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Was tun, wenn die Zuckerwerte nach einer Mahlzeit sehr schwanken? Zunächst ist die Frage, ob die Insulineinstellung stimmt und die Kohlenhydrate korrekt berechnet wurden. Ist beides in Ordnung, muss auf den Spritz-Ess-Abstand, die Insulinart und die Zusammensetzung der Mahlzeit geschaut werden.
Jugendliche und Eltern von Kindern mit Typ-1-Diabetes stehen immer wieder vor dem Rätsel, warum der Blutzucker nach einer Mahlzeit manchmal so sehr schwankt. Obwohl die Insulineinstellung im Großen und Ganzen passt und Kohlenhydrate korrekt berechnet wurden, tauchen nach Mahlzeiten gelegentlich Unter- oder Überzuckerungen auf.
Dies kann mehrere Ursachen haben, da nicht nur die Berechnung der Kohlenhydrate eine Rolle spielt, sondern auch der Zeitpunkt der Insulingabe, welches Insulin genutzt wird und wie die Zusammensetzung der Mahlzeit aussieht.
Der Zeitpunkt der Insulingabe sollte auf jeden Fall immer vor die anstehende Mahlzeit gelegt werden, da das Insulin eine Weile braucht, bis es im Blut wirken kann.
Bei Kindern und Jugendlichen, die einen Glukosesensor tragen (z. B. als Bestandteil eines CGM-Systems (CGM: kontinuierliche Glukosemessung) oder eines FGM (Flash Glucose Monitoring), zeigt sich immer wieder, wie stark der Zucker direkt nach der Mahlzeit ansteigt, wenn das Insulin erst nach der Mahlzeit verabreicht wurde.
Dieser starke Anstieg ist oft durch eine einfache Blutzuckermessung nicht ersichtlich, da nur punktuell vor der Mahlzeit und in der Regel zwei bis drei Stunden nach der Mahlzeit gemessen wird. Wenn nun ein erhöhter Blutzucker nach der Mahlzeit getestet wird, werden oft die Insulinmengen für den nächsten Tag erhöht, obwohl es völlig ausreichen würde, den Zeitpunkt der Insulingabe vor die Mahlzeit zu verschieben.
Ist der Zucker vor einer Mahlzeit niedrig, sollte dies zunächst mit Traubenzucker behandelt werden, damit der Wert wieder im Normbereich ist. Anschließend kann das Insulin gegeben und die Mahlzeit eingenommen werden.
Neueste Studien zeigen, dass Traubenzucker am besten geeignet ist, um eine Unterzuckerung zu behandeln. Denn: Werden andere Nahrungsmittel (z. B. Süßigkeiten) gegessen oder getrunken oder das Mahlzeiteninsulins reduziert, steigt der Blutzucker viel zu langsam an (siehe auch Diabetes-Eltern-Journal 3/2016/Zum Aufbewahren).
Wird ein schnellwirksames Analoginsulin für die anstehende Mahlzeit verwendet, sollte es fünf bis zehn Minuten vor der Mahlzeit gegeben werden. Wenn man sich unsicher ist, wie viel gegessen wird, sollte ein Teil des Insulins vor der Mahlzeit gespritzt werden und der übrige Teil danach.
Ein Normalinsulin wird verwendet, wenn zwei bis drei Stunden nach der Hauptmahlzeit noch eine kleinere Zwischenmahlzeit eingenommen werden soll, ohne dafür extra spritzen zu müssen. Bei Normalinsulinen empfiehlt es sich, einen Abstand von 15 bis 30 Minuten zwischen Insulingabe und Mahlzeit einzuhalten.
Besonders morgens, vor der ersten Mahlzeit des Tages, sollte ein möglichst großer Abstand zwischen Insulingabe und Essen gelassen werden, da das Insulin sehr träge ist und nur langsam wirkt. Grund dafür sind andere im Körper wirkende Hormone, die das Insulin beeinflussen und seine Wirkung abschwächen.
Doch auch wenn diese Empfehlungen eingehalten werden, kann es sein, dass nach dem Verzehr bestimmter Speisen der Blutzucker trotzdem noch sehr schwankt. Es entstehen oft Unterzuckerungen, gefolgt von Überzuckerungen, welche nur schwer in den Griff zu bekommen sind. Schaut man sich Blutzuckerprotokolle etwas genauer an, sind es fett- und eiweißreiche Mahlzeiten wie Pizza, Lasagne und Aufläufe mit einer Sahnesoße, die vor solchen Ereignissen gegessen wurden.
Dass Kohlenhydrate den Blutzucker erhöhen und mit Insulin abgedeckt werden müssen, ist bekannt. Doch auch Fett und Eiweiß haben Auswirkungen auf unseren Blutzuckerspiegel. Unser Körper ist in der Lage, Fett und Eiweiß in Glukose umzuwandeln – und dies führt zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Fett, Eiweiß und Ballaststoffe verzögern zudem unsere Verdauung, dadurch gelangt der Zucker erst später in die Blutbahn.
