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Die Geschichte des Kochens ist eine der großen Leidenschaften der Historikerin Eve Rudschies. Das merkt man ihren kenntnisreichen Schilderungen im historischen Kriminalroman „Süßes Gift und bittere Orangen“ deutlich an: Der Leser wird von ihr in die Küche des an Diabetes erkrankten Herzogs Ludwig X. von Bayern entführt, der im 16. Jahrhundert lebte. Die unheimlichen und brutalen Geschehnisse an seinem Hof haben viel damit zu tun, was man in dieser Zeit als gute Ernährung ansah – und was nicht.
Spannend geht es los in „Süßes Gift und bittere Orangen“: Der Gelehrte Johann Albrecht Widmannstetter landet in der Löwengrube des Herzogs Ludwig X. von Bayern und entkommt nur mit knapper Not dem Tod. Seine Wunden werden versorgt von der heilkudigen Sabina, der Schwester des Herzogs, und von Anna von Leonsperg, seiner Verlobten und unehelichen Tochter des Herzogs.
Die Geschichte des historischen Kriminalromans von Eve Rudschies spielt im Advent des Jahres 1541 in Landshut. Und bis endgültig geklärt ist, wer Widmannstetter in die Löwengrube geschubst hat, werden noch einige Morde geschehen und Intrigen gesponnen werden. Das liest sich spannend bis zu letzten Seite und ist für Geschichtsbegeisterte auch deshalb interessant, weil die Autorin selbst Historikerin ist und sie es sich zum Ziel gesetzt hatte, alles so authentisch wie möglich zu beschreiben.
Großen Raum nehmen die Essgewohnheiten und die Essenszubereitung ein, die in dieser Zeit an einem Fürstenhof üblich waren. Und so verbringt der Leser viel Zeit in der Hofküche, beim Küchenmeister Kärgl und seiner Brigade. Ein Grund dafür ist auch, dass Ludwig X. am „süßen Fluss“ leidet – also an Diabetes: Er hat ständig Durst, muss häufig Wasser lassen, seine Wunden an den Beinen heilen schlecht. Während der Verlobungsfeier von Anna und Widmannstetter bricht er an der Essenstafel zusammen und wacht erst am nächsten Morgen aus seiner Bewusstlosigkeit auf.
Wie kann dem Herzog geholfen werden? Darüber gibt es verschiedene Auffassungen und einen Streit zwischen dem Leibarzt Dr. Ulmitzer und dem Gelehrten Widmannstetter. Ulmitzer stellt die richtige Diagenose: „süßer Fluss“. Er erklärt, dass die Erkrankung auf einer Erhitzung der Nieren beruht: „Die Nieren befördern zu viel des Lebenssaftes Urin aus dem Körper, wodurch dieser Wärme und Feuchtigkeit verliert. Ergo der große Durst. Dieser Wärme- und Feuchtigkeitsverlust macht unseren Herrn anfällig für weitere Erhitzungen wie Fieber und Geschwüre. Deshalb muss er durch sein Ernährung umso mehr zu sich nehmen. Warme, fette Speisen, viele weiße Gerichte, viel Honig, Zucker, Süßweine, da durch den süßen Fluss der Körper sonst zu sauer wird. Das empfindet Seine Hoheit selbst, da er sich von diesen Speisen angezogen fühlt.“
Widmannstetter, die Auffassungen des Doktors Paracelsus und arabischer Ärzte im Kopf, ist ganz anderer Ansicht, was die Therapie betrifft: „ Viel Bewegung, wie ich schon sagte, leichter, herber Wein, grobes Brot, viel Wurzelgemüse, Fleisch und Fisch nach Herzenslust, wenig Honig und Zucker, da sie den Appetit erhitzen.“
Dieser Widerstreit versetzt den ganzen Hof in Aufruhr. Man fürchtet um den Fürsten, denn die Kost, die Widmannstetter vorschlägt, ist „Bauernkost“, ein Edelmann, so die vorherrschende Meinung, könnte daran sterben. Trotzdem wird entschieden, es mit der „Paracelsus-Diät“ zu probieren, den bayrischen Köchen zur Hand gehen soll ein italienischer Koch, der mit einem italienischen Bautrupp ins Land gekommen ist.
Die Schwierigkeit dabei: Damals wurde nach der sozialen Hierarchie gespeist. Das heißt: Der Herzog bekam die besten Speisen vorgesetzt, die im Rang Niedrigeren mussten sich abgestuft bis zum gemeinen Volk mit weniger guten Speisen zufrieden geben. Was aber sollte nun geschehen, wenn der Herzog selbst „Bauernkost“ aß? Was sollten dann die in mehrere Rangstufen eingeteilten Mitglieder des Hofes vorgesetzt bekommen?
Sabina, die Schwester des Herzogs, trifft die Entscheidung, dass alle am Hof sich so ernähren sollen wie es die Paracelsus-Diät vorsieht – allein schon, damit ihr Bruder diese ungewohnte Ernährungsform überhaupt über längere Zeit durchhält. Das führt zu Streitereien und Verwicklungen am Hof und weckt die kriminelle Energie einiger Widersacher. Eve Rudschies schildert all dies so kenntnisreich und verwebt die historischen Essgewohnheiten zudem geschickt mit den politischen Gegebenheiten und der Liebesgeschichte zwischen Anna von Leonsperg und Widmannstetter, dass man ihrem Roman gebannt folgt.
Mehr von der Geschichte soll hier nicht verraten werden – deshalb auch Vorsicht beim Lesen des sehr interessanten Interviews mit Eve Rudschies auf www.histo-couch.de – denn hier wird doch einiges verraten. Einmal reinzuklicken und querzulesen lohnt sich aber auf jeden Fall, weil sich Rudschies auch intensiv mit der Diabetes-Erkrankung von Herzog Ludwig beschäftigt hat und noch mehr über die Essgewohnheiten im 16. Jahrhundert verrät.
„Süßes Gift und bittere Orangen“ ist erschienen im Gmeiner-Verlag und kostet 12,99 Euro. Dem Roman nachgestellt ist ein ausführlicher Rezeptteil für die Zubereitung historischer Gerichte – zum Beispiel für den Gewürzwein „Hypocras“, für Blamensir (Mandelsulz) oder lombardischen Reistopf. Auch die Geschichte der Rezepte (Herkunft, Zubereitungsart) nimmt breiten Raum ein und lässt den Leser einen genauen Blick in die Küchen des 16. Jahrhunderts werfen.
von Nicole Finkenauer-Ganz
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