Grenzen des politisch Korrekten

3 Minuten

© pathdoc - Fotolia.com
Grenzen des politisch Korrekten

Ist die Bezeichnung „Diabetiker“ diskrminierend und sollte man deshalb ausschließlich „Mensch mit Diabetes“ verwenden? Das Urgestein der deutschen Diabetologie, Prof. Dr. Hellmut Mehnert, hat dazu ein ganz klare Haltung, die er in dieser Blickwinkel-Kolumne niedergeschrieben hat.

Im Sommer hat Dr. Katrin Kraatz, Typ-1-Diabetikerin seit mehr als 40 Jahren, im Diabetes-Journal zu dem Problem Stellung genommen, ob man von “Diabetikern” oder von “Menschen mit Diabetes” sprechen sollte.

Zunächst zitiert sie die Zeitschrift Diabetes-Ratgeber, in der – aus dem Englischen übersetzt – eine Empfehlung der Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (ADA) wiedergegeben wird; in Übereinstimmung mit der Position der ADA solle der Ausdruck “Diabetiker” nicht mehr verwendet werden, wenn es in den “Standards of Medical Care in Diabetes” um “Menschen mit Diabetes” geht.

Sagt der Diabetes-Ratgeber “Diabetiker”? Nein, “Mensch mit Diabetes”. Es wird darauf hingewiesen, dass auch andere Organisationen auf dem Standpunkt stehen, dass der Begriff “Diabetiker” diskriminierend sei.

Umfrage: überwiegende Mehrzahl fühlt sich durch Begriff „Diabetiker“ nicht diskriminiert

Aus meinem Blickwinkel völlig zu Recht wendet sich Frau Dr. Kraatz gegen die Verlautbarungen. Sie fragt, warum eigentlich der Begriff “Diabetiker” diskriminierend sein solle? Ich kann mich ihr nur voll anschließen. Und in der 2016 durchgeführten Befragung des Diabetes-Journals (4/2016) anläßlich des Kraatz’schen Artikels gab es ein ähnliches Bild wie schon in der von der Autorin zitierten Online-Umfrage aus dem Jahr 2008:

Die Diabetiker bzw. die Menschen mit Diabetes meinen in der überwiegenden Mehrzahl, dass von einer Diskriminierung bei Verwendung des Ausdrucks “Diabetiker” keine Rede sein kann. Hier werden also sicherlich die Grenzen des viel zitierten vermeintlich politisch Korrekten erreicht. Dr. Kraatz weist darauf hin, dass wir dann auch nicht von Flüchtlingen sprechen dürfen, sondern nur von Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind. Darf ein Autofahrer ein solcher sein, oder muss er ein Mensch sein, der Auto fährt?

Weitere Kuriositäten bezüglich der Political Correctness

Es sei eine Abschweifung gestattet hinsichtlich weiterer Kuriositäten bezüglich der Political Correctness: So soll man ja den Ausdruck “Zigeuner” nicht mehr verwenden, sondern von “Sinti und Roma” sprechen, womit im Übrigen nicht alle Zigeuner erfasst sind; und wie verhält es sich mit der Operette “Der Zigeunerbaron”? Soll man von einem “Sinti und Roma et al.-Baron” sprechen? Auch der Ausdruck “Eskimo” soll diskriminierend sein und nicht mehr verwendet werden …

Problematisch ist es sicherlich im Hinblick auf die Bezeichnung von Farbigen mit afroamerikanischem Ursprung: Natürlich sollte der Ausdruck “Neger” nicht mehr verwendet werden, da er zu sehr an das amerikanische Schimpfwort “Nigger” erinnert! Vor vielen Jahren hat übrigens ein braver Bundespräsident, der allerdings schon etwas von der Demenz gezeichnet war, bei einem Afrika-Besuch die Einheimischen angeredet mit “Meine Damen und Herren, liebe Neger …” Das ist sicher etwas, was vermieden werden sollte!

Unnötig ist es aber, wenn man ein besonders geschätztes Gebilde namens “Mohrenkopf” umbenennt in irgendetwas mit “Schoko” statt “Mohr”. Auch sei erinnert an das Theaterstück “Der Mohr von Venedig”, was wohl nicht mehr so benannt werden dürfte. Schade ist es, dass das uns als Kind so ergreifende Büchlein “Zehn kleine Negerlein” so nicht mehr verwendet werden darf. Oder sollte man doch hier über den Schatten der Political Correctness springen und Ausnahmen gestatten?

Keinesfalls sollte man die Bezeichnung “Diabetiker” als diskriminierend kennzeichnen

In der letzten Szene der wunderschönen Oper “Der Rosenkavalier” läuft ein kleiner farbiger “Mohammed” über die Bühne, um ein verlorengegangenes Taschentuch aufzuheben. Es gibt doch tatsächlich Bestrebungen, diese Rolle niemals von einem farbigen (oder gefärbten) Kind spielen zu lassen, sondern auf alle Fälle von einem Weißen.

Das sind alles Beispiele, die Grenzen aufzeigen. Meines Erachtens hat dies auch zu gelten für den semantischen Streit zwischen “Diabetiker” und “Mensch mit Diabetes”. Beides kann man verwenden, keinesfalls aber die Bezeichnung “Diabetiker” als diskriminierend kennzeichnen.

von Prof. Hellmut Mehnert
Forschergruppe Diabetes e. V.
Drosselweg 16, 82152 Krailling

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (12) Seite 46

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Ähnliche Beiträge

Diabetes-Anker-Podcast: Von der Insulin-Entdeckung zu modernen Diabetes-Therapien – mit Prof. Thomas Forst

Von tierischen Extrakten zu Insulin‑Analoga: In dieser Podcast-Folge beschreibt Prof. Dr. Thomas Forst den Weg von der lebensrettenden Insulin-Entdeckung vor einem Jahrhundert hin zu den modernen Insulin-Therapien sowie zu neuen medikamentösen Optionen bei Typ‑2‑Diabetes.
Diabetes-Anker-Podcast: Von der Insulin-Entdeckung zu modernen Diabetes-Therapien – mit Prof. Thomas Forst | Foto: zVg

2 Minuten

Jeder Dritte erkrankt an Gürtelrose: Vorsorge für Ältere und chronisch Kranke besonders wichtig

Gürtelrose wird vom Windpocken-Virus ausgelöst. Sie kann von einem Ausschlag, aber auch langwierigen Nervenschmerzen begleitet sein und die Lebensqualität stark mindern. Die STIKO empfiehlt daher besonders Älteren und chronisch Kranken zur Vorsorge eine Impfung.
Jeder Dritte erkrankt an Gürtelrose: Vorsorge für Ältere und chronisch Kranke besonders wichtig | Foto: Publicis China / Publicis UK – ASSET-242627

3 Minuten

Anzeige

Diabetes-Anker-Newsletter

Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.

Über uns

Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.

Community-Frage

Mit wem redest du
über deinen Diabetes?

Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.

Werde Teil unserer Community

Folge uns auf unseren Social-Media-Kanälen

Community-Feed

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • darktear antwortete vor 2 Wochen

      Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

Verbände