So kann es zu dem bereits beschriebenen Effekt kommen, dass der Blutzucker kurz nach der Mahlzeit rasch absinkt und dann wieder ansteigt: Das Insulin ist “schneller im Blut” als die Glukose, die sich durch die fettige Mahlzeit gebildet hat. Jedoch kommt der Zucker aus dem in Glukose umgewandelten Fett und Eiweiß erst dann ins Blut, wenn das Insulin nach zwei bis drei Stunden seine Wirkung verliert, weshalb oft eine langanhaltende Überzuckerung von mehreren Stunden folgt.
Um eine Unterzuckerung nach einer fett- und eiweißreichen Mahlzeit zu vermeiden, empfiehlt es sich, bei einer Insulinpumpentherapie nicht die gesamte Insulinmenge auf einmal abzugeben, sondern einen Teil des Insulins sofort und den anderen Teil verzögert. Das Insulin, das sofort in den Körper gelangt, ist für die schnell verdaulichen Kohlenhydrate zuständig, das verzögerte Insulin deckt die Kohlenhydrate ab, die durch die verlangsamte Verdauung noch Stunden später in die Blutbahn gelangen.
Bei einer Spritzentherapie (Pen) kann man auch für die einzelne Mahlzeit das Normalinsulin verwenden, ohne eine noch folgende Zwischenmahlzeit einzuplanen. Da das Normalinsulin erst nach zwei bis drei Stunden seine stärkste Wirkung hat und insgesamt bis zu vier bis sechs Stunden wirkt, vermeidet man damit auch die beschriebenen Blutzuckerschwankungen. Zudem kann es sinnvoll sein, eventuell auch für Fett und Eiweiß Insulin einzuplanen, um lang anhaltende Überzuckerungen nach einer fett- und eiweißreichen Mahlzeit zu vermeiden.
Die Kalkulierung von Fett und Eiweiß kann zum Beispiel nach dem Prinzip der FPE-Berechnung (FPE: Fett-Protein-Einheit) nach Pankowska erfolgen. Dazu werden folgende Nährwertangaben benötigt: Gesamtkalorien, Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß. Diese erhält man aus Nährwert-Tabellen oder auch durch Nährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen. Eine Liste von Fett-Protein-Einheiten gängiger Lebensmittel finden Sie außerdem auf Seite 35 (Zum Aufbewahren).
Eine FPE kann mit der gleichen Insulinmenge abgedeckt werden wie eine KE/BE (Kohlenhydrateinheit/Broteinheit).
1 g Kohlenhydrate hat 4 kcal, also haben 75 g Kohlenhydrate 300 kcal.
Zieht man die Kohlenhydrat-Kalorienmenge von den Gesamtkalorien ab, erhält man die Kalorienmenge, die von Fett und Eiweiß kommt. Im Beispiel der Salami-Pizza wären das 400 kcal, und die werden umgerechnet in 4 FPE. Es sollte also Insulin für 7,5 KE und 4 FPE berechnet werden.
Bei der Insulinpumpentherapie kann die Insulinabgabe je nach Pumpenmodell über einen Dual- oder Multiwave-Bolus abgegeben werden, also über eine Kombination aus sofortigem und verzögertem Bolus. Die Insulindosis für die Kohlenhydrate sollte sofort abgegeben werden und die Dosis für die FPE über den verzögerten Bolus.
Wie lange der verzögerte Bolus laufen sollte, richtet sich nach der FPE-Menge (Insulinverzögerung nach Pankowska):
Für das genannte Beispiel der Salami-Pizza beträgt die Verzögerung also sieben bis acht Stunden.
Immer wieder berichten Familien über die Anwendung von Basalinsulinen bei einer Spritzentherapie zur FPE-Abdeckung. Dieses Prinzip wird in unserer Klinik sehr selten angewandt.
Nicht bei jedem Kind oder Jugendlichen und auch nicht bei jeder fett- oder eiweißreichen Mahlzeit sind Schwankungen zu beobachten. Eine individuelle Beratung und Schulung der Patienten und ihrer Familien sollte schrittweise in Zusammenarbeit mit dem Diabetologen, der Diabetesberaterin und der Ernährungsberaterin erfolgen.
Um Schwankungen nach einer Mahlzeit zu vermeiden, sollte geachtet werden auf:
Zudem gilt: Eine Unterzuckerung sollte vor dem Essen behandelt werden – am besten mit Traubenzucker.
von Anne-Kathrin Nieswandt
Diabetesberaterin DDG, Kinder- und Jugendkrankenhaus “Auf der Bult”, Hannover
E-Mail: diabetes@hka.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2016; 9 (4) Seite 18-20
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