Nachgefragt | Medizin: Angst vor Diabetes-Folgen – wird es Matthias so schlecht gehen wie seinem Onkel?

3 Minuten

© © michaeljung - Fotolia
Nachgefragt | Medizin: Angst vor Diabetes-Folgen – wird es Matthias so schlecht gehen wie seinem Onkel?

Sie haben medizinische und/oder psychosoziale Fragen bezüglich Kindern und Jugendlichen mit Diabetes? Die Experten des Diabetes-Eltern-Journals geben Ihnen in der Rubrik Nachgefragt Antwort!

Die Frage

Bei unserem 13-jährigen Sohn Matthias wurde vor fünf Jahren ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert. Das hatte uns anfangs vor allem deshalb in tiefe Verzweiflung gestürzt, weil mein Bruder, Matthias’ Onkel, im Alter von 38 Jahren an den Folgen seines Diabetes verstorben ist. Er hatte ihn 1976 bekommen; er war damals sechs Jahre alt.

Seit einigen Monaten kommt Matthias mit seinem Diabetes nicht mehr gut zurecht. Der HbA1c-Wert ist in den letzten Monaten angestiegen, der letzte Wert lag bei 8,2 %; beim nächsten Ambulanzbesuch wird er wahrscheinlich noch weiter angestiegen sein. Der Grund: Matthias ist in der Pubertät, er vernachlässigt seinen Diabetes, vergisst manchmal das Spritzen in der Schule und schreibt seine Werte kaum noch auf. Er ist begabt und lebenslustig. Nur: Wenn wir ihn an seinen Diabetes erinnern, gibt es Streit.

Mein Mann und ich machen uns große Sorgen um die Zukunft unseres Sohnes. Wird auch er, wie sein Onkel, bald Folge-Erkrankungen bekommen? Wird sein Leben wegen des Diabetes früher beendet sein? Was können wir für Matthias tun?

Frau C.

Die Antwort von Dr. Wolfgang von Schütz

In Ihrem Brief sprechen Sie ein sehr wichtiges Thema an. Fast alle Eltern machen sich Sorgen, fühlen sich hilflos und haben Angst, wenn sich die Stoffwechseleinstellung ihres Kindes deutlich verschlechtert. Insbesondere dann, wenn bereits im Familien- oder Bekanntenkreis ein derart dramatischer Krankheitsverlauf aufgetreten ist.

Es gilt jedoch, in diesem Zusammenhang einige wichtige Entwicklungen in der Diabetestherapie zu bedenken: Noch in den 1970er und 1980er Jahren hatten Kinder und Jugendliche mit Diabetes einen sehr viel schlechteren Start als heute. Die Insulintherapie war starr und unflexibel, die Stoffwechselkontrollen waren völlig unzureichend, Diabetesschulungen fanden nur selten und unstrukturiert statt, die HbA1c-Werte waren anhaltend viel zu hoch. Insofern waren noch bis vor etwa 25 Jahren diabetische Folge-Erkrankungen nahezu vorprogrammiert.

Mit Einführung der intensivierten Insulintherapie mit modernen Insulinen, konsequenten Stoffwechselselbstkontrollen und regelmäßigen ambulanten Folgeschulungen verbesserten sich die Behandlungsergebnisse des Diabetes dramatisch. Daher haben heute die meisten Kinder und Jugendlichen von Beginn an und über viele Jahre gute bis sehr gute HbA1c-Werte.

Moderne Diabetes-Therapien verringen das Risiko für Diabetes-Folgen

Die modernen Behandlungsformen des Diabetes, sowohl die Insulinspritzentherapie (ICT) als auch die Insulinpumpentherapie (CSII), haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten endgültig durchgesetzt. Ihrem Bruder standen sie zu seiner Zeit nicht zur Verfügung. Insofern hatte Ihr Sohn nach der Manifestation seines Diabetes einen deutlich besseren Start. Er hat deshalb eine deutlich bessere Prognose als Ihr Bruder und hat daher langfristig eine nahezu normale Zukunft für ein Leben mit Diabetes vor sich.

Folge-Erkrankungen des Diabetes (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie) treten in der Regel nur auf, wenn die Qualität der Stoffwechseleinstellung über viele Jahre und Jahrzehnte völlig unzureichend war, z. B. die HbA1c-Werte deutlich über 9,0 % lagen. Kürzer andauernde Erhöhungen des HbA1c über einige Monate bzw. wenige Jahre verursachen keine Folge-Erkrankungen, Ihr Sohn ist daher in diesem Sinne derzeit ganz sicher nicht gefährdet.

Weiterhin gilt es zu bedenken, dass nach dem Auftreten erster Anzeichen von Folge-Erkrankungen und anschließender konsequenter Verbesserung des HbA1c sich die Symptome der Folge-Erkrankungen in der Regel wieder normalisieren. Wann erste Anzeichen einer Folgeerkrankung auftreten, ist nicht genau vorherzusagen, vor allem deshalb, weil neben langfristig zu hohen HbA1c-Werten auch weitere Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die Entstehung von Folge-Erkrankungen haben können: Rauchen, zu hoher Blutdruck, zu hohe Blutfettwerte, deutliches Übergewicht.

Viel bessere Prognose für Kinder und Jugendliche mit Diabetes

Zusammenfassend möchte ich Ihnen sagen, dass die Folge-Erkrankungen des Diabetes in den letzten Jahrzehnten drastisch abgenommen haben, im Kindes- und Jugendalter sehr selten geworden sind und frühestens, wenn überhaupt, erst nach etwa 15 Jahren auftreten.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Prognose für Kinder und Jugendliche mit Diabetes dramatisch verbessert. Sie haben im Vergleich zu früher sehr gute Chancen, ein nahezu normales Leben zu führen und ein normales Lebensalter zu erreichen. Dies konnte in vielen nationalen und internationalen Studien belegt werden.

Begleiten Sie Ihren Sohn mit “liebevoller Konsequenz”. Zeitlich begrenzte krisenhafte Entwicklungen sind normal. Scheuen Sie sich aber auch nicht, dieses wichtige Thema beim nächsten Ambulanzbesuch anzusprechen und, wenn Sie es wünschen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

“Be dogmatic about outcome and flexible in approach” (“Sei unbeirrt, das Behandlungsziel zu erreichen, jedoch flexibel auf dem Weg dorthin.”), schrieb 2013 Fergus Cameron, ein berühmter Kinderdiabetologe am Royal Children’s Hospital in Melbourne, Australien. Ein guter Behandlungsgrundsatz.

Jugendliche mit Typ 1: Das sagt die TEENS-Studie

Für die TEENS-Studie wurden die Daten von ca. 6 000 jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes ausgewertet. Die Analyse zeigt, dass die Belastung durch den Diabetes von den Eltern durchgehend höher eingeschätzt wurde als von den Jugendlichen. Außerdem zeigte sich, dass sich die Bemühungen der Diabetesteams und der Familien lohnen: Gute Schulungen und eine intensive und flexible Behandlung führen auch unter schwierigen Rahmenbedingungen zu einem besseren Stoffwechselergebnis und weniger Komplikationen.


von von Dr. med. Wolfgang von Schütz

Erschienen in: Diabetes-Eltern-Journal, 2016; 9 (1) Seite 30-31

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Insulencerin Nina Joachim: Offen sein und Mut machen

Lange hat Nina Joachim ihren Typ-1-Diabetes versteckt. Doch als junge Erwachsene beginnt sie, offener mit ihrer Erkrankung umzugehen. Mit ihrer Tätigkeit als „Insulencerin“, durch die sie anderen helfen kann, hat sie ihren Traumjob gefunden.
Insulencerin Nina Joachim: Offen sein und Mut machen | Foto: Nina Sanchez/MedTriX

11 Minuten

Druckfrisch: die Themen im Diabetes-Anker 11/2025

Die neue Magazin-Ausgabe ist ab sofort erhältlich: Dr. Katrin Kraatz/Prof. Dr. Thomas Haak aus der Chefredaktion stellt die Themen des Diabetes-Anker-Magazins 11/2025 vor. U.a. geht es um Wochen-Insuline, die nun auf den Markt kommen, den Schutz der Nieren bei Diabetes und um blutzuckerfreundliches Backen für die Adventszeit.
Druckfrisch: die Themen im Diabetes-Anker 11/2025 | Foto: MedTriX

4 Minuten

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände