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Samstagmorgen um 7 Uhr – der Wecker klingelt, verschlafen kriechen wir aus dem Bett. Kurzer Blutzucker-Check: alles paletti. In etwas weniger als einer Stunde wird mein Papa uns abholen. Vier Stunden Fahrt liegen vor uns. Ein letzter Blick gilt unserer kleinen Reisetasche: 4 Katheter, 2 Reservoire, Insulinfläschchen und Blutzuckerteststreifen. Alles da. Für eine Nacht verzichten wir auf Ketonteststreifen. Es wird schon alles gut gehen.
Die Fahrt verläuft ruhig, wir kommen gut durch. Wenige Stunden später ist das Haus meines Onkels voll: Onkel, Tanten, Cousinen mit ihren Kindern und meine Oma trudeln nach und nach ein. Die Stimmung ist ausgelassen – es ist schön, sie nach langer Zeit alle wiederzusehen. Es duftet herrlich nach frisch gekochter Kartoffelsuppe. Janis und ich setzen uns auf die Treppe, die Blutzuckermessgeräte im Schoß. Die Blicke meiner Verwandten streifen uns. „Alles gut?“, fällt die erste vorsichtige Frage.
Mein Papa kommt in den Flur und schielt auf unsere Messgeräte: 132 und 133 mg/dl (7,3 und 7,4 mmol/l) – er grinst uns an: „Na, Mensch. Ich wollte euch grade sagen, dass ihr eure Werte in den Griff bekommen müsst!“ Während Janis und ich in sein Lachen einfallen, schauen uns die anderen verwirrt an – es ist ein Diabetes-Running-Gag zwischen meinen Eltern und uns. Ein typisches Diabetes-Ding. Janis schaut auf meine Pumpe, während ich die BE für die Suppe schätze – mein Papa beobachtet uns mit einem stillen Lächeln. Er ist froh, dass wir uns gefunden haben. Wir natürlich auch.
Während die eine Hälfte der Familie sich anschließend auf den Weg zu einem Verdauungsspaziergang macht, geht der Rest hinunter in den Keller für eine Partie Tischtennis. Wir spielen, lachen uns atemlos und kommen langsam ins Schwitzen. Ich schaue Janis an. Er wirkt blass. Ein paar Minuten später geht er nach oben, um zu messen: 50 mg/dl (2,8 mmol/l). Meine Cousine springt sofort auf, als ich sie um einen Saft bitte. „Ich lass es mal lieber hier stehen – für die nächste Unterzuckerung“, meint sie augenzwinkernd und lässt Janis den Saft in Ruhe trinken. Ich bin froh, dass meine Familie vorbereitet ist und kein Drama aus dem Diabetes macht.
Wenig später wartet die nächste Herausforderung: Stolle und Kuchen. Wie war das noch mal? Eine Scheibe Stolle hat 1,5 BE? Ich überschlage grob und rechne lieber ein bisschen weniger – schließlich geht es im Anschluss auf den Weihnachtsmarkt.
Der Markt ist wunderschön – und proppenvoll. Wir trauen uns nicht, zu messen – in der Menschenmenge würden uns die Messgerättaschen vermutlich aus den Händen fallen. Wir quetschen uns an den Rand und trinken einen Glühwein, während die Menschen um uns herumwuseln.
Ich höre in mich hinein und überlege, ob ich für den Wein spritzen sollte. Ist mein Blutzucker hoch? Ich denke nicht. Ich spritze erst einmal nichts dafür. Schließlich haben wir uns an einen Tisch vorgekämpft und mampfen genüsslich eine Bratwurst. Endlich haben wir etwas Platz, um zu messen. Beide Werte liegen im Hunderter-Bereich. Perfekt. Mein Papa beugt sich zu uns herüber: „Na? Wie sieht’s aus?“, fragt er und nickt zum Messgerät. Ich zwinkere ihm zu und bin irgendwie gerührt, dass er noch immer auf mich aufpasst. Das Brötchen berechnen wir mit 2 BE, der Ketchup kriegt noch einmal eine halbe BE dazu. Wir lassen den Bolus dual laufen – das Fett wird die Kohlenhydrataufnahme verzögern.
Zurück zu Hause geht das Essen weiter. Ständig habe ich Insulin aktiv, und es bereitet mir ein wenig Bauchschmerzen, so oft hintereinander zu bolen.
Während wir nach dem Essen – Kartoffelsalat und Fingerfood – pappsatt auf der Couch sitzen, beginnt der Wein zu fließen. Und langsam driftet das Gespräch über zum Diabetes. „Kann die Pumpe das Insulin nicht schon allein abgeben?“ „Was ist das für ein Sensor?“ (Janis hatte den abgelaufenen FreeStyle-Libre-Sensor noch am Arm.) „Habt ihr ein Notfall-Kit dabei?“ „Wie klappt es bei euch?“ „Wie macht ihr das mit dem Alkohol?“ Wir versuchen, die vielen Fragen nach bestem Gewissen zu beantworten.
Meine Familie weiß ziemlich gut Bescheid, stelle ich ein wenig verdutzt fest und freue mich deshalb doppelt darüber. Wieder merken wir, wie schwierig dieses komplexe Thema Diabetes manchmal zu erklären ist. Und ich denke über die Frage mit dem Alkohol nach. Mittlerweile habe ich das dritte Glas intus und liege mit meinem Blutzucker bei etwa 200 mg/dl (11,1 mmol/l). Beherzt greife ich bei den Knabbereien zu – meine Erfahrung zeigt, dass ich mit einem hohen Blutzucker nach Alkoholkonsum am sichersten durch die Nacht komme. Ich versuche, meiner Familie zu erklären, weshalb ein hoher Blutzuckerwert bei Alkohol sogar ganz gut ist – es ist schwierig für sie, es zu verstehen. Doch sie geben sich Mühe, uns zu folgen, und hören interessiert und begeistert zu. Eine Diskussion über implantierbare Sensoren, Akkuleistung und technische Neuerungen entbrennt, und ich grinse in mich hinein. Ich bin meiner Familie in diesem Moment so dankbar für ihre Neugier, ihr Interesse an unserem Leben und den heutigen Möglichkeiten – und freue mich schon jetzt auf das nächste Familientreffen.
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