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Der Wechsel vom vertrauten Kinderdiabetologen hin zum Erwachsenendiabetologen ist nicht einfach, und gesetzlich vorgesehen ist ein abrupter Wechsel mit dem 18. Geburtstag. Dennoch können Eltern, Jugendliche und das Diabetesteam einiges tun, damit der Übergang gelingt. Ideal wäre die Teilnahme an einem begleitenden Programm.
Kinder und Jugendliche mit Typ-1 Diabetes werden in Deutschland von Kinder-und Jugendärzten behandelt. Mit dem 18. Lebensjahr endet in den meisten Ambulanzen die Möglichkeit der Betreuung, und es steht der Wechsel in die Erwachsenenmedizin an. Dieser Übergang wird als Transition bezeichnet. In Deutschland gibt es aktuell ca. 30.000 Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes, so dass jährlich ca. 3.000 Jugendliche die Behandlungseinrichtung wechseln müssen.
Dieser Wechsel in die Erwachsenenmedizin fällt in eine für Jugendliche sehr aufregende Zeit, nämlich in die des „Erwachsenwerdens“. Es gibt viele Themen, die sie in dieser Lebensphase sehr beschäftigen: die körperliche Entwicklung mit den hormonellen Veränderungen, der Schulabschluss und die Frage nach beruflichen Perspektiven, der Freundeskreis, die Distanzierung von den Eltern – um nur einige zu nennen.
Hinzu kommt bei Kindern mit einer chronischen Erkrankung nun auch noch die Neuorientierung in der Gesundheitsversorgung mit der Notwendigkeit eines Arztwechsels. Der Wechsel fällt Jugendlichen häufig schwer, da die meisten schon über viele Jahre hinweg von ihrem Arzt/ihrer Ärztin betreut werden, sich dort gut aufgehoben fühlen, die Strukturen gut kennen und großes Vertrauen in das Team haben. Es ist bekannt, dass ca. 40 % der Jugendlichen beim Übergang in die Erwachsenenmedizin den Kontakt zum Spezialisten, also zu einem Diabetologen/einer Diabetologin, verlieren. Die Folge ist eine Verschlechterung der medizinischen Versorgung und der Stoffwechsellage mit einem Anstieg des HbA1c-Werts sowie einer Zunahme von Ketoazidosen und schweren Hypoglykämien.
Die Transition ist somit eine Herausforderung für die Jugendlichen. Sie müssen in dieser Zeit lernen, die Verantwortung für die Behandlung ihrer Erkrankung zu übernehmen und sich die dafür notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die ihnen noch fehlen, aneignen.
Zu den speziellen Kenntnissen über die Erkrankung kommt der Erwerb organisatorischer Fähigkeiten hinzu. Für Eltern selbstverständliche und banal klingende Aufgaben wie z. B. die selbstständige Terminvereinbarung, die Bestellung von Rezepten, die Vorbereitung einer Medikamentenliste für die Reise müssen nun von den jungen Erwachsenen übernommen und selbstständig erledigt werden.
Nicht zu unterschätzen ist sicherlich auch die erste Vorstellung beim Erwachsenendiabetologen. Einer fremden Person die eigene Krankengeschichte zu erzählen, ist nicht für jeden 18-Jährigen/jede 18-Jährige leicht zu bewältigen. Der entscheidende Unterschied: Während in der Kinder-und Jugendmedizin größtenteils die Eltern die Therapie und Organisation der ärztlichen Konsultation übernehmen, wird in der Erwachsenenmedizin ein eigenverantwortliches Handeln vorausgesetzt.
Während die Jugendlichen sich diesen Aufgaben zu stellen haben, müssen die Eltern lernen, ihre Verantwortung abzugeben. All das, was sie jahrelang übernommen und erfolgreich organisiert haben, gehört nun nicht mehr zu ihrem Aufgabenbereich – auch dies ist keine leichte Situation.
Nicht nur die Familien werden herausgefordert. Aus ärztlich-medizinischer Sicht ist ein zusätzlich die Transition erschwerender Punkt die rasche Zunahme des Einsatzes neuer Technologien in der Behandlung des Typ-1-Diabetes. Seit dem Jahr 2000 werden Insulinpumpen bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Im Jahr 2018 wurden ca. 47 % der 15- bis 20-Jährigen mit einer Insulinpumpe behandelt, der Anteil der Pumpentherapie bei Kindern unter 5 Jahre betrug zu diesem Zeitpunkt bereits 91,9 %. Bei über 20-Jährigen führen hingegen nur 20 bis 30 % der Patienten eine Insulinpumpentherapie durch.
Das bedeutet: In der diabetologisch-internistischen Praxis finden sich deutlich weniger Patienten mit derart technologisch-medizinischer Ausstattung. Hinzu kommen die kontinuierlichen Glukosemessgeräte, die sowohl einzeln verwendet werden können, zunehmend aber auch in Kombination mit einer Insulinpumpe als automatisierte Insulindosierungssysteme (AID-Systeme) Anwendung finden.
Was können Sie selbst tun?
Was kann das Diabetesteam tun?
Der Anspruch an die weiterbehandelnde Praxis bezüglich moderner Technologien ist also sehr hoch. Die Praxen benötigen die entsprechende Hard- und Software zur Bedienung bzw. zum Auslesen der Geräte oder Zugriffe zu den jeweiligen Apps und Download-Programmen, die in der Zahl rasant ansteigen.
Aber nicht nur die technische Ausstattung ist von Bedeutung, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bezüglich der unterschiedlichen Geräte ständig auf dem neuesten Stand sein, um Patienten anleiten, beraten und schulen zu können. Es gilt also: Augen auf bei der Praxiswahl. Die weitere Betreuung durch eine diabetologische Schwerpunktpraxis mit z. B. der Zertifizierung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) ist somit von hoher Wichtigkeit. Ein Verzeichnis der Praxen mit entsprechender Zertifizierung finden Sie z. B. auf der Homepage der DDG.
Anhand der genannten Punkte wird deutlich, dass für eine erfolgreiche Transition von der Kinder- in die Erwachsenendiabetologie eine gezielte Vorbereitung und individuelle Beratung notwendig sind. Eine überlappende Behandlung wird von den Krankenkassen nicht unterstützt, es ist gesetzlich geregelt, dass die Behandlung bis zum Alter unter 18 Jahren durch einen Kinder-und Jugendarzt erfolgt, aber erst mit dem 18. Geburtstag eine Übernahme in die Erwachsenendiabetologie stattfindet.
Die Situation in Deutschland bezüglich einer erfolgreichen Transition ist schwierig: In Form von Einzelinitiativen gelingt es einigen Praxen und Zentren, durch hohes Eigenengagement eine reibungslose Transition zu organisieren, es gibt jedoch bisher keine flächendeckende, vom Gesundheitssystem finanzierte Versorgung.
Kinderdiabetologen auf nationaler und internationaler Ebene fordern daher strukturierte Transitionsprogramme, die vom Gesundheitssystem finanziell unterstützt werden, damit eine gute Versorgung der jungen Erwachsenen ohne Verluste und gesundheitliche Einbußen fortgeführt werden kann.
Das einzige erfolgreiche und aktuell zur Verfügung stehende Transitionsprogramm ist das Berliner Transitionsprogramm (BTP). Es ist das größte und dazu auch von einigen Krankenkassen finanzierte Programm. Das BTP steht mittlerweile bundesweit Jugendlichen mit verschiedenen chronischen Erkrankungen zur Verfügung. Nicht nur Jugendliche mit Typ-1-Diabetes können hier teilnehmen. Es wird auch für Epilepsie, Nierenerkrankungen oder Rheuma angeboten. Allerdings wird auch dieses Programm nach wie vor noch nicht von allen Krankenkassen finanziell unterstützt.
Während eines Zeitraums von 2 Jahren werden die Jugendlichen hier durch ein Fallmanagement während ihrer Transition begleitet. Das Fallmanagement dient den Jugendlichen und ihren Familien als Ansprechpartner. Hier finden die Dokumentation und der Informationsfluss statt, außerdem wird die Terminkoordination von dieser Stelle gesteuert. Die Kontaktaufnahme ist variabel: per Mail, Telefon, SMS oder auch via App können die Jugendlichen mit dem Fallmanagement kommunizieren. Dies wird von den Jugendlichen gut angenommen.
Transitionsgespräche mit dem Kinder- bzw. Erwachsenendiabetologen sind Teil des Programms und finden sowohl vor als auch nach dem Transfer statt. Diese Gespräche dienen dazu, den aktuellen Entwicklungsstand der Jugendlichen einzuschätzen und den Unterstützungsbedarf zu bestimmen bzw. erforderliche Maßnahmen festzulegen, die dann mit den Fallmanagern geplant und umgesetzt werden.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2021; 12 (4) Seite 24-26
12 Minuten
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