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Viele Menschen glauben, dass „Krankenkasse“ und „Krankenversicherung“ dasselbe meinen. Dem ist aber nicht so – der Unterschied kann im Einzelfall erhebliche Auswirkungen haben. Erfahren Sie hier mehr über die verschiedenen Möglichkeiten, sich gegen Krankheit abzusichern.
Viele Menschen glauben, dass Krankenkasse und Krankenversicherung dasselbe meinen. Dem ist aber nicht so – der Unterschied kann im Einzelfall erhebliche Auswirkungen haben. Umgangssprachlich meint „Krankenkasse“ nämlich die gesetzliche Absicherung gegen Krankheitskosten – die gesetzliche Krankenversicherung –, die vom Staat über die Krankenkassen sichergestellt wird und für die meisten Menschen verpflichtend ist. Bei der „Krankenversicherung“ ist in der Regel die private Krankenversicherung gemeint, bei der privat ein Versicherungsvertrag mit einem Unternehmen abgeschlossen wird.
Die gesetzlichen Krankenkassen (im Folgenden „GKV“ für gesetzliche Krankenversicherung) sind eine Solidargemeinschaft: Sämtliche Mitgliedsbeiträge sowie staatliche Budgets kommen in einen Topf, aus dem alle Ausgaben bestritten werden müssen. Dieses Umlageverfahren bedeutet, dass Junge durch ihren Beitrag die höheren Gesundheitskosten für Ältere mitfinanzieren.
Im Gegensatz hierzu sind die privaten Krankenversicherungen auf wirtschaftlichen Gewinn ausgerichtet: Ziel ist es, aus den (Zins-)Erträgen sowie den „nicht verbrauchten“ Prämien einen möglichst hohen Ertrag zu schöpfen. Die Beitragshöhe bemisst sich nach Eintrittsalter, Leistungsumfang, Gesundheitszustand bei Beginn der Versicherung und Geschlecht.
Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind gesetzlich weitgehend geregelt (im Sozialgesetzbuch V) und bieten – trotz aller Kritik – einen im weltweiten Vergleich sehr hohen Standard: Jedes Mitglied einer GKV hat u. a. Anspruch auf medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahmen, Heil- und Hilfsmittel bzw. Medikamente.
Die Mitgliedschaft in der GKV ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für alle Arbeitnehmer und Angestellten grundsätzlich zwingend vorgeschrieben, die ein jährliches Bruttoeinkommen von weniger als 56 250 Euro haben („Jahresarbeitsentgeltgrenze“, auch „Versicherungspflichtgrenze“, Stand: 2016).
Der Gesundheitszustand spielt bei der Aufnahme neuer Mitglieder in die GKV keine Rolle, er wird auch nicht erfragt! Der monatliche Beitrag wird abhängig vom Bruttoeinkommen erhoben: Seit Januar 2015 beträgt dieser allgemeine einkommensabhängige Beitragssatz 14,6 Prozent (§ 241 SGB V); hiervon werden 7,3 Prozent als Arbeitgeberanteil vom Arbeitgeber getragen. Seit 2007 können die Krankenkassen auch Wahltarife mit unterschiedlichen Leistungen anbieten.
Beschäftigte, die regelmäßig über der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdienen, können von der Versicherungspflicht befreit werden. Nicht von der Pflichtversicherung betroffen sind auch Beihilfeberechtigte (Beamte und ggf. deren Angehörige), Selbständige sowie Mitglieder freier Berufe (z. B. Anwälte, Steuerberater, Künstler). Diese Personen können sich aber freiwillig gesetzlich versichern; eine Gesundheitsprüfung findet nicht statt.
Bei der privaten Krankenversicherung handelt es sich um einen Vertrag mit einem Unternehmen der Versicherungswirtschaft.
Bei der privaten Krankenversicherung hängen die Leistungen vom gewählten Versicherungsvertrag ab. Insbesondere bei sehr günstigen Tarifen kann es also vorkommen, dass manche Leistungen überhaupt nicht (oder nur begrenzt) bezahlt werden. Es ist also im Einzelfall durchaus möglich, dass Kassenpatienten sogar eine bessere Versorgung erhalten als Privatversicherte. Die Versicherungsbeiträge hängen daneben auch von Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand ab: Je größer das Risiko für die Versicherung ist, umso höher wird der Beitrag.
Hieraus ergeben sich auch die Probleme beider Systeme: Die GKV hat viele chronisch kranke Mitglieder, die erhebliche Kosten produzieren. Andererseits besteht kein Zwang, gewinnorientiert zu arbeiten. Die privaten Versicherer können sich dagegen grundsätzlich aussuchen, ob sie ein Mitglied aufnehmen und dies u. a. auch von einer Gesundheitsprüfung abhängig machen. Vor dem Hintergrund der Gewinnerzielung ist daher verständlich, dass für die PKV an sich nur Mitglieder interessant sind, die möglichst wenig „krank“ sind und somit wenige Kosten verursachen.
Nachstehende Fälle zeigen exemplarisch, auf welche Probleme privatversicherte Diabetiker gefasst sein müssen – Kassenpatienten sind aufgrund des dort geltenden Sachleistungsprinzips dagegen hiervon nicht betroffen. Hier die Beispiele:
Ein seit Jahrzehnten in einer PKV versicherter Patient (Typ-1-Diabetes, 65 Jahre alt) wurde zunehmend mit der Situation konfrontiert, dass seine eingereichten Arztrechnungen gekürzt und mitunter erst nach monatelangem Schriftwechsel bezahlt wurden. Er nahm diese Unannehmlichkeiten und die damit verbundenen Kosten (Zinsen aufgrund seiner Vorleistungspflicht!) zunächst hin und dachte sich nichts dabei.
Aufgrund starker Blutzuckerschwankungen wurde er von seinem Hausarzt dann zur stationären Neueinstellung in eine Diabetes-Klinik überwiesen. Die Erstattung der Klinikrechnung wurde von der PKV jedoch mit dem Hinweis verweigert, dass die stationäre Behandlung medizinisch nicht notwendig und eine ambulante Einstellung ausreichend gewesen wäre.
Trotz eingereichter Atteste vom einweisenden Arzt sowie des behandelnden Chefarztes, woraus sich die medizinische Notwendigkeit ergab, sollte der Patient die Rechnung selbst bezahlen. Nach monatelangem, erfolglosem Schriftwechsel hat der Patient nun den Gerichtsweg beschritten und hofft, auf diesem Weg endlich sein Geld zu erhalten. Weiteres Beispiel:
Einem anderen, ebenfalls jahrzehntelangen Mitglied einer PKV wurde eine Insulinpumpentherapie verordnet. Als er nun die Kosten seiner Insulinpumpe erstattet haben wollte, wurde ihm lapidar mitgeteilt, dass die Pumpe ein Hilfsmittel sei, welches nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nicht erstattungsfähig sei; Verbrauchsmittel und Insulin würden dagegen selbstverständlich erstattet werden. Erst nachdem schließlich der Klageweg beschritten war, zahlte die PKV die Anschaffungskosten der Pumpe.
Interessant hier: Nur aufgrund eines Formfehlers war die PKV hier zur Zahlung verpflichtet; grundsätzlich kann die Erstattung von Pumpen und Hilfsmitteln (z. B. bestimmten Messgeräten) nämlich durchaus vertraglich ausgeschlossen werden!
Beide Beispiele zeigen, dass die PKVen mitunter sehr genau wissen, wie Patienten durch Hinhalte- oder Verzögerungstaktiken (auch finanziell) zermürbt werden können: Wird dies mehrmals gemacht und muss der Patient jedesmal über Monate seinem vorgestreckten Geld hinterherlaufen, so wird er irgendwann entnervt seine Mitgliedschaft kündigen und in eine andere PKV bzw. wenn möglich in eine GKV wechseln. Zwar machen auch die gesetzlichen Krankenkassen mitunter Ärger.
