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Ich stehe in der Küche und knete den Brotteig, jedenfalls versuche ich es. Allerdings bleibt ständig die Hälfte an meinen Fingern hängen. So ein Mist! Ich mache das doch alles genau nach dem Rezept, in dem stand, das sei das beste super-duper-glutenfrei-Brot im gesamten Internet. Vielleicht war das übertrieben, aber vielleicht ist das ja bei glutenfreiem Brot auch so, meine letzten Versuche waren leider ähnlich. Nachdem ich mit Esslöffeln, Wasser und viel Geduld den Teil von meinen Fingern ungefähr in Brot-Form aufs Backblech und in den Ofen befördert habe, atme ich tief durch. Hoffentlich schmeckt es besser, als es sich verarbeiten lässt!
Meine ersten Gehversuche im glutenfreien Backen waren größtenteils ähnlich frustrierend wie oben beschrieben – aber zumindest schmeckt selbst gebackenes Brot meist dann doch besser als gekauftes. Diabetes hatte ich gefühlt schon seit immer, aber kurz vor meinem 18. Geburtstag kam dann die Diagnose Zöliakie dazu. Statistisch gesehen keine Überraschung, denn wer Typ-1-Diabetes hat, hat eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, auch Zöliakie zu bekommen, als ein Mensch mit funktionierender Bauchspeicheldrüse. In der allgemeinen Bevölkerung sind es nur 1-2 aus 200 Personen, unter Menschen mit Diabetes im Vergleich dazu 10-14 pro 200 (siehe auch https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/begleiterkrankungen_bei_diabetes/zoeliakie). Doch darüber denkt man ja erst dann nach, wenn es plötzlich real wird.
Essen mit Diabetes ist eine immerwährende Rechenaufgabe – nach 13 Jahren konnte ich den Kohlenhydrat-Dreisatz im Schlaf, auch wenn ich ihn nicht immer erklären konnte. Zöliakie dagegen ist eine immerwährende Lese- und Frage-Aufgabe: Inhaltsstoffe, Zutatenlisten, im Restaurant nachfragen, was genau im Essen drin ist und ob es in der Küche so zubereitet wird, dass kein Mehl und keine Brotkrümel drankommen… Diabetes bedeutet, immer Insulin, Messgerät und Notfallzucker dabeizuhaben. Zöliakie setzt noch einen oben drauf: Zumindest 2008 und auf dem Land war es sinnvoll, auch gleich das Essen für den ganzen Tag dabeizuhaben, inklusive Snacks, denn mal eben zum Bäcker ging ja nicht mehr.
Durch diese ganz konkreten Einschränkungen und Komplikationen in meinem Alltag war Zöliakie für mich erstmal deutlich schwieriger als mein altbekannter Begleiter Diabetes, der einfach im Hintergrund mitlief. Dass die zwei „uneingeladenen“ Dauergäste hinter meinem Rücken heimliche Partys feierten, wurde mir erst im Nachhinein klar: Die glutenfreien Spezialprodukte, also Brot, Brötchen, Pasta, Kekse und so weiter, haben meist einen deutlich höheren Zuckeranteil und einen höheren glykämischen Index als die glutenhaltige Variante. Das macht den Zucker weniger stabil und würde eigentlich größere Spritz-Ess-Abstände erfordern (aber die fand ich schon immer nervig, und damals gab es noch keine Glukosesensoren, die mir im Minutentakt dramatische Kurven gezeigt hätten – zum Glück (?)).
Doch so nervig die Kombination aus Zöliakie und Diabetes ist (oder, wenn wir ehrlich sind, jede der beiden Erkrankungen für sich genommen), so lässt es sich doch auch gut damit leben. Genauso wie mit Diabetes war für mich schließlich das #wirsindviele Gefühl entscheidend: Nach der üblichen „Ich will gar nicht darüber nachdenken und am besten wäre, das ginge einfach wieder weg“-Phase beschloss ich, dass es Zeit war, andere Menschen in der gleichen Situation kennenzulernen. Über den Jugendausschuss der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. und bald auch die Coeliac Youth of Europe (https://www.cyeweb.eu/) lernte ich tolle Menschen kennen, durfte spannende Projekte mit vorantreiben, andere Jugendliche mit Zöliakie zusammenbringen, endlich wieder Essen teilen, unkompliziert gemeinsam kochen, über glutenfreie Produkte fachsimpeln und, und, und.
Mittlerweile gehören sowohl Diabetes als auch Zöliakie für mich zum Alltag – die Zahlen hinter dem Essen, die über allem schweben und in einer ständigen Gleichung mitlaufen, aber auch die Zutatenlisten und das Abschätzen von potenziell problematischen Inhaltsstoffen, wenn ich unterwegs bin. Ihr habt auch Zöliakie, andere Unverträglichkeiten oder Allergien? Was waren Eure tollsten Glutenfrei-Erlebnisse? Was sind Eure Lieblingsrezepte? Oder habt Ihr noch Community-Tipps? Ich freue mich auf Eure Kommentare – denn #wirsindviele und gemeinsam sind wir stärker!
Hier kommt Ihr zu dem letzten Beitrag von Mirjam:
#SAGESLAUT: TYP-2-DIABETES – EIN SCHOCK, ABER KEIN SCHICKSAL!
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