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Empathie ist nicht gleich Mitleid, Mitleid ist nicht gleich Empathie
3 Minuten

„Oh Gott! Das tut mir leid!“ Ich zucke zusammen. „Echt krass, voll schlimm.“ Ich zucke nochmal. Mein Kopf rattert. Wie reagieren, wie die Fassung behalten, wie die Situation retten – für mich, für sie, für uns beide? Ich will dein Mitleid nicht. Ich will, dass du mir zuhörst. „Ist schon okay.“
So oder so ähnlich war die Reaktion meiner Gesprächspartnerin vor ein paar Wochen, als ich ihr sagte, dass ich Typ-1-Diabetes habe. Diese Situation ist nur ein Beispiel. Ein Beispiel vieler ähnlicher Momente, in denen Personen auf mein Kranksein reagierten und es sich für mich unangemessen, irgendwie falsch anfühlte. Ich will nicht mehr, dass mir (oder anderen chronisch kranken und be_hinderten Personen), noch bevor ich einen Menschen richtig kennenlerne, ein Leid-Narrativ übergestülpt wird. Und damit sprachlich suggeriert wird, dass ich unter meiner Krankheit leiden sollte.
Die Vorstellung, dass krank zu sein automatisch mit Leiden einhergehen muss, begegnet uns ja auch nicht nur in privaten Kontexten. Sie wird auch durch Popkultur wie zum Beispiel die Darstellung von kranken und be_hinderten Rollen in Filmen fortführend reproduziert.
Sprache und wie vorsichtig sie verwendet werden muss
Dass die Sprache, die wir verwenden, dazu beiträgt, unsere gelebten Realitäten zu formen, ist keine neue Erkenntnis. Dennoch bringen mich solche Erlebnisse immer wieder in längere Auseinandersetzungen darüber, was für eine scharfe Waffe Sprache sein kann. Und wie vorsichtig sie verwendet werden muss. Meiner Gesprächspartnerin tat es offensichtlich sehr leid zu hören, dass ich Typ-1-Diabetes habe – was sie auch durch Lautstärke sowie Gestik und Mimik unterstrich. Vielleicht war es sogar genau das: die Lautstärke und der Ton, mit denen sie ihr Anliegen zum Ausdruck brachte, die mich so stutzen ließen und mir das Gefühl gaben, dass es hier nicht mehr um Empathie ging, sondern ich gerade bemitleidet wurde. Damit suggeriert sie, dass es in meinem Leben etwas gibt, was bemitleidenswert ist. Das erschwert mir bereits im Vorhinein die Möglichkeit, mein Leben als lebenswert sichtbar zu machen und darzustellen.
Wie sieht eine angemessene Reaktion aus?
Meine Gesprächspartnerin kann nichts dafür, dass sich in mir in den letzten Jahren viele Mikroaggressionen angesammelt haben aus all den Situationen, in denen ich Reaktionen nicht angemessen fand. Unter- oder übertrieben, relativierend, respektlos, grenzüberschreitend. Trotzdem ist sie in diesem Moment eine Person, die Teil des Mikroaggressionen-Fasses wird, welches schon lange am Überlaufen ist.

Als ich mit einer Freundin über die Situation sprach, hat sie gefragt, was für mich eine angemessene Alternative wäre: Wie sollen Menschen reagieren? Wenn die Alternativreaktion der Standardsatz „Ach so, zum Glück nur Diabetes, damit kannst du ja heutzutage gut leben“ ist, dann sträubt sich in mir mindestens genauso viel. Meine Diagnose und meinen Alltag mit chronischen Krankheiten relativieren, das kann ich auch ohne Fremdeinwirkung schon ganz gut. Aber was dann? Ich wünschte, ich hätte für diese Frage eine Lösung. Eine pauschale Antwort, die für uns alle immer anwendbar ist. Aber wie so oft gibt es die nicht und ich berichte hier nur von meinen eigenen, ganz persönlichen Erfahrungen. Es mag sein, dass sich für andere Personen mit Typ-1-Diabetes eines der beiden Szenarien genau richtig anfühlt.
Zuhören, Rücksicht nehmen und Empathie zeigen
Eine Antwortsannäherung könnte sein: Solange nicht betroffene Personen nicht einschätzen können, was für eine Reaktion ihre Gesprächspartner:innen sich erhoffen, wünsche ich mir etwas mehr Rücksicht und wieder und wieder Empathie. Ein erster Schritt ist, wie so oft, einfach erstmal aktiv zuzuhören. Damit ich irgendwann nicht mehr mit „Ist schon okay“ reagieren muss. Sondern von mir selbst sagen kann, dass es manchmal blöd ist, aber dann bin ich die einzige Person, die definieren darf, wie sich mein Alltag mit einer chronischen Krankheit anfühlt und er aussieht.
Schenkt anderen doch bitte etwas Empathie – auch von Jasmin gibt es die Bitte um mehr Empathie!
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nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 3 Tagen, 9 Stunden
Hallo guten Abend ☺️
Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.
Liebe Grüße, schönen Abend
Nina 🙂-
wolfgang65 antwortete vor 2 Tagen, 18 Stunden
Willkommen Nina, …
da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.
LG
Wolfgang
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swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 4 Tagen, 14 Stunden
Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.-
lena-schmidt antwortete vor 3 Tagen, 17 Stunden
Hallo Dia-Newbie 🙂 Schön, dass du den Weg zum Diabetes Anker gefunden hast. Ich bin Lena, die Community-Managerin hier und bis sich ein paar Community-Mitglieder bei dir melden, kannst du die Zeit vielleicht mit diesem Artikel überbrücken (https://diabetes-anker.de/behandlung/behandlung-des-diabetes-diese-buecher-und-materialien-helfen-weiter/). Vielleicht findest du noch wichtige Infos für dich, um deinen Alltag zu vereinfachen. 🙂 Ansonsten findest du beim Diabetes-Anker auch fundiertes Wissen zum Thema ICT von Expert:innen aber auch von Menschen mit Diabetes…Viele Grüße Lena
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