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Meine Gedanken zum aktuellen Monatsthema „Diskriminierung“ waren zuerst alle ziemlich klar. Mir kamen Momente in den Kopf, in denen ich mich wegen meinem Diabetes unfair behandelt fühlte. Oder vielleicht Angst davor hatte und deshalb nicht meinen eigentlichen Bedürfnissen gefolgt bin. Hier eine Insulinpumpe versteckt, da den Schwerbehinderten-Ausweis nicht gezückt. Den schlechten Blutzucker in Kauf genommen, um nicht aufzufallen.
Diskriminierung ist Mist! Absoluter, unnötiger Mist. Niemand möchte gerne wegen irgendetwas diskriminiert werden – ich finde umgekehrt sollte also auch niemand andere Menschen diskriminieren. Nicht wegen der Hautfarbe, wegen der Herkunft, der Sprache, die man spricht oder Erkrankungen und Behinderungen, die man mit sich bringt. Lieb sein!
Aber löst sich das Problem der Diskriminierung, wenn wir alle lieb zueinander sind? Gibt es Fälle von unabsichtlicher Diskriminierung? Im Rahmen meiner Überlegungen beantworte ich diese Frage mit einem eindeutigen Jein.
Mir kamen auch Situationen in den Kopf, in denen ich mich zwar unfair behandelt fühlte, weil ich Diabetes habe, mein Gegenüber dies aber gar nicht beabsichtigte – schlimmer noch: machte vielleicht einfach nur seinen Job. Was ist mit Sicherheitsbestimmungen, die mich davor schützen, mich und andere aufgrund einer „Stoffwechselentgleisung“ in Gefahr zu bringen? Menschen mit Diabetes dürfen nicht zur Polizei*. Jeder von uns mit Berufswunsch Pilot* musste diesen mit der Diagnose an den Nagel hängen.
Solche Einschränkungen kann ich vollständig nachvollziehen und verstehe, warum es sie gibt. Schade ist es selbstverständlich für alle angehenden Piloten, Busfahrer und Polizisten von morgen, bei denen plötzlich der Diabetes einen Strich durch die Lebensplanung macht. Der Einfluss, den z. B. eine Unterzuckerung auf andere Menschen und ihr (Über-)Leben haben könnte, ist hier jedoch eindeutig und die Vorsicht angemessen.
Ich fand mich hingegen in einer unklareren Situation wieder, die ich während meines Backpacking-Trips durch Lateinamerika erlebte: Wir hatten eine Wanderung auf den Vulkan Pacaya in Guatemala geplant. Erst würden wir einige Stunden auf den Vulkan hochwandern, oben angekommen gäbe es Essen und wir erkunden die Umgebung unseres Camps. Danach würde es erneut Essen geben, bevor wir früh schlafen gehen, um vor Sonnenaufgang mit unserem Aufstieg Richtung Krater zu beginnen. Den Sonnenaufgang würden wir von oben ansehen.
Wie bei allen anderen kleinen und großen Herausforderungen im Leben und speziell auf der Reise, machte ich mir absolut keine Gedanken, dass mir der Diabetes bei dieser Wanderung im Weg stehen könnte. Was sollte passieren – ich gehe doch auch zu Hause Laufen, treibe Sport, bin aktiv – Traubenzucker habe ich natürlich genug dabei.
Bei Bezahlung unseres Trips mussten wir dann ein Formular unterschreiben, mit dem wir versicherten, dass wir keine der nachfolgenden Krankheiten hatten: Abc, def, Diabetes mellitus, ghi. Sollte eine dieser Krankheiten vorliegen, könne man nicht an der Wanderung teilnehmen.
Oh. Und jetzt?
Diese Frage ging mir natürlich sofort durch den Kopf. Jedoch ohne jede Rationalität und mit einer Menge Panik. Von „Ich versaue uns den Trip!“ bis zu „Ich hasse diesen blöden Diabetes!“ waren alle Facetten dabei. Ich schluckte, sah meine Freundin Swantje an und fragte sie, was sie jetzt machen würde. Wir diskutierten leise und auf Deutsch darüber, sodass unser Guide uns nicht verstehen konnte, ob ich den Diabetes nun erwähnen sollte. Letztendlich entschied ich mich dagegen. Die Angst, dass ich aufgrund meines Diabetes von der Wanderung ausgeschlossen werden würde, war zu groß. Außerdem war ich ja nicht zum ersten Mal wandern. Wird schon alles klappen…
Die Retourkutsche dafür ließ nicht lange auf sich warten. Wir machten uns früh morgens in unserem Hostel auf den Weg zum Treffpunkt. Dort bekamen wir eine Sicherheitseinweisung für jegliche Notfälle, lernten unseren Guide und einen weiteren Mitwanderer kennen. Außerdem packten wir unsere Verpflegung für 2 Tage, Zelte, Schlafsäcke und Wasserflaschen ein. Ich hatte zudem bereits einige Liter Apfelsaft und mehrere Kilogramm Traubenzucker (so oder so ähnlich fühlte es sich zumindest an) im Rucksack auf meinem Rücken. Den Dreh mit guatemaltekischem Frühstück hatte ich nicht so raus, sodass ich mich bereits im Bus, der uns vom Treffpunkt zum Start der Wanderung brachte, um einige Liter Apfelsaft erleichtern konnte. Wie würde das weitergehen? Noch konnte man den Apfelsaft unter „Durst“ verbuchen… Aber hätte ich den Diabetes vielleicht doch beim Guide erwähnen sollen? War es überhaupt möglich, auf dieser Wanderung meinen Diabetes zu verstecken?
Am Startpunkt des Wanderwegs angekommen, lösten wir unsere Tickets und begannen mit dem Aufstieg. Auch mein Blutzucker stieg, und ich war optimistisch, dass er auf einer stabilen Höhe war. Die Höhe, die Anstrengung und das feucht-warme Klima ließen meinen Blutzucker trotz reduzierter Basalrate allerdings rasant sinken. Schnell begann ich Traubenzucker zu essen und versuchte, unser Tempo weiterhin aufrecht zu erhalten. Ich aß so viel Traubenzucker, dass mir richtig schlecht davon wurde. Im Tempo mithalten konnte ich aufgrund der starken Unterzuckerung schon länger nicht mehr und so bat ich unsere Gruppe kurzatmig um Verständnis und darum, zu warten. Meine Beine funktionierten nicht mehr richtig und ich schwitzte unfassbar doll. Ich überwand meine Angst und gestand, dass ich Diabetes habe und gerade nicht weiterlaufen konnte. Entgegen meiner