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Viele Eltern versuchen, die Zuckerwerte ihres Kindes mit Diabetes auch nachts im Auge zu behalten. Dies geht allerdings auf Kosten ihres eigenen Schlafes. Wie kann es gelingen, die Angst vor einer schweren Unterzuckerung zu besiegen und auch nicht ständig die Glukosewerte auf dem Handy zu überwachen? Tipps von Professor Karin Lange.
Auch wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen: Während des Nachtschlafs passiert viel. Der Schlaf dient nicht nur der Erholung, er ist wichtig, um neu Gelerntes im Langzeitgedächtnis zu verfestigen und um einen emotionalen Ausgleich von den Belastungen des Tages zu schaffen.
Während einer Nacht treten normalerweise vier bis fünf Schlafzyklen auf, die jeweils ungefähr 100 Minuten dauern. Jeder Zyklus endet in einer Traumphase. Sie ist durch rasche Augenbewegungen gekennzeichnet und wird als REM-Schlaf bezeichnet (englisch: rapid eye movements). In der ersten Nachthälfte steht der Tiefschlaf im Vordergrund, in der zweiten Nachthälfte sind es die REM-Phasen.
Das frühe und späte Schlafstadium unterscheiden sich aber auch darin, wie das Hormons Kortisol freigesetzt wird. In der ersten Nachthälfte ist die Kortisol-Konzentration am niedrigsten, am frühen Morgen ist sie besonders hoch. Daraus ergibt sich z. B. der unterschiedliche Bedarf an Basalinsulin bei Diabetes während der Nacht.
Studien zur Schlafqualität konnten in den letzten Jahren eindrucksvoll zeigen, dass Lernerfolge davon abhängig sind, ob Menschen regelmäßig ungestört durchschlafen, wiederholt geweckt werden oder lange wach bleiben. Je ungestörter der Schaf, desto besser die Lernleistung.
Schlafstörungen können gleichzeitig Ursache und Folge von Depressionen sein. Es besteht kein Zweifel, dass Schlafstörungen beispielsweise das Depressionsrisiko massiv erhöhen. Auch hier haben Forscher Bezüge zwischen Tiefschlafphasen, der Ausschüttung von Stresshormonen und Depression nachgewiesen. Nicht zuletzt dient längerer Schlafentzug leider noch heute als Foltermethode mit schweren seelischen und körperlichen Folgen.
Bevor es die Möglichkeit zur kontinuierlichen Glukosemessung gab, haben viele Eltern oft mehrfach nachts nach ihrem Kind mit Diabetes geschaut, den Blutzucker gemessen, Insulin oder Kohlenhydrate gegeben. Damit haben sie sich und auch ihr Kind um einen ungestörten Schlaf gebracht.
Wenn dies regelmäßig, fast jede Nacht passierte, war das Risiko für die genannten ungünstigen Folgen einschließlich der Schwankungen der Stresshormonspiegel hoch. Deshalb wurde bereits damals empfohlen, nur ausnahmsweise bei besonderen Situationen nach dem Kind zu schauen.
Dank moderner Insulintherapien war und ist auch heute das Risiko für schwere, plötzliche Komplikationen, z. B. eine schwere Hypoglykämie, sehr, sehr niedrig. Gefühlsmäßig wird dieses Risiko jedoch massiv überschätzt, während die negativen Folgen von Schlafmangel unterschätzt werden.
Was kann Eltern helfen, die Angst zu besiegen?
Seitdem immer mehr Kinder eine kontinuierliche Glukosemessung einsetzen, besteht die große Chance, dass alle Eltern und Kinder entspannt durchschlafen können. Wenn wirklich etwas getan werden muss, meldet der Sensor den zu niedrigen oder zu hohen Wert. Auch wenn das Zimmer der Eltern weit vom Schlafzimmer des Kindes entfernt ist. Damit gibt es wirklich keinen diabetesspezifischen Grund, dass ein Kind im Zimmer der Eltern schlafen sollte.
Damit alle Familienmitglieder entspannt schlafen, sollten die Alarmgrenzen gut mit dem Diabetesteam abgestimmt werden. Zu viel Ehrgeiz, d.h. zu enge Grenzen führen zu vielen Alarmen, auf die oft gar nicht reagiert werden sollte. Bei ständigen Alarmen sollte die Insulintherapie, das Essen am Abend oder andere Gründe überdacht werden.
Schließlich ist es für manche Eltern eine große Herausforderung, nicht ständig die Glukosewerte ihres Kindes auf ihrem Handy zu überwachen. Dieses Verhalten vermittelt bereits jungen Kindern, dass ihnen ständig Gefahr droht. Damit können schon früh belastende Ängste gebahnt werden, die Kinder ihr Leben lang begleiten werden.
Es gehört schon etwas Zeit und Geduld dazu, gelassener mit den unvermeidbaren Schwankungen des Glukosespiegels umzugehen und den Diabetes nicht zur Hauptsache im Leben zu machen. Diese Haltung zahlt sich auf Dauer vielfach aus: durch ungestörten Schlaf, bessere Lebensqualität, seelische Ausgeglichenheit und bessere kognitive Leistungsfähigkeit.
von Prof. Dr. Karin Lange
Diplom-Psychologin, Leiterin Medizinische Psychologie,
Medizinische Hochschule Hannover,
E-Mail: Lange.Karin@MH-Hannover.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2019; 11 (4) Seite 14-15
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