Nachgefragt | Recht: Wegen Diabetes in den Integrationskindergarten?

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Nachgefragt | Recht: Wegen Diabetes in den Integrationskindergarten?

Sie haben rechtliche oder soziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Unser Rechts-Experte Oliver Ebert gibt Ihnen in der Diabetes-Eltern-Journal-Rubrik Nachgefragt Antwort.

Die Frage

Unsere Tochter Carla ist 4 Jahre alt und besucht einen Kindergarten bei uns im Wohnort. Am Anfang war alles noch ganz problemlos: Das Kindergartenpersonal hat Carlas Blutzucker gemessen und nach unserer Anleitung auch Insulin gespritzt.

Dann kam eine neue Kindergartenleitung und hat dem Personal das Messen und Spritzen untersagt – mit dem Hinweis auf eine eventuelle Haftung. Auch sei es aus Kapazitätsgründen nicht mehr möglich, dass man sich derart intensiv um Carla kümmere. Ich solle doch überlegen, ob ein Integrationskindergarten in der 30 Kilometer entfernten Kreisstadt nicht besser wäre. Dort habe man mehr Möglichkeiten und bekomme auch extra Geldmittel, so dass man sich dort besser um Kinder mit Krankheiten oder Behinderungen kümmern könne.

Nun bin ich etwas ratlos: Einerseits weiß ich gar nicht, was ein Integrationskindergarten ist. Außerdem ist Carlas Diabetes ja nicht mit anderen Behinderungen vergleichbar. Ich habe Angst, dass sie sich dort nicht richtig entwickeln kann. Dazu kommt auch, dass ich alleinerziehend und berufstätig bin; ich kann Carla daher nicht in einen 30 Kilometer entfernten Kindergarten bringen. Gibt es denn sonst keine Möglichkeiten?

Herr K.

Die Antwort von Oliver Ebert

Grundsätzlich ist es so, dass das Kindergartenpersonal nicht verpflichtet ist, medizinische Leistungen wie Spritzen oder Messen zu erbringen – Gleiches gilt übrigens auch für Lehrer. In den allermeisten Fällen wird das zwar kulanzweise und sehr engagiert gemacht – verlangen kann man es aber nicht.

Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes schreibt jedoch vor, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Aus diesem Grund sollen gemäß § 4 Abs. 3 SGB IX Leistungen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder so geplant und gestaltet werden, dass die Kinder nach Möglichkeit nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern betreut werden können. Aus diesem Grund gibt es für Eltern mehrere Möglichkeiten, um für das Kind dennoch einen normalen Kindergartenbesuch zu ermöglichen.

Bei Integrationskindergärten handelt es sich um Kindergärten, in denen nichtbehinderte und behinderte Kinder zusammen betreut werden. Die Gruppen dort sind in der Regel deutlich kleiner; außerdem sind diese Kindergärten vom Personal und von der Ausstattung her auf beeinträchtigte Kinder eingestellt.

Integrationskindergärten sind übrigens nicht zu verwechseln mit Sonderkindergärten: Diese nehmen nur Kinder mit meist schwerer körperlicher oder geistiger Behinderung auf. Solche Sonderkindergärten sind aber rückläufig, da sich Integrationskindergärten als bessere Alternative erwiesen haben. Kinder mit Diabetes kommen für Sonderkindergärten auch nur in Ausnahmefällen in Betracht.

Weitere Hilfen und Tipps

Daneben kann aber auch in allgemeinen Kindergärten auf eine Einzelintegration oder auf die Bildung von integrativen Gruppen hingewirkt werden. Hierzu kann beim zuständigen Sozial- und/oder Jugendamt die Anerkennung eines zusätzlichen Förder- und Betreuungsbedarfs beantragt werden. Der Kindergarten kann damit dann Personal aufstocken und/oder kleinere Gruppen bilden. Ein solcher Integrationsplatz muss formell von den Erziehungsberechtigten des Kindes und vom Träger des Kindergartens beantragt werden.

Allerdings gibt es keinen Rechtsanspruch darauf, dass eine Gruppen- oder Einzelintegration in einem bestimmten Kindergarten erfolgt! Wenn ein Regelkindergarten aus zwingenden Gründen kein behindertes Kind (mehr) aufnehmen oder hinreichend betreuen kann, dann kann das Kind abgelehnt und an einen anderen geeigneten Kindergarten verwiesen werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht vor Kurzem entschieden (BVerfG, 1 BvR 91/06 vom 10.2.2006, Volltext unter: www.diabetes-und-recht.de).

Es gibt – nicht nur für solche Fälle – aber auch die Möglichkeit, eine Begleitperson als Leistung der Eingliederungshilfe zu beantragen: Für medizinische Leistungen (z. B. das Blutzuckermessen oder Insulinspritzen) kann bei der Krankenkasse eine entsprechende Hilfeleistung beantragt werden. Für Betreuungs- und Überwachungsmaßnahmen, also nicht in erster Linie medizinische Aufgaben, können Eltern gemäß §§ 53, 54 SGB XII beim zuständigen Integrationsamt einen Antrag auf Integrationshilfe stellen, so dass eine Begleitperson oder ein Pflegedienst regelmäßig nach dem Kind schauen kann.

Alternativ können die Eltern gemäß § 57 SGB XII ein persönliches soziales Budget beantragen. Das ist eine monatliche Geldleistung, mit der die Familie selbst eine Begleitperson beauftragt und bezahlt.


von Rechtsanwalt Oliver Ebert

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (3) Seite 26

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  • cesta postete ein Update vor 2 Tagen, 1 Stunde

    Hallo zusammen, ich habe eine Frage an euch. Ich habe seit 4 Jahren Typ 1 LADA und bisher nur mit Basalinsulin ausgekommen. Seit 3 Wochen muss ich nun auch zu jeder Mahlzeit Humalog spritzen. Für die Berechnung wiege ich immer alles ab. Könnt ihr eine App empfehlen, die bei der Berechnung der Kohlenhydrate unterstützt? Oder habt ihr andere Tipps wie man sich daran gewöhnt? Ich wiege bisher alles ab und kann mir gar nicht vorstellen, dass ich mir das zukünftig merken kann bzw. wie ich die Kohlenhydrate schätzen kann. Vielen lieben Dank für eure Hilfe! Liebe Grüße, Christa

    • Hallo cesta, ich habe gute Erfahrungen mit der WETID App gemacht. Hier erhältst du für fast alle Lebensmittel BE – Werte. Man kann auch das Portionsgewicht eingeben und erhält dann die entsprechenden BE’s.
      Die App mit Werbung war bisher kostenlos. App ohne Werbung und im Abo ist besser.

      LG von kw = Kurt mit Diabetes Typ 3c

  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo Heike, oh da hast du aber auch viel geschafft. Ja ich habe die Kinder mit Diabetes bekommen und meine Kinder sind 26,25,23 und bald 19 🥰….und wie du hoffe bald wieder fit zu sein. Beruflich wechsle ich jetzt vom Kinderhospiz wieder in die Krippe da es dort vorausschaubarer ist als im Schichtdienst. In der Hoffnung der Diabetes lässt sich dort wieder besser einstellen. Eigentlich sollte ich auch die Ernährung wieder umstellen, das weiß ich aber es fällt mir so schwer. Wie ist das da bei dir. Was machen deine Werte ? Viele Grüße Astrid

    • @sveastine: Hallo liebe Astrid, sag mal kann es sein, daß du in den Wechseljahren bist? Ich habe meine schon hinter mir, aber das war zuckertechnisch eine der schwierigsten Zeiten, weil ständig alles durcheinander war. Damals war ich allein 2 x in der Diabetes Klinik Bad Mergentheim zum Anpassen innerhalb von 3-4 Jahren. Die Hormonwirkungen waren der Wahnsinn. Jetzt ist es wieder deutlich ruhiger. Was hast du eigentlich für eine Versorgung? Pen? Pumpe? Insulin? Sensor?
      Ich habe die Tandem tslim mit Sensor und Novorapid. Und das ist für mich der game changer gewesen. Seitdem werden die zuckertechnischen Anstrengungen auch mit guten Werten belohnt. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hi, ja ich bin in den Wechsel Jahren schon eine ganze Weile und nehme Hormone. Das ist denke ich ist der Hauptgrund der Schwankungen, aber das geht schon seit ca 3 Jahren so, was doof ist. Ich hab das gleiche System wie du tslim und Dexcom, trotzdem schwierig.aber für Bad Mergentheim lt. Diabetologe zu gut um die Genehmigung dafür zu bekommen 🤷🏻‍♀️

    • @sveastine: Das ist ja witzig, das du dieselbe Versorgung hast. Also bist du da optimal versorgt. Jetzt verstehe ich deinen Frust. Nach den Behandlungen in Bad Mergentheim war es wenigstens eine Weile besser. Warst du schon mal in Reha wegen dem Zucker? Ist zwar nicht Bad Mergentheim, aber manche Rehakliniken machen das wohl echt gut. Du musst “nur” darauf achten, dass sie ein spezielles Angebot für Typ1er haben. Ich war 2019 in der Mediclin Klinik Stauffenberg, Durlach. Das war okay. Am wichtigsten fand ich den Austausch mit den Mitpatienten. Aber natürlich ist der Aufwand für dich bei 4 Kindern für 3 Wochen, sehr hoch. Und eine Garantie dafür das dann länger besser läuft gibt es nicht. Ich fand es aber immer wichtig, den zuckertechnischen Input und die Solidarität zu erfahren. Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Nicht Durlach, sondern Durbach.

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

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