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Das Echt essen-Gasthaus im September: Eine schnörkellose Regionalküche kocht Bernd Lutz in der „Sternen Post“ in Oberried bei Freiburg. Eine Echt essen-Entdeckung, weil in dem Dorf auch ein wunderschöner Kräutergarten auf kundige Besucher wartet.
Es gibt ihn noch, den wahren Geheimtipp. Ein ganz besonderer ist die „Sternen Post“ im Kräuterdorf Oberried bei Freiburg. Genau eine halbe Stunde dauert insgesamt die Fahrt vom Freiburger Hauptbahnhof mit dem Zug nach Kirchzarten ins malerische Höllental – und von dort weiter mit dem Bus 7215 nach Oberried zur Haltestelle Sternen Post direkt vor der Haustür des Gasthauses.
Der Lörracher Winzer Karlheinz Ruser hat mir dieses Kleinod empfohlen. Dankbar bin ich für diesen Hinweis, denn hier stimmt die echte Mischung: Oberried ist ein intaktes Dorf in einer schönen Landschaft mit einem großartigen Kräutergarten, den ich ausführlich vorstelle. Die „Sternen Post“ ist ein sympathisches Restaurant mit einer ausgezeichneten Bio-Küche zu vernünftigen Preisen.
Knappe 150 Jahre alt ist die „Sternen Post“ am Weg von Freiburg über den Notschrei nach Todtnau im Wiesental. Vor Jahren stand das markante Gebäude vor dem Abriss, bis es 2006 von dem Ehepaar Triebswetter-Lutz gekauft und saniert wurde. Ein schmuckes Haus ist entstanden mit gemütlichen Gasträumen, einer schönen Terrasse sowie vier eleganten Hotelzimmern und einer Ferienwohnung.
Bernd Lutz hat in ersten Häusern das Kochen gelernt und war vor seinem Einstieg in die „Sternen Post“ zehn Jahre die rechte Hand von Alfred Klink, dem langjährigen Sterne-Koch im Freiburger Hotel Colombi, eine der schönsten Herbergen Deutschlands.
Die Schätze der Heimat weiß der erfahrene Koch klug zu nutzen: Gemüse bezieht er vom Kaiserstühler Biobetrieb „Lindenbrunnenhof“, der für seine Kartoffelspezialitäten berühmt ist. Kalb- und Rindfleisch kommt vom „Altenvogtshof“, einem wunderbar gelegenen Biobauernhof oberhalb von Oberried, der auch einen eigenen Kräutergarten hat. Wobei Bernd Lutz auch viele Wildkräuter selbst sammelt. Ein Großteil der Ware ist ökologisch angebaut, stammt aus der Umgebung – und Bernd Lutz weiß praktisch von jedem Produkt, wo es herkommt, genau diese Küche ist es, die ich mit meinem „Echt-Essen“-Magazin suche.
Drei völlig unterschiedliche Gerichte habe ich gegessen, um einen Einblick in die Küche zu gewinnen: Innereien, Gemüse und Fisch. Zum Start genieße ich ein Gericht, das zu Unrecht ganz selten auf der Karte steht: Kalbsbeuschel. Das ist die sauber geputzte, klein geschnittene Lunge. Zubereitet mit Gemüse, Zwiebeln in einer intensiven, leicht säuerlichen Sauce, was 14,50 Euro kostet.
Besser lässt sich dieser Klassiker der bäuerlichen Küche, der sicher nicht nach jedermanns Geschmack ist, nicht zubereiten. Für mich ein Grund noch einmal hinzufahren – genau so wie auch der mit Gemüse und Kräutern gefüllte Rehrollbraten, den es sonst praktisch nirgends gibt. Bernd Lutz zeigt mir an seinem Bauch die Stelle – und meint: „Das nutzt kaum jemand, dabei schmeckt es ausgezeichnet“.
Sein Kalbsbeuschel bezieht er vom „Spisingerhof“ in St. Wilhelm – auch so ein bäuerliche Biomusterbetrieb, oberhalb von Oberried. Fest nehme ich mir vor, nächstes Jahr den Spisingerhof und den Altenvogtshof zu besuchen, diese Refugien einer noch heilen bäuerlichen Kultur.
Dass Bernd Lutz so ein seltenes Gericht zubereiten kann, liegt auch daran, dass er gerne alles verarbeitet, nicht nur die Edelteile wie viele andere Köche. Deshalb kauft er auch schon mal ein halbes Kalb und zerlegt es selbst. Vom Wild, das er von heimischen Jägern bekommt, kann es auch ein ganzes Tier sein, etwa eine am nahen Feldberg geschossene Gams.
Perfekt abgeschmeckt ist die gebackene, mit Frischkäse und Gemüse gefüllte Zucchiniblüte in einem Ragout aus geschmorten Kirschtomaten. Wunderbar die intensive Gemüsesauce, prächtig die frischen Steinpilze dazu. Auch wer also kein Fleisch mag, kommt hier auf seine Kosten und zahlt dafür angemessene 15,50 Euro.
Gar nicht glauben wollte ich, dass der großartige Saibling aus einer Zucht stammt. Saftig auf den Punkt pochiert schmeckte er so gut, wie ich ihn sonst nur fangfrisch aus dem Bodensee kenne. Hier leistet der Züchter Rainer Tress aus Lauchringen bei Waldshut ganze Arbeit. Interessant und fein dazu das Gurkengemüse, die Tomaten, die intensive mit Dill gewürzte Sauce.
Gerne hätte ich dazu einen Wein von der kleinen Karte getrunken, etwa den ausgezeichneten Weißburgunder von Karlheinz Ruser für runde 20 Euro die Flasche. Das wird nachgeholt, wenn ich demnächst zusammen mit Karlheinz noch einmal diesen besonderen Ort der Gastlichkeit mit dem freundlichen Service unter der Leitung der Frau von Bernd Lutz aufsuche.
Fazit: Hier wird eine unprätentiöse, zukunftsweisende Bio-Küche zelebriert, die ohne weiteres einen Stern verdient hätte. Es gibt ein wunderschönes Buch von Christian Hodeige im Freiburger Rombach Verlag: „Drei Köche“. Einer davon ist Bernd Lutz (die anderen sind Klaus Dietz, Hugenhof, und Martin Schlegel, Schlegelhof – beide auch im Freiburger Umland). Über Lutz schreibt der einflussreiche Publizist: „Der stille Künstler einer modernen Küche für die ganze Familie“.
Eine gute Beschreibung des bescheidenen und stillen Kochs, der einen lauten Beifall verdient!
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„Kräuterdorf“ nennt sich Oberried. Das liegt vor allem an dem Kräutergarten, der hinter dem ehemaligen Kloster vor rund zwölf Jahren angelegt wurde. Rund 200 Pflanzen wachsen hier, die in historischen Bauern- und Klostergärten eine Rolle spielten. In vier Segmente ist der kreisrunde Garten geteilt, in der Mitte steht eine Kräuterspirale – und umgeben ist alles von einheimischen Streuobstbäumen und historischen Rosenstöcken.
Irmhild Haite-Voss ist eine der Initiatorinnen des Gartens, der von einem Dutzend ehrenamtlichen Helfern betreut wird. Die Grafikdesignerin und Gesellschafterin einer Freiburger Kommunikationsagentur, die sich zur Kräuterpädagogin hat ausbilden lassen, arbeitet auch mit dem „Altenvogtshof“ zusammen, von dem auch Bernd Lutz Produkte bezieht. Im dortigen Kräutergarten gibt sie auch Seminare.
Ich hatte das Vergnügen, einen Vortrag von ihr in Oberried zu hören – und bin fasziniert, wie lebendig sie es versteht, die Menschen für Kräuter, für das alte Heilwissen zu begeistern, ohne belehrend zu werden. Sensibel auch, wie sie die Beiträge ihrer teilweise enorm fachkundigen Zuhörer aufnimmt, sodass jeder klüger nach Hause geht, als er gekommen ist.
Auch ich habe etwas gelernt: Dass es männliche und weibliche Brennesseln gibt. Wie sie unterschieden werden? Das erklärt sie ganz pragmatisch: „Die weiblichen hängen, die männlichen stehen“. Auch im Reich der Kräuter herrscht halt das pralle Leben.
Auf eine Idee von Ursel Bühring geht der Garten zurück. Sie ist die Gründerin der „Freiburger Heilpflanzenschule“, der ersten Ausbildungsstätte für Heilpflanzenkunde in Deutschland, aus der inzwischen ganz viele Heilpflanzenschulen hervorgegangen sind. Ursel Bühring kenne ich schon lange, sie hat mir entscheidend geholfen, mein Buch „TDM Traditionelle Deutsche Medizin“ zu schreiben. Ihre Bücher, vor allem „Alles über Heilpflanzen“ gehören zum Besten, was es zu diesem Thema gibt, denn sie versteht es wie keine Zweite, exaktes botanisches und medizinisches Wissen so in spannende Geschichten zu „verpacken“, dass die Lust auf die Apotheke der Natur geweckt wird.
Zum ersten Mal hörte ich einen Vortrag von Ursel Bühring, und zwar in der vollbesetzten Klosterscheune in Oberried. Ursel spricht relativ leise, sodass ihr die Leute gespannt zuhören. Sie untermalt ihre Geschichten mit kleinen Gebärden – und sie hat die wesentlichen Punkte auf Charts gebannt, vor allem treffende Fotos von den Heilpflanzen, die sie meistens selbst fotografiert hat.
„Von der Heilkraft der Sommerpflanzen“ heißt ihr Vortrag – und sie stellt neun charakteristische Pflanzen vor. Aus ihren Ausführungen habe ich kurze Exzerpte abgeleitet, die ich hier vorstelle.