Insgesamt gilt aber hier: Der Patient muss finanziell nicht in Vorleistung gehen. Am Rande: GKVen müssen die Kosten einer Insulinpumpe übernehmen, sofern dies medizinisch notwendig ist.
Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden nach dem Einkommen bemessen, während die Tarife der privaten Krankenversicherer hauptsächlich von Alter und persönlichem Gesundheitszustand abhängen. Jüngere und gesunde Menschen müssen bei privaten Krankenversicherungen daher meist deutlich weniger zahlen als bei einer Krankenkasse und erhalten dafür auch noch ein attraktiveres Leistungspaket – z. B. Chefarztbehandlung im Krankenhaus oder eine qualitativ möglicherweise bessere Versorgung im Krankheitsfall. Allerdings gibt es im Gegensatz zur Krankenkasse keine Familienmitversicherung, d. h. jedes Familienmitglied muss separat privat versichert werden.
Abhängig vom Alter oder Familienstatus kann sich daher im Laufe der Jahre ergeben, dass die Beiträge im Einzelfall exorbitant steigen; es werden Einzelfälle berichtet, in denen Rentner mit einer monatlichen Krankenversicherungsprämie von über 1 000 Euro belastet sind. Wenn dann noch weitere finanzielle Belastungen dazukommen wie Kreditzinsen für ein Haus oder die Ausbildung für Kinder, dann kann es passieren, dass die Versicherungsbeiträge selbst bei hohem Einkommen nicht mehr bezahlt werden können.
Werden die Versicherungsbeiträge nicht bezahlt, so kann die private Versicherung womöglich kündigen – in diesem Fall besteht dann kein Versicherungsschutz mehr. Eine Rückkehr in die gesetzliche Krankenkasse ist nur unter bestimmten Bedingungen möglich; wer älter ist als 55 Jahre, dem steht der Weg in die GKV nur in wenigen Ausnahmefällen noch offen.
Wichtig: Der Versicherer hat vor allem in den ersten 3 Jahren das Recht, vom Vertrag zurückzutreten, wenn gesundheitserhebliche Angaben bei Antragstellung oder bis zum Zeitpunkt der Annahme durch den Versicherer unterblieben sind. Bei arglistiger Täuschung kann dieser den Vertrag auch noch später auflösen. In so einem Fall steht man ebenfalls ohne Versicherungsschutz da, ein Wechsel in die GKV ist deswegen nicht möglich!
Seit 2009 müssen die privaten Krankenversicherungen allerdings einen Basistarif anbieten, der grundsätzlich dem Leistungsumfang der GKV entspricht. Der Beitrag zum Basistarif ist auf den Höchstbeitrag der GKV begrenzt. Jedoch erhält man auch hier nur deutlich reduzierte Leistungen, die weitgehend denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Zu beachten ist hier auf jeden Fall, dass im Gegensatz zur GKV, wo das Sachleistungsprinzip gilt, die Arztrechnungen vom Patienten zunächst selbst bezahlt werden müssen; die Rechnungen werden dann bei der PKV zur Erstattung eingereicht.
Auch sollte man daran denken, dass die private Krankenversicherung im Basistarif maximal den 1,8-fachen Gebührensatz für Behandlungen erstattet. Man sollte das daher unbedingt vorher mit dem Arzt absprechen, um als Patient dann nicht auf einer eventuell höheren Gebührenrechnung sitzenzubleiben.
Private Krankenversicherungen sind vor allem für junge und alleinstehende Menschen deutlich günstiger und bieten grundsätzlich einen höheren Leistungsumfang als gesetzliche Krankenkassen (Chefarztbehandlung, keine Zuzahlungen etc.). Trotzdem: Gerade chronisch kranke Menschen wie Diabetiker sollten einen Austritt aus der gesetzlichen Krankenkasse gründlich überlegen. Nachstehend haben wir Ihnen einige Argumente Pro und Kontra zusammengestellt:
Wechsel ist meist unumkehrbar: Wer von der GKV zur PKV wechselt, ist an die Entscheidung gebunden; zurückzukehren ist nur noch schwer möglich und in vielen Fällen sogar ausgeschlossen.
Privatversicherte bekommen meist zusätzliche Leistungen wie Chefarztbehandlung, aufwendigere Behandlungsleistungen oder höherwertigen Zahnersatz. Der Leistungsumfang hängt aber vom Vertrag ab – im Einzelfall kann das auch zu einer schlechteren Versorgung als bei Kassenpatienten führen.
Die Krankenkassenbeiträge hängen vom Einkommen und von der Krankenkasse ab, das Einkommen wird aber nur bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt (derzeit 50 850 Euro/Jahr, nicht zu verwechseln mit der oben erwähnten Jahresarbeitsentgeltgrenze). Die Prämien der PKV hängen dagegen zum einen vom gewählten Tarif, zum anderen von Alter, Geschlecht und individuellem Risiko ab. Auch bei niedrigem Einkommen können daher hohe Prämien zu zahlen sein.
Kassenpatienten müssen zusätzlich Rezeptgebühren sowie Eigenanteile bei stationärem Aufenthalt bezahlen; die Höhe der jährlichen Zuzahlungen ist auf max. 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen beschränkt. Für chronisch Kranke gilt eine Grenze von 1 Prozent der Bruttoeinnahmen. Bei Beziehern von Sozialhilfe gilt der Regelsatz des Haushaltsvorstands als Berechnungsgrundlage für die Belastungsgrenze.
Mitglieder der PKV sind selbst Vertragspartner von Arzt und Krankenhaus (Leistungserbringer): Sämtliche Rechnungen müssen grundsätzlich zunächst selbst bezahlt werden, können aber zur Erstattung bei der PKV eingereicht werden. Wird seitens der PKV nicht bzw. nur teilweise erstattet, muss der Patient unter Umständen einen Rechtsstreit mit Leistungserbringer und PKV führen, um nicht auf den Kosten sitzenzubleiben. Mitglieder der GKV, die das „Sachleistungsprinzip“ genießen, müssen sich um die Bezahlung der Arzt-/Klinikrechnungen nicht kümmern.
Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, muss die GKV jeden Bewerber aufnehmen. Im Gegensatz zur PKV darf von Krankenkassen keine Gesundheitsprüfung vor Aufnahme eines Mitglieds gefordert werden. Die PKV kann dagegen den Abschluss einer Versicherung verweigern. Chronisch Kranke können daher meist nicht oder nur mit erheblichem Risikoaufschlag privat versichert werden. Eine Ausnahme ist nur der Basistarif, welcher keine Gesundheitsprüfung voraussetzt.
In der GKV sind minderjährige/in Ausbildung stehende Kinder kostenfrei mitversichert, ebenso ein nicht erwerbstätiger Ehegatte, soweit er kein bzw. nur ein minimales eigenes Einkommen hat. In der PKV wird für jede Person ein eigener Versicherungsvertrag mit einem eigenen Beitrag abgeschlossen. Ehepartner/Kinder müssen also extra versichert werden.
Tipp: Mitglieder der GKV haben die Möglichkeit, eine private Ergänzungsversicherung abzuschließen. So kann der Versicherungsschutz auf das Niveau einer privaten Krankenversicherung angehoben werden, ohne den Rückhalt der Solidargemeinschaft aufzugeben.
von Oliver Ebert
REK Rechtsanwälte,
Nägelestraße 6A, 70597 Stuttgart,
E-Mail: sekretariat@rek.de
Website: www.diabetes-und-recht.de
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2016; 65 (9) Seite 22-26
5 Minuten
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