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Unterzuckerungen – erkennen und richtig behandeln
4 Minuten
Glukoseregulation durch Insulin, Glukagon und Adrenalin
Bei Menschen ohne Diabetes setzen beim Absinken des Glukosespiegels gegenregulatorische Vorgänge ein: Die Insulinausschüttung wird gehemmt, Glukagon und Adrenalin (Stresshormon) werden ausgeschüttet. Sie machen das Auftreten von Unterzuckerungen nahezu unmöglich. Glukagon ist ebenso wie Insulin ein Hormon, das in den Zellen der Bauchspeicheldrüse hergestellt wird. Es ist der Gegenspieler des Insulins und steuert den Blutzucker u. a. in Phasen ohne Nahrungsaufnahme.
Das Glukagon wird nach Bedarf von der Bauchspeicheldrüse abgegeben und bewirkt in der Leber eine Freisetzung von Zuckerreserven. Insulin unterdrückt die Freisetzung von Glukagon. Im Gegensatz zu Menschen ohne Diabetes kommt es deshalb bei Menschen mit Diabetes, die Insulin gespritzt haben, bei drohender Unterzuckerung nicht immer zu einer rechtzeitigen Ausschüttung des Glukagons.
Unterzuckerungen bei Typ-1-Diabetes
Die Gründe für Unterzuckerungen sind vielfältig. Sie reichen von ungenauen Berechnungen des Insulins oder des Essens, unregelmäßigem Essen über (ungeplante) körperliche Aktivitäten bis hin zu Stress oder Alkoholgenuss. Auch wenn Eltern oder Betreuende von Kindern mit Typ-1-Diabetes und Jugendliche viele Faktoren bedenken und Therapie-Anpassungen machen, um stabile Glukoseverläufe zu erhalten, kommt es doch immer wieder zu Situationen, in denen niedrige Glukosewerte auftreten: der menschliche Körper tickt eben nicht wie ein Uhrwerk.
Eine einheitliche Definition der Unterzuckerung (= Hypoglykämie) für Menschen mit Typ-1-Diabetes zu finden ist schwierig. Denn das Auftreten von Symptomen kann unabhängig von den Glukosewerten sehr unterschiedlich sein. In verschiedenen nationalen und internationalen Fachgesellschaften hat man sich auf die folgende Einteilung geeignet:
Eine "schwere Hypoglykämie" ist unabhängig vom Glukosewert und geht mit Bewusstseinseinschränkung und/oder -verlust einher. Betroffene können dann nicht mehr sicher trinken oder essen und sind auf Fremdhilfe angewiesen.
Unterzuckerungen sind für die Betroffenen unangenehm, führen häufig zu Einschränkungen im Alltag und beeinflussen somit erheblich die Lebensqualität. Die Zeit unter 70 mg/dl sollte 4 % möglichst nicht überschreiten. Dies entspricht < 1 Stunde pro Tag. Um schwere Hypoglykämien zu vermeiden, sollten möglichst wenige Werte (< 1 %) unter 54 mg/dl (3.0 mmol/l) liegen.
Schulung von Symptomen
Da Unterzuckerungen nicht immer an einer bestimmten Glukosegrenze festgemacht werden können, sind Schulungen zu möglichen Symptomen, Ursachen und der Behandlung sehr wichtig. Jeder Mensch mit Diabetes spürt Unterzuckerungen auf eine andere Art und Weise. Die Anzeichen sind vielfältig: Blässe, Zittern, Herzklopfen/-rasen, Schwitzen, Müdigkeit, Hunger, Schwindel oder Wesensveränderungen wie Weinerlichkeit, Reizbarkeit oder Aggressivität treten häufig auf. Es ist wichtig, die für ihr Kind spezifischen Symptome zu kennen und diese auch im Alltag immer wieder zu benennen, z. B. durch die Frage "Wie fühlst du dich?". Kinder lernen durch Wiederholung.
Je jünger die Kinder, desto unspezifischer können die Anzeichen von Unterzuckerungen sein, aber auch hier lassen sich häufig spezielle individuelle Verhaltensmuster ausmachen, die an eine Unterzuckerung denken lassen. Nicht selten geben Kinder Symptome der Unterzuckerung an, ohne dass eine Unterzuckerung vorliegt. Situationen wie Schreck, Aufregung, Angst oder Streit können identische Symptome hervorrufen.
