Wenn Insulin nicht wirkt: Anders essen und bewegen

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Wenn Insulin nicht wirkt: Anders essen und bewegen

Das Thema Insulin und Gewichtszunahme taucht immer wieder in Medien oder Diskussionen in Schulungen auf. Als „Masthormon“ hat es einen schlechten Ruf. Viele der Mythen sind nicht haltbar, aber wie so oft steckt ein Kern Wahrheit darin. Darum gibt es seit vielen Jahrzehnten den Leitspruch in der Behandlung des Typ-2-Diabetes: „So viel Insulin wie nötig, so wenig wie möglich!“

Das Krankheitsgeschehen bei Typ-2-Diabetes ist sehr komplex – aber nicht bei allen Menschen gleich. Die Ursachen können sich unterscheiden. Aktuell werden in der Wissenschaft fünf bis sechs unterschiedliche Formen des Typ-2-Diabetes diskutiert. Viele Betroffene haben jedoch eine starke Insulinresistenz und vor allem in der Frühphase der Erkrankung zu viel Insulin, das der Körper produziert. Das Insulin kann aber aufgrund der Insulinresistenz schlechter dabei helfen, den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu bringen, wo er in Energie umgewandelt wird.

Jedoch fördert Insulin die Aufnahme von freien Fettsäuren aus dem Blut in die Fett- und Leberzellen, wo aus den Fettsäuren Fett hergestellt wird. Außerdem hemmt Insulin den Abbau von Fett aus den Fettspeichern. Das macht Menschen mit Typ-2-Diabetes zu sehr guten „Futterverwertern“. In der Praxis sieht es meist so aus, dass zwar weniger gegessen wird, aber das Gewicht trotzdem nicht sinkt. Ursprünglich war dies eine wichtige Überlebensstrategie in der Natur, solange Nahrungsmangel herrschte. Heute hat dieser evolutionäre Vorteil ausgedient. Wir haben ein viel zu großes Energieangebot, bei gleichzeitiger Reduktion des Energieverbrauchs.

Gesünder essen, mehr bewegen: Lebensstil-Tipps


  • Beobachten Sie sich!
  • Was esse ich?
  • Wie viel esse ich?
  • Wie viele Schritte bin ich heute gegangen?
  • Habe ich mich geärgert, oder fühle ich mich gestresst?
  • Kann ich an meinem Essverhalten etwas ändern?
  • Esse ich wirklich nur so viel, wie ich brauche? Eine einfache Formel hilft Ihnen dabei, dies einzuschätzen: Körpergröße (cm) minus 100. Nehmen Sie das Ergebnis mal 30, und Sie kommen auf einen geschätzten Kalorienbedarf.
  • Sie müssen dabei nicht ständig Kalorien zählen. Aber es hilft Ihnen, den aktuellen Stand besser zu einzuordnen.
  • Tragen Sie einen Schrittzähler, um Ihre Bewegungseinheiten besser einschätzen zu können.
  • Achten Sie auf eine gute Selbstfürsorge und Stressreduktion. Ein Spaziergang, etwas Yoga oder eine Meditations-App können hier helfen.
  • Führen Sie regelmäßig Hafertage bzw. Ballaststofftage durch.
  • Machen Sie regelmäßig Intervall­fasten: Die Form des Fastens ist dabei nicht wichtig. Fragen Sie sich vorab, was für Sie am einfachsten umzusetzen ist.

Darum ist die erste Maßnahme in der Behandlung des Typ-2-Diabetes, den Lebensstil zu ändern (Lebensstil-Modifikation) – und das nicht vorübergehend, sondern lebenslang. Ohne eine Lebensstiländerung ist keine Dia­be­testherapie möglich.

Nur so viel Energie zu sich nehmen, wie man auch verbraucht

Wichtig ist dabei, dass nur so viel Energie gegessen und getrunken wird, wie der jeweilige Mensch tatsächlich auch verbraucht. Und am besten essen Sie viele Ballaststoffe, rauchen nicht und erlernen die Möglichkeiten, Stress vorzubeugen und mit ihm umzugehen. Mit diesen Maßnahmen hat man die wichtigsten Ursachen behandelt.

