetes stoppen – jetzt!“ können sich alle beteiligen.
In Deutschland befasst sich die Politik zu wenig mit dem Thema Diabetes: Trotz Empfehlung von der EU gibt es nach wie vor keine Nationale Diabetesstrategie. Mit einer groß angelegten Kampagne versucht diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe, im Wahljahr das Thema Diabetes in den Köpfen der Politiker zu verankern, so dass es bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2013 berücksichtigt wird.
Seit Anfang März ist die Internetseite www.diabetes-stoppen.de im Netz erreichbar. Auf ihr sind aktuelle Informationen zu finden, wie sich alle, die direkt oder indirekt von den verschiedenen Diabetesformen betroffen sind, in die Kampagne einbringen können.
Diabetes, das bedeutet: sechs Millionen Betroffene in Deutschland und 1.000 Neuerkrankungen am Tag. Mindestens jeder zehnte Wähler ist also irgendwie von Diabetes betroffen – warum also wird Diabetes nicht auch mal zum Thema bei den vielen Gesprächen im Rahmen des Wahlkampfs gemacht?
Natürlich haben “nur” 300.000 Menschen Typ-1-Diabetes, aber von der gegenwärtigen politischen Strategie mit dem vordringlichen Ziel der kurzfristigen Kostenreduktion wird erwartungsgemäß kein Unterschied zwischen Diabetestypen gemacht.
Auch wenn es Eltern von Kindern mit Diabetes vielleicht im ersten Moment schwer fällt, sich mit dem Kampagnenslogan “Diabetes stoppen – jetzt” zu identifizieren, so wird beim Blick auf die Kampagnenziele das gemeinsame Anliegen rasch deutlich.
Es geht um drei übergeordnete Themenblöcke: Erstens soll die bestmögliche Versorgung gesichert werden, zweitens Maßnahmen zur Förderung des gesunden Lebensstils gefordert und drittens die Selbsthilfe gestärkt werden.
Gesundheitspolitisch müssen wir auch in Deutschland von kurzfristigen Projekten und Einzelentscheidungen wegkommen. Das Hauptanliegen ist die Realisierung einer Nationalen Diabetesstrategie für Deutschland. In 16 von 27 europäischen Ländern gibt es eine solche Strategie, in Deutschland hingegen noch nicht.
Vereinte Nationen, WHO und die Europäische Kommission empfehlen die Etablierung nationaler Aktionspläne gegen chronische Krankheiten und Diabetes im Speziellen. Ein Teil der Kampagne ist deshalb die Aktion Schreib‘ eine Postkarte an die Bundeskanzlerin!, mit der die Unterstützer der Kampagne eines von drei provokativen Postkartenmotiven versenden können, um ihrer persönlichen Forderung im Rahmen einer Nationalen Diabetesstrategie Ausdruck zu verleihen.
Hinsichtlich der bestmöglichen Versorgung kann dies zum Beispiel die Erstattung der kontinuierlichen Glukosemesssysteme (CGM) sein oder die bessere Förderung der Forschung zugunsten einer Vermeidung und Heilung von Diabetes in Deutschland.
Beim Themenblock der Förderung des gesunden Lebensstils kann es um die volle Stunde Sport in der Schule gehen, die auch Kindern mit Typ-1-Diabetes guttut, oder um das Verbot von an Kinder gerichtete Werbung für übergewichtsfördernde Lebensmittel und Getränke, da auch viele Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes mit Gewichtsproblemen zu kämpfen haben.
Beim dritten Thema kann für Kinder mit Typ-1-Diabetes die Stärkung der Selbsthilfe bedeuten, dass ihr Selbstmanagement so früh wie möglich durch Kinder- und Jugendfreizeiten gefördert werden müsste, wofür viel zu häufig entsprechende Mittel fehlen.
Wie wichtig es ist, sich gesundheitspolitisch zu engagieren, haben Entscheidungen der letzten Wochen wieder gezeigt: Im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wurden richtungsweisende Entscheidungen gefällt, die zwar zunächst primär Menschen mit Typ-2-Diabetes betreffen, aber einen forschungs- und innovationsfeindlichen Kurs aufzeigen, der bald auch Folgen für Kinder mit Diabetes haben kann.
So ist zum Beispiel der von deutschen Forschern entwickelte Blutzuckersenker Linagliptin (Trajenta®, ein Typ-2-Diabetes-Medikament aus der Gruppe der Gliptine) seit 2011 zugelassen, aber in Deutschland nicht mehr für alle erhältlich. Der Grund: Einem Entschluss des G-BA zufolge hat Linagliptin keinen Zusatznutzen im Vergleich zu anderen Diabetesmedikamenten. Deshalb müssten die Kassen dafür weniger bezahlen als für Originalpräparate – was die Herstellerfirma nicht akzeptiert.
Experten kritisieren die Bewertung des G-BA und fürchten weitreichende Folgen. Der G-BA stützt sich auf eine Bewertung durch das IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) . Dieses kritisiert unter anderem, dass es keine Studie gibt, in der Linagliptin mit einem Sulfonylharnstoff verglichen wird. Dabei sind Sulfonylharnstoffe längst nicht mehr das Mittel der ersten Wahl bei Typ-2-Diabetes. Auch in vielen anderen Punkten können Fachleute der Bewertung nicht folgen.
Man muss jetzt fürchten, dass nach der Entscheidung des G-BA auch die übrigen Medikamente aus der Gruppe der Gliptine ins Visier des G-BA geraten. In Deutschland werden mittlerweile rund 650 000 Menschen mit Gliptinen behandelt. Würden diese von den Kassen nicht mehr erstattet, müssten die meisten auf Medikamente umsteigen, die deutlich komplizierter und unsicherer sind.
Auch für Menschen mit Typ-1-Diabetes erwarten wir die Zulassung neuer Medikamente in nicht zu ferner Zukunft. Nicht auszudenken, wenn wir wieder für die Erstattung der kurzwirksamen Insulinanaloga kämpfen müssten. Ohne eine starke Stimme der Patienten werden wir immer wieder mit Einschränkungsversuchen rechnen müssen. Daher ist es wichtig, uns gemeinsam bei den Volksvertretern einzusetzen, die uns im neuen Bundestag vertreten werden. Machen Sie mit bei Diabetes stoppen – jetzt!
von Prof. Dr. Thomas Danne
Kinderdiabetologe, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin „Auf der Bult“, Hannover, Vorstandsvorsitzender diabetesDE
Kontakt:
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz, Tel.: (06131) 9 60 70 0,
Fax: (06131) 9 60 70 90, E-Mail: redaktion@diabetes-journal.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (1) Seite 6-7
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