- Eltern und Kind
Angst vor der Blutentnahme – was hilft?
5 Minuten
Manche Kinder haben Angst vor der Blutentnahme, Injektionen oder anderen „Verletzungen“ ihres Körpers. Professor Karin Lange beschreibt, wie Eltern gelassen bleiben und ihrem Kind in dieser schwierigen Situation helfen können.
Nach schlechter Erfahrung: totale Verweigerung
Anlass für diesen Beitrag waren einige Anfragen von Eltern – wie von Frau K. –, die uns per E-Mail über die große Angst ihrer Kinder vor den Blutentnahmen in der Diabetesambulanz berichteten und um Rat fragten. Frau K.: “Bei unserer Tochter wurde kurz nach ihrem neunten Geburtstag Typ-1-Diabetes festgestellt. Am letzten Tag des Krankenhausaufenthaltes kam es leider nach der Blutabnahme zu einem Kreislaufkollaps, den Gina in sehr schlechter Erinnerung behielt.
Beim ersten Termin in der Diabetesambulanz sollte dann noch einmal Blut aus der Vene abgenommen werden. Das wussten wir vorher allerdings nicht. Gina verweigerte sich daraufhin total. So habe ich sie bisher selten erlebt. An diesem Tag war an eine Blutentnahme nicht mehr zu denken. Meine Frage ist nun: Wie kann ich sie einigermaßen auf den Ambulanzbesuch in vier Wochen und die Blutentnahme vorbereiten. Wie kann ich ihr helfen, das traumatische Erlebnis zu verarbeiten?”
Angst ist normal und lebenswichtig
Angst oder ein gewisser Respekt vor Injektionen, Blutentnahmen oder anderen Verletzungen des Körpers ist nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen normal und sinnvoll. Alle Menschen sind bereits von Geburt an mit dem Programm für die Emotion Angst in ihrem Gehirn ausgestattet. Angst ermöglicht uns, Risiken sehr schnell zu erkennen und umgehend zu handeln – oft geschieht dies schneller, als man denken kann.
Diese Angst schützt uns vor riskantem Verhalten und Gefahren, sie ist lebenswichtig. Die Bereitschaft, Angst zu empfinden und sich von ihr leiten zu lassen, ist jedoch individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es gibt kleine Kinder, die auch im größten Trubel gelassen erscheinen und andere, die sehr schnell weinen und den Schutz der Eltern suchen, wenn sie sich unsicher fühlen.
Angst kann gelernt und verlernt werden
Im Lauf der Kindheit wird das Angsterleben vor allem durch Lernen geprägt, also durch gute und schlechte Erfahrungen. Hier spielen Eltern mit ihrem Beispiel im positiven wie negativen Sinne eine große Rolle: Können sie selbst ihren Kindern gelassen vorleben, wie man schwierige Situationen ruhig bewältigt, z. B. den ersten Zahnarztbesuch oder eine Prüfung? Und können sie andererseits konsequent vor Gefahren warnen, indem sie z. B. bei Rot an der Fußgängerampel stehen bleiben?
Als Menschen sind wir aber auch darauf programmiert, aus guten und schlechten Erfahrungen rasch zu lernen. Das zeigt das Beispiel von Gina, die gelernt hat, dass es ihr nach der Blutentnahme am letzten Tag im Krankenhaus nicht gut ging. Das vergisst kein Kind. Allein der Gedanke an eine Blutentnahme kann in solch einem Fall automatisch zu einer starken körperlichen und seelischen Angstreaktion führen.
Panikschleife lässt keinen klaren Gedanken mehr zu
Es werden Stresshormone ausgeschüttet, die Aufregung steigt, und es kann zu einer Panikschleife kommen, die keinen klaren Gedanken mehr zulässt. Das kann auch Erwachsenen passieren, wenn sie einmal eine sehr bedrohliche Situation durchlebt haben, z. B. einen Autounfall, Gewalt oder auch eine schwere Hypoglykämie.
Manche werden dadurch so von Ängsten oder Panikattacken geplagt, dass ihr Alltagsleben erheblich beeinträchtigt wird. Ihnen kann eine Psychotherapie helfen, die gelernten Ängste wieder zu verlernen. Einige der Grundprinzipien dieser Therapie können auch Eltern anwenden, um Kindern wie Gina zu helfen.
Hilfen für Kinder wie Gina
- Als Neunjährige weiß Gina sicher auch, dass ihr panisches Verhalten in der Ambulanz übertrieben war. Vielleicht ist es ihr sogar etwas peinlich. Sie sollte wissen, dass ihr deshalb niemand böse ist. Manche Kinder verstehen auch schon das Prinzip der Panikschleife (s. oben), dann kann sie selbst verstehen, warum sie so aufgeregt war. Das kann sehr entlastend sein.
- Die Haltung der Eltern hat einen großen Einfluss auf die Angst von Kindern. Sie sollten zunächst selbst zu der Überzeugung kommen, dass Blutentnahmen unverzichtbar, hilfreich und ungefährlich sind. Vor allem sollten sie keine Angst vor der Angst ihrer Kinder haben. Je weniger ängstlich Eltern reagieren, umso ruhiger sind die Kinder. Und wenn es einmal zu Tränen kommt, sollten sich Eltern sicher sein, dass sie ihr Kind rasch trösten können.
- Auf keinen Fall sollten Eltern den Termin für die unangenehme Untersuchung immer weiter hinauszögern und gute Ausreden dafür finden. Dadurch wächst die Angst von Termin zu Termin weiter an. Sie wird verstärkt und immer schwieriger zu überwinden. Angst kann nur dadurch verlernt werden, dass man sich ihr stellt.
- Eltern können ihrem Kind vor der Untersuchung Mut machen, indem sie sammeln, was ihr Kind schon alles geschafft und wo es erste Ängste erfolgreich überwunden hat. Es ist z. B. eindrucksvoll, wie schnell selbst Kindergartenkinder mit Diabetes die täglichen Blutentnahmen und Insulininjektionen akzeptieren.
- Zur Vorbereitung der Blutentnahme können Eltern und Kinder nach Möglichkeiten suchen, in der Situation zu entspannen und Stress abzubauen. Manchmal hilft es, einen besonders schönen Stein/magische Murmel in die andere Hand zu nehmen und sich ganz darauf zu konzentrieren. Anderen Kindern hilft es, in der Zeit einen Film im Handy anzuschauen. Eltern können ihrem Kind aber auch erklären, “wie das mit der Angst ist,…sie wird immer kleiner, wenn man sie durchsteht – und sie wird immer größer, je länger und öfter man sich vor etwas drückt, das einen ängstigt. Deshalb gibt es z. B. beim Reiten die Regel: Wer vom Pferd gefallen ist, steigt sofort wieder auf, damit es erst gar nicht zu großer Angst vor dem Fallen kommt.” Dahinter steckt ein zentrales Element der Psychotherapie bei Angststörungen: Je öfter man sich entspannt einer angstbesetzten Situation aussetzt, umso geringer wird die Angst. Besonders gut funktioniert dies, wenn die betroffene Person zuvor gelernt hat, sich zu entspannen. Bei Kindern können das Fantasiereisen sein, bei denen sie sich etwas sehr Schönes vorstellen, oder ein magischerGlitzerstein, auf den sie sich konzentrieren, während sie sich in die angstbesetzte Situation begeben.
- Alle Diabetesteammitglieder wissen um die Angst oder den Respekt von Kindern vor Blutentnahmen und anderen unangenehmen Untersuchungen. Wenn sie von Eltern vorher über die große Angst eines Kindes informiert werden, können sie darauf einfühlsam eingehen.
- Nachdem die ganze Prozedur einmal überstanden ist, sollten Eltern ihr Kind loben, sich an die hilfreichen Strategien erinnern und sich belohnen. Häufig stellen die Kinder dabei fest, dass die Angst vorher “viel, viel schlimmer war, als der Schmerz beim Einstich”. Diese gute Erfahrung hilft, die nächste Untersuchung gelassener anzugehen.
Wenn nötig: Hilfe suchen!
Trotz vieler guter Erfahrungen kann es im Einzelfall passieren, dass sich die Angst eines Kindes so steigert, dass sie nicht beherrschbar erscheint.
In diesem Fall sollten Eltern so früh wie möglich nach kinderpsychologischer Hilfe suchen. Diese wird in vielen Diabeteszentren für Kinder und Jugendliche angeboten. Die Therapeuten können genauer klären, ob es sich um eine normale kindgemäße Angst handelt oder um den Beginn einer Angststörung, die frühzeitig behandelt werden sollte.
Hat ein Kind Angst vor der Blutentnahme, vor Injektionen oder anderen unangenehmen medizinischen Prozeduren entwickelt, können Eltern ihrem Kind mit einigen Grundprinzipien der Psychotherapie helfen, diese Angst auch wieder zu verlernen. Dazu gehört für die Eltern unter anderem, selbst keine Angst vor der Angst ihres Kindes zu entwickeln und die Blutentnahme auch nicht hinauszuzögern, damit die Angst des Kindes nicht immer größer wird.
Gelingt es nicht, dem Kind die Angst zu nehmen, sollten Eltern so früh wie möglich kinderpsychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Diabeteszentren für Kinder und Jugendliche bieten diese Hilfe an.
von Prof. Dr. Karin Lange
Diplom-Psychologin, Leiterin Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover
Kontakt:
E-Mail: Lange.Karin@MH-Hannover.de
Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2013; 6 (2) Seite 12-14
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Tagen, 2 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 4 Tagen, 21 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 1 Woche, 6 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 2 Tagen, 21 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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