Behandlung von Unterzuckerungen
Die Behandlung von Unterzuckerungen sollte ausschließlich mit Dextrose (= Traubenzucker) erfolgen. Diese heben den Blutzucker ohne Verzögerung rasch an. Oft wird auch die Gabe von Fruchtsäften, Schokolade oder Milch empfohlen. Die Wirkung dieser Formen der Kohlenhydrate ist jedoch deutlich verzögert gegenüber dem reinen Traubenzucker, oder es sind höhere Mengen an Kohlenhydraten notwendig, um den gleichen Effekt zu erzielen. Gleichzeitig führen Sie häufig zu einem überschießenden Glukoseanstieg.
Die jeweils notwendige Menge an Traubenzucker ist abhängig vom Glukosewert/-verlauf, dem Gewicht des Kindes, der aktiven Insulinwirkung und der Situation, in der die Unterzuckerung auftritt. Im Allgemeinen werden für Kinder rasch wirkende Kohlenhydrate in einer Dosis von 0,3 g Glukose pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen.
Kontinuierliche Glukosemessung und AID-Systeme
In Deutschland tragen mittlerweile > 95 % aller Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes ein System der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) und bereits > 30 % ein teilautomatisches Insulindosierungssystem (AID). Die Zusammenschau von Sensorwert und Befinden, Trendpfeil, aktivem Insulin und ggf. bereits unterbrochener Insulinzufuhr gibt eine Hilfestellung, ob und wie viele Kohlenhydrate zur Behandlung einer (drohenden) Unterzuckerung noch notwendig sind. Oft sind deutlich weniger Kohlenhydrate erforderlich als in der Zeit ohne Sensoren und AID!
Schwere Unterzuckerung – und nun?
Bei Eltern, Familienangehörigen und anderen Betreuungspersonen besteht häufig große Angst vor der unerwarteten schweren Unterzuckerung. Wer bereits einmal eine schwere Unterzuckerung miterlebt hat, weiß, dass diese Situation meist ein dramatisches Ereignis für alle Beteiligten ist. Gefährdet sind die Betroffenen häufig nicht so sehr durch die Unterzuckerung an sich, sondern durch die Situation, in der sie auftritt (z. B. Schwimmen, Bouldern, aktive Teilnahme am Straßenverkehr). Um die schwere Unterzuckerung zu verhindern, ist es wichtig zu wissen, wie Unterzuckerungen schnell und korrekt behandelt werden (s. o).
Sollte es zu einer schweren Unterzuckerung kommen, bei der die Betroffenen nicht in der Lage sind zu schlucken, muss so schnell wie möglich Glukagon verabreicht werden. Glukagon kann in den Muskel, in das Unterhautfettgewebe oder in die Nase verabreicht werden. In Deutschland stehen mehrere Glukagonpräparate zur Verfügung: Baqsimi® ist ab 4 Jahren zugelassen und wird wie ein Nasenspray als Einzeldosis/Sprühstoß (3 mg) verabreicht.
Das GlucaGen® Hypokit ist als injizierbares Notfallset verfügbar. Es ist für alle Altersklassen zugelassen und wird gewichtsabhängig dosiert (1 mg > 25 kg und 0,5 mg < 25 kg). Es muss vor Verabreichung zunächst angemischt werden. Das Präparat Ogluo® mit 0,5 mg (< 6 Jahre) oder 1 mg (> 6 Jahre) Glukagon ist in Form eines Fertigpens für Kinder ab einem Alter von 2 Jahren zugelassen. Natürlich kann es immer vorkommen, dass das Notfallmedikament doch nicht mit dabei ist.
Mit den aktuellen Therapien und ausführlichen Schulungen ist die schwere Unterzuckerung glücklicherweise eine seltene Komplikation geworden, das zeigen Untersuchungen aller kinderdiabetologischen Zentren in Deutschland.
Fazit
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sveastine postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes und Psyche vor 1 Tag, 14 Stunden
hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid
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stephanie-haack postete ein Update vor 2 Tagen, 11 Stunden
Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂
Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/
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lena-schmidt antwortete vor 2 Tagen, 10 Stunden
Ich bin dabei 🙂
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina-
darktear antwortete vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig
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Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike
@mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid
Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike