- Eltern und Kind
Warum Insulin manchmal anders wirkt
5 Minuten
Alles richtig berechnet, genau nach Plan gehandelt – und trotzdem schwanken die Werte? Dr. Nicolin Datz erklärt in der Rubrik Schulung, warum Insulin manchmal anders wirkt als erwartet und wann mehr und wann weniger Insulin nötig ist.
Meine Werte sind zur Zeit immer so hoch, dabei mache ich alles wie immer.“ Oder: „Seit ein paar Tagen sind die Werte immer so niedrig – wie kommt das?“ Solche Äußerungen sind in der Diabetessprechstunde nicht selten zu hören. Es kommen verzweifelte Kinder, Jugendliche oder Eltern, die alles „genau nach Plan berechnen“ – und trotzdem schwanken die Werte in die eine oder die andere Richtung …
Wirkdauer und Tageszeiten
Die Wirkung von Insulinen ist ein wichtiges Schulungsthema in der Kinderdiabetologie. Besprochen wird die Wirkdauer der unterschiedlichen Insuline und auch ihre tageszeitenabhängige Wirkung. Teilt man Insuline nach der Wirkdauer ein, unterscheidet man langwirkende, kurzwirkende und extrem kurzwirkende Insuline voneinander.
Die langwirkenden Insuline haben, je nach verwendetem Präparat, eine Wirkdauer von ca. 6 bis 24 Stunden und werden als Basalinsuline eingesetzt. Sie decken also den nahrungsunabhängigen Insulinbedarf ab. Bei den kurz- und extrem kurzwirksamen Insulinen wird eine Wirkdauer von 2 bis 4 Stunden angegeben. Sie werden als Mahlzeiteninsuline eingesetzt. Je nachdem, welches Präparat verwendet wird, können eine oder zwei Mahlzeiten pro Injektion damit abgedeckt werden.
Ein weiterer Bestandteil der Schulung zum Thema Insulinwirkung ist die tageszeitenabhängige Wirkung des Insulins, auch zirkadianer Rhythmus genannt. Zu unterschiedlichen Tageszeiten zeigt Insulin eine unterschiedliche Wirkung im Organismus. Dies ist in der Abbildung auf der nächsten Seite (aus „Diabetes bei Jugendlichen: ein Behandlungs- und Schulungsprogramm“, Heft 2) sehr schön dargestellt: Der Insulinbedarf ist in den frühen Morgenstunden und am Abend deutlich höher als um die Mittagszeit und in der Nacht.
Die Insulinwirksamkeit verändert sich im Laufe des Tages und der Nacht. Daher wird z. B. zu bestimmten Zeiten mehr Insulin pro KE benötigt als zu anderen Zeiten.
Die Ursache dafür liegt in der Wirkung weiterer vom Körper freigesetzter Hormone. Die Wachstumshormone, das Stresshormon und die Pubertätshormone werden z. B. in den frühen Morgenstunden freigesetzt und führen zu einer geringeren Insulinwirkung mit der Folge hoher Glukosewerte. Es ist also MEHR Insulin notwendig, um die Glukosewerte zu dieser Zeit in den Zielbereich zu bringen. In der Nacht hingegen ist die Insulinwirkung sehr stark, so dass deutlich WENIGER Insulin notwendig ist.
Die beiden grundsätzlichen Theorien zur Insulinwirkung werden im Insulinplan, den der Diabetologe aufstellt, berücksichtigt, so dass sie im Alltag zu stabilen Glukosewerten führen sollten. Mit zunehmendem Wachstum und Körpergewicht sowie längerer Diabetesdauer kommt es zu einem allmählich steigenden Insulinbedarf, der durch regelmäßige Ambulanzbesuche rechtzeitig erkannt und angepasst wird.
Es gibt jedoch Ereignisse, bei denen weitere Einflussfaktoren eine Rolle spielen und zu kurzfristigen Änderungen der Insulinwirkung führen. Auf die Fehlberechnung des Insulins und der Kohlenhydrate möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Die korrekte Berechnung von Insulindosis und Kohlenhydraten wird an dieser Stelle vorausgesetzt.
Situationen mit niedrigerem Insulinbedarf
Situationen, in denen sich der Insulinbedarf verringern kann und in denen es deshalb unter Beibehaltung der üblichen Dosierungen zu Hypoglykämien kommen kann, sind z. B. :
- Steigerung der körperlichen Aktivität
- trockene Hitze
- Magen-Darm-Erkrankungen
Erhöhte körperliche Aktivitäten, wozu nicht nur Sport im engeren Sinn, sondern auch Tagesausflüge, Wanderungen, Fahrradtouren, Inlinerfahren, ein Tag am Strand o. ä. Freizeitbeschäftigungen gehören, können zu Hypoglykämien führen. Der Körper verbrennt mehr Kohlenhydrate zur Energiegewinnung, und die Muskulatur nimmt zum Teil Glukose auch ohne Insulin in die Zellen auf, so dass der Insulinbedarf niedriger ist. Dieses Phänomen kann sich noch bis in die erste Nachthälfte hinaus bemerkbar machen. Trockene Hitze (z. B. im Sommerurlaub) führt ebenfalls zu einem niedrigeren Insulinbedarf, woran dies genau liegt, ist nicht ganz klar.
Im Rahmen von Magen-Darm-Infekten mit Durchfall und Erbrechen ist die Aufnahme der Kohlenhydrate aufgrund der erkrankten Darmschleimhaut gestört, so dass sie nur zum Teil aufgenommen werden können und der Insulinbedarf sich dadurch ebenfalls reduziert.
In diesen drei Situationen wird auf jeden Fall empfohlen, häufiger die Glukosewerte zu kontrollieren, Traubenzucker griffbereit zu haben und die Insulinzufuhr zu reduzieren. Bei der Pumpentherapie ist dies über eine Reduktion der Basalrate, initial z. B. um 20 bis 30% (ggf. sogar mehr), relativ einfach umzusetzen. Bei der Spritzentherapie kann man die morgendliche oder/und abendliche Basalinsulindosis um 20 bis 30 % reduzieren. Bei sehr starken Hypoglykämien ist zusätzlich eine Reduktion des Mahlzeiteninsulins sinnvoll.
Situationen mit erhöhtem Insulinbedarf
Situationen, in denen der Insulinbedarf steigt und es deshalb unter der üblichen Dosierung zu Hyperglykämien (Überzuckerungen) kommen kann, sind z. B. folgende:
- das Dawn-Phänomen
- abgeknickte Insulinpumpenkatheter
- verdickte Spritz-und Katheterstellen
- Krankheiten
- feuchte Hitze
- weniger körperliche Aktivität
Das Dawn-Phänomen („Sonnenaufgangs-Phänomen“) ist Ausdruck der Wirkung von Wachstums -und Pubertätshormonen. Diese Hormone werden insbesondere während der Pubertät in den frühen Morgenstunden freigesetzt, was zu allmählich ansteigenden Glukosewerten ab ca. 2 Uhr und Hyperglykämien beim Aufstehen führt. Um dies zu verhindern, muss bei der Insulinpumpentherapie die Basalrate und bei der Spritzentherapie das Basalinsulin zur Nacht entsprechend angepasst werden.
Bei Hyperglykämien muss bei der Insulinpumpe unbedingt die Insulinzufuhr überprüft und auf abgeknickte Insulinpumpenkatheter geachtet werden. Ist die Zufuhr behindert, kommt das Insulin nicht mehr in der notwendigen Menge im Unterhautfettgewebe an und kann folglich auch nicht ausreichend wirken.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kontrolle der Spritz-und Katheterstellen. Diese können verdickt oder sogar entzündet sein; dies verzögert oder behindert die Aufnahme des Insulins. Hyperglykämien sind die Folge. Hier hilft nur der Wechsel des Katheters bzw. Wechsel der Spritzstellen unter Auslassen der verdickten Stellen. Entzündungen oder sogar Abszessbildungen an den Spritzstellen müssen unbedingt ärztlich abgeklärt werden.
Wichtig für die Urlaubsplanung ist auch das Wissen um die Wirkung von Insulin bei feuchter Hitze – die Wirkung ist dann nämlich reduziert, so dass der Insulinbedarf höher ist. Es sollte vermehrt gemessen und ggf. korrigiert werden. Auch eine Anpassung des Basalinsulins kann notwendig werden. Außerdem kann Insulin bei hohen Temperaturen unwirksam werden, deshalb muss im Sommer bei Auftreten hoher Temperaturen und hoher Glukosewerte auch diese Möglichkeit in Betracht gezogen werden und ggf. vorzeitig eine neue Ampulle angebrochen und das Reservoir gewechselt werden.
Nicht zu unterschätzen ist auch die geringere körperliche Aktivität (oft in den Wintermonaten). Der Insulinbedarf ist höher; die Insulindosis sollte entsprechend erhöht werden. Dieses Phänomen haben wir bei vielen Kindern und Jugendlichen jetzt in der Zeit der Corona-Pandemie erlebt. Home Schooling, Kontaktverbote und schlechtes Wetter haben die Bewegungsdauer und den Bewegungsradius eingeschränkt und den Insulinbedarf bei vielen ansteigen lassen.
Fazit
- Unter bestimmten Umständen wirkt Insulin anders als gewohnt.
- Eine stärkere Insulinwirkung mit der Gefahr von Hypoglykämien kann in folgenden Situationen entstehen:
- – Steigerung der körperlichen Aktivität
- – trockene Hitze
- – Magen-Darm-Erkrankungen
- Eine geringere Insulinwirkung mit der Notwendigkeit der Erhöhung des Insulins gibt es möglicherweise bei folgenden Ereignissen:
- – Dawn-Phänomen
- – abgeknickte Insulinpumpenkatheter
- – verdickte Spritz- und Katheterstellen
- – Krankheiten
- – feuchte Hitze
- – weniger körperliche Aktivität
- Mit häufigeren Messungen, Korrekturen und Insulinanpassungen kann man auf diese Schwankungen reagieren.
Autor:
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Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2021; 13 (2) Seite 25-27
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 6 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig