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Mit dem Thema kohlenhydratreduzierte Ernährung beschäftige ich mich schon seit einer ganzen Weile. Bereits bevor ich im Frühjahr 2010 die Diagnose Typ-1-Diabetes erhielt, hatte ich das Standardwerk zur LOGI-Ernährung studiert und über die Zusammensetzung meiner Nahrung nachgedacht. Mit der Diagnose nahm dieses Nachdenken naturgemäß noch breiteren Raum ein. Außerdem konnte ich ganz hautnah beobachten, was Stoffwechselgesunde nie wirklich mitbekommen: Große Mengen Kohlenhydrate können den Blutzucker ganz schön aus dem Gleichgewicht bringen – selbst wenn man ihre Menge richtig eingeschätzt und die korrekte Insulindosis dafür gespritzt hat. Ganz einfach deshalb, weil es sehr schwer ist, genau den richtigen Zeitpunkt für die Insulingabe zu treffen. Komplexe Kohlenhydrate oder Kohlenhydrate in Verbindung mit Fett und Eiweiß brauchen viel länger, bis sie verstoffwechselt werden und den Blutzucker ansteigen lassen. Einfache Kohlenhydrate ohne solche Begleiter wiederum schießen schneller ins Blut, als selbst das modernste Turboinsulin wirken kann.
Meinen persönlichen Aha-Effekt erlebte ich, als ich irgendwann einmal auf die Aussage stieß, dass es nur essenzielle Fettsäuren und essenzielle Aminosäuren (Eiweiße) gibt, aber keine essenziellen Kohlenhydrate. Sprich: Der Körper ist zwingend auf die Zufuhr von Fett und Eiweiß von außen angewiesen, nicht aber auf die Zufuhr von Kohlenhydraten. Denn die Glukose, die von den Organen, den Muskeln und dem Gehirn als Brennstoff benötigt wird, kann der Körper auch aus Eiweiß oder Fett selbst herstellen. Mit dieser Erkenntnis war für mich dann endgültig klar, dass ich den Kohlenhydratanteil in meiner Nahrung senken möchte – zugunsten von mehr Fett und Eiweiß. Dass Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hartnäckig weiter empfehlen, eine vollwertige Ernährung solle aus wenig Fett und mindestens 50 Prozent Kohlenhydraten bestehen, erscheint mir angesichts der vielen Studien, wonach eine Ernährung nach LOGI sich positiv auf das Körpergewicht, das Blutzuckerprofil und auch die Blutfettwerte auswirkt, ziemlich anachronistisch.
Umso neugieriger war ich, als ich im Programm des diesjährigen Kongresses der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am 15. Mai 2015 in Berlin eine Sitzung zum Thema „Ernährung bei Diabetes“ entdeckte, in der es in einigen Vorträgen ganz explizit um die Vorteile und Risiken einer proteinbasierten Ernährung bei Diabetes gehen sollte. Was also sagen die Diabetes-Experten, was sagen aktuelle Studien? Gibt es wirklich einen Grund, sich um die bei Diabetikern ohnehin gefährdeten Nieren zu sorgen, die durch mehr Eiweiß in der Nahrung über Gebühr belastet werden? Die erste positive Erkenntnis in der Sitzung vermittelte mir Priv.-Doz. Dr. Thomas Skurk von der Technischen Universität München, der sagte: „Die positiven Effekte einer eiweißbasierten Diät auf das Körpergewicht sind gut belegt.“ Protein macht nachhaltig satt, so dass man weniger rasch wieder hungrig wird und damit am Ende mehr isst, als man eigentlich müsste. Diesen Effekt kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen: Besonders lange bin ich morgens nach dem Frühstück satt, wenn ich die zweite Scheibe Brot durch eine ordentliche Portion Quark mit Obst ersetze. Ich komme dann definitiv nicht vor dem Mittagessen auf die Idee, wieder etwas zu essen.
„Auch eine Reihe klinischer Parameter wie Insulin- und Blutglukosespiegel, Blutfette sowie der Blutdruck und der HbA1c-Wert verbessern sich nachweislich unter einer Hoch-Protein-Diät“, erklärte Dr. Skurk weiter. Nun, mein Blutdruck ist seit jeher eher niedrig, und meinen Blutzuckerwerten bekommt es ganz hervorragend, wenn ich Kohlenhydrate durch Protein ersetze. Und das wirkt sich natürlich auch positiv auf den HbA1c-Wert aus. Was die Blutfette angeht, fragte mich vor einer Weile mein Hausarzt mit Blick auf meine offenbar recht niedrigen Cholesterinwerte tatsächlich einmal, ob ich Cholesterinsenker einnehme. Auch den positiven Effekt auf die gängigen Laborwerte kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung heraus also bestätigen.
Die logische Frage in Sachen Protein lautet also: „Warum sollte es nicht ein bisschen mehr sein?“ Ganz einfach: Bei Diabetikern haben Ärzte schnell Angst um deren Nierenfunktion. An diesem Punkt lieferte Dr. Skurk mir die zweite wichtige Erkenntnis der Sitzung: „Durch den Austausch von Kohlenhydraten durch Protein verbessern sich die Blutzuckerwerte. Ein verbessertes Blutzuckerprofil wiederum beeinflusst häufig auch die Nierenfunktion positiv. Bei Patienten mit einer schlechten Blutzuckereinstellung kann eine proteinreiche Ernährung aber zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen.“ Im Klartext heißt das: Letztlich weiß man gar nicht genau, ob es wirklich die vermehrte Eiweißaufnahme ist, die bei Diabetikern zu Nierenschäden führt, oder die schlechte Blutzuckereinstellung! Bei Patienten mit guter Blutzuckereinstellung ohne Vorschäden an den Nieren ließen sich in Studien jedenfalls keine negativen Auswirkungen von eiweißreicher Kost auf die Nieren feststellen.
Das sind doch ungemein beruhigende Neuigkeiten für alle Diabetiker, die sich ebenso wie ich über die DGE-Empfehlungen hinwegsetzen und frei nach LOGI die Ernährungspyramide ein wenig auf den Kopf gestellt haben.
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