Bei der kerzengeraden Pflanze mit ihren gelben Blüte spricht sie zuerst von den Flavonoiden und ihren entzündungshemmenden Eigenschaften – um es dann ganz einfach auf den Punkt zu bringen: „Der Name leitet sich von flavus ab, was gelb heißt. Also heilt gelb!“ Ein Mazerat, ein Kaltauszug der Blüten, bewährt sich bei einem trockenen Hals. Wer daraus einen Tee bereitet, kann besser abhusten. Was lernen wir? Je nach Zubereitungsart hat die Pflanze unterschiedliche medizinische Wirkungen.
Die leichten Bitterstoffe bewähren sich bei Bauchweh. Schafgarbenleberwickel entgiften. Auf interessante Details macht sie mit einem vergrößerten Foto aufmerksam: Die wie tausend verästelte Blätter der Achillea millefolium „bieten einen kleinen Ausblick in die Unendlichkeit“. Und: An der Spitze von jedem Blättchen ist eine kleines „Messerchen“. Es lohnt sich also, die Wunderwerke der Natur ganz genau zu betrachten!
„Ich liebe Bitteres, sie tonisieren, kräftigen uns“, sagt sie. Dem stimme ich begeistert zu, denn auch ich liebe die Bitterstoffe, finde, dass sie mir gut tun. Von der „Mutter aller Pflanzen“ spricht sie und erläutert, dass die ätherischen Öle auch über die Haut ins Blut gehen. Die Natur kennt viele Wege, heilende Wirkungen zu entfalten.
„Die magische Schutzpflanze der Kelten kann, was Aspirin auch kann“. Also etwa Fieber senken, Entzündungen dämpfen und gegen Rheuma helfen. Das Rosengewächs hatte früher den botanischen Namen Spirea – und da es die mit dem Aspirin verwandte Salicylsäure enthält, stand die Pflanze Pate für Markennamen Aspirin. Verführerisch nach Vanille duftet die Mädesüßblüte – und wer ein ganzes Feld mit dem gerne an feuchten Wiesen wachsenden Kraut entdeckt, ist von einem betörenden Aroma umfangen.
Ins Schwärmen gerät Ursel Bühring bei der Ringelblume. „Die Calendula will sich verschenken, sie ist eine Liebespflanze“. Wobei die Liebe auch durch den Magen geht, denn sie empfiehlt die gelben Blüten für den Salat. Auch hier ist es wieder so, dass „gelb heilt“ – sogar bei Magenschleimhautentzündungen bewährt sich die vielseitige Blume, die von den Persern sogar wie Safran geschätzt wurde.
Was für eine schöne Metapher für die leicht pelzige Oberfläche: „Mit einem haarigen Wollpullöverchen schützt sich der Salbei vor der Hitze“. Früher kauten die Philosophen das würzige Kraut, versprachen sich davon Weisheit. Ursel Bühring empfiehlt, die Blätter in Sherry auszuziehen – und zur Kräftigung zu genießen. Schade, dass solche wunderbaren Hausrezepte kaum jemand mehr kennt!
An die Kamille erinnert das Chrysanthemenkraut, das schon im „Capitulare de villis“ erwähnt wurde – jene legendäre Chronik von Karl dem Großen, wo die wichtigsten Heilpflanzen aufgelistet waren. Originell die Anwendung, die sie empfiehlt: „Aufs Butterbrot legen, das Fett zieht die Heilstoffe heraus. Gegen schwere Migräneattacken hilft eine Mutterkraut-Tinktur – oft weit wirksamer ist die Pflanzenmedizin als chemische Präparate.
„Als Lichtbringer der Seele“, feiert Ursel das Johanniskraut, „es erhöht die Leistungskraft – und es beruhigt“. Sie formt mit den Händen einen großen Bogen und sagt voller Überzeugung: „In der Ruhe liegt die Kraft“. Ein wahres Universalheilmittel ist das Hypericum perforatum mit seinen wie mit einer Nadel durchstochenen, perforierten Blättchen. So lockert das Johanniskrautöl verkrampfte Muskeln, hilft gegen Neurodermitis.
„Der Rosmarinus retardieret das Alter“, zitiert sie die alten Heilkundigen. Wie stark der „Ros maris“ – der „Tautropfen des Meeres“ uns nun tatsächlich verjüngt, lässt Ursel Bühring klugerweise offen. Aber auf jeden Fall bewähren sich seine ätherischen Öle bei Gedächtnisschwäche, dem häufigen Leiden einer alternden Gesellschaft. Auch feuchte Hände kuriert das Mittelmeergewächs. Ähnlich wie der Salbei ist auch der Rosmarin ein „Kräftiger“, vor allem nach Krankheiten. Wie wirkt die Duftpflanze am wunderbarsten? Als Rosmarinwein!
Spontan bin ich nach dem Vortrag zu ihr gegangen, habe sie umarmt – und gesagt: „Wir müssen einmal zusammen auftreten!“ Da meinte sie: „Ein gute Idee, lass uns darüber reden“. Mal sehen, vielleicht klappt es ja nächstes Jahr.
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von Hans Lauber
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