In Studien konnte gezeigt werden, dass gerade in der Frühphase der Erkrankung und besonders vor deren Ausbruch diese Therapieansätze einen Diabetes erfolgreich verhindern oder sogar den Anstieg der Zuckerwerte zurückdrängen können. Aber auch im Verlauf der Erkrankung wird keine andere Therapiemaßnahme so effektiv wirken wie eine Lebensstil-Modifikation.

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Unterstützung durch orale Antidiabetika

Medikamente, die man über den Mund zu sich nimmt (orale Antidiabetika), können unterstützen. Einige davon wie Metformin sind schon sehr lange bekannt und unterstützen die Lebensstiländerung sehr gut. Neue Medikamente sind in den letzten Jahren im großen Stil hinzugekommen und zeigen sehr gute Wirkungen. Darum hat sich hier ein jahrelanges Dogma geändert: Heute werden oftmals mehrere Medikamente sehr lange und in verschiedenen Kombinationen zur Unterstützung eingesetzt.

Eine Insulintherapie wird individuell erwogen, wenn z. B. die körpereigene Insulinproduktion zurückgegangen ist. Eine Insulintherapie bei insulinresistenten Typ-2-Diabetikern ist die letzte Waffe im Kampf um gute Zuckerwerte. Ein wichtiger Leitspruch ist dabei: „So viel wie nötig – so wenig wie möglich.“ Wird dies nicht beachtet, führt dies tatsächlich zu einer weiteren Gewichtszunahme und damit auch zu einem Fortführen des Teufelskreises der Insulinresistenz: Mehr Gewicht, insbesondere im Bauchraum (viszerales Fett), führt zu einer stärkeren Insulinresistenz und damit zu mehr Bedarf an Insulin. Und das wiederum begünstigt eine Fetteinlagerung besonders gut.

Den Teufelskreis ­unterbrechen

Bei hohen Glukosewerten hilft es meist nicht, nur die Insulinmenge zu steigern – im Gegenteil. Wird die Insulindosis in zu kleinen Schritten gesteigert, verliert sich die Wirkung und übrig bleiben die Effekte auf die Fettdepots. Im ersten Schritt sollte daher überlegt werden, welche Ursachen für die unbefriedigenden Zuckerwerte vorliegen. Machen Sie eine ehrliche Bestandsaufnahme des eigenen Verhaltens. Ein weiterer Grund für hohe Werte: Könnten Krankheiten oder Entzündungen im Körper schlummern? Diese Ursachen müssen als Erstes behandelt werden.

Sieben Wege fürs Intervallfasten


Wie der Name schon sagt, geht es hierbei darum, festzulegen, in welchen Zeitintervallen ich essen (sprich Kalorien zu mir nehmen) möchte und in welchen nicht. Hier die sieben Möglichkeiten – welche passt für Sie?
  1. 16 zu 8 (16 Stunden fasten): an zwei Tagen pro Woche oder jeden zweiten Tag (auch als Hirschhausen-Diät bekannt); die Anzahl der möglichen Fastenstunden kann auch individuell angepasst werden
  2. 10 zu 2 (alle 2 Tage fasten): Fastentage mit max. 500 kcal
  3. 5 zu 2 (2 Tage fasten): Fastentage mit max. 500 kcal; bevorzugt Gemüse, Vollkorngetreide, proteinreiche, fettarme Lebensmittel essen
  4. 2-Tage-Diät: an zwei aufein­anderfolgenden Tagen max. 650 kcal, proteinreiche und fettarme Lebensmittelauswahl
  5. Alternate-Day-Fasting: an Fastentagen max. 25 Prozent der normalen Energiemenge essen
  6. Dinner-Cancelling: 2 bis 3 Tage pro Woche kein Abendessen und mindestens 14 Stunden Esspause
  7. Leangains: kein Frühstück und mind. 16 Stunden Esspause

Oftmals hilft es, ein Tagebuch zu schreiben: Was habe ich gegessen, was habe ich getrunken, wie habe ich mich gefühlt und wie viel habe ich mich bewegt? Tragen Sie einen Schrittzähler, um einschätzen zu können, wie es um Ihre Bewegung steht. Oftmals helfen auch Hafertage oder Ballaststofftage, den Bedarf an Insulin wieder zu bremsen. Sprechen Sie mit Ihrem Behandlungsteam – vielleicht können die oralen Medikamente optimiert werden oder ein zu spritzendes Antidiabetikum (GLP-1-Rezeptor-­Agonist) ergänzt werden.

Erst wenn diese Maßnahmen ausgeschöpft sind, muss natürlich auch das Insulin in Betracht gezogen werden. Aber auch dazu ist eine Analyse der Blut- oder Gewebezuckerwerte wichtig, um das passende Insulin zu wählen und die Dosis zu optimieren. Wenn all diese Maßnahmen Hand in Hand gehen, muss man sich keine Sorgen wegen einer Insulintherapie machen.

Wie funktionieren Hafertage?

An Hafertagen werden täglich 200 bis 300 g Haferflocken verteilt auf alle Mahlzeiten verzehrt. Zusätzlich gibt es Gemüse, Kräuter, Obst, Süßstoff oder Zimt. Die Haferflocken werden mit Wasser oder für die herzhafte Variante mit Gemüsebrühe aufgekocht und mit den genannten Zutaten verfeinert.

Rezeptvorschläge für Hafertage


Himbeermüsli
Zutaten: 50 g Haferflocken, Wasser, 100 g Himbeeren, Süßstoff nach Bedarf
Haferflocken in kochendem Wasser quellen lassen. Anschließend die Himbeeren und den Süßstoff unterheben.

Haferflocken-Auflauf
Zutaten: 60 g Haferflocken, 70 ml Wasser, ½ Möhre und Zwiebel, ¼ Zehe Knoblauch, 2 TL Öl
Gemüse zerkleinern, mit 1 TL Öl dünsten. Haferflocken mit 1 TL Öl anrösten, Wasser und Salz zugeben und einen Brei anrühren. Gemüse unterheben und mit Kräutern abschmecken. Bei 200 °C ca. 1 Stunde backen.

Hafer-Kräuter-­Brei
Zutaten: 60 g kernige Haferflocken, Wasser, 1 TL Öl, ½ Karotte, 1 Stange Sellerie, frische gehackte Kräuter
Karotte und Sellerie im Öl andünsten. Wasser mit Gemüsebrühe aufkochen, Haferflocken einrühren und quellen lassen. Mit dem Gemüse vermengen und mit frischen Kräutern abschmecken.

Hafer-­Lauch-­Pfanne
Zutaten: 60 g kernige Haferflocken, Gemüsebrühe, ½ Stange Lauch, frische gehackte Kräuter
Lauch schneiden und ohne Fett mit etwas Wasser andünsten. Gemüsebrühe kochen lassen, die Haferflocken dazugeben und quellen lassen. Anschließend den Lauch unterheben und mit Kräutern abschmecken.

Apfel-Hafer-Suppe
Zutaten: 50 g Apfel, 30 g Haferflocken, 100 g Karotte, 2 EL fettarme Milch, ¾ TL Gemüsebrühe, ca. 300 ml Wasser
Karotte und Apfel schälen, waschen und klein schneiden. Im Wasser weich kochen. Haferflocken, Milch und Brühe dazugeben, kurz ziehen lassen und pürieren, abschmecken.

Apfel-Zimt-Müsli
Zutaten: 45 g Haferflocken, Wasser, 100 g Apfel, evtl. etwas Zimt und Süßstoff
Haferflocken in heißem Wasser aufquellen lassen, anschließend mit Apfel, etwas Zimt und Süßstoff nach Bedarf vermengen.

Die Hafertage können ein bis drei Tage durchgeführt und sollten regelmäßig wiederholt werden. Hafer ist reich an Ballaststoffen. Er hinterlässt ein Gefühl langanhaltender Sättigung. Das Beta-­Glucan, ein besonderer Ballaststoff im Hafer, wirkt regulierend auf den Fettstoffwechsel. Deshalb kann Hafer dazu beitragen, die Cholesterinwerte zu senken. Wer keinen Hafer mag, kann dies natürlich auch mit anderen Vollkorngetreidesorten praktizieren.


Autorin:

Dr. oec. troph. Astrid Tombek
Leiterin Diabetes- und Ernährungsberatung
Diabetes Zentrum Mergentheim
Theodor-Klotzbücher-Straße 12, 97980 Bad Mergentheim

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (5) Seite 16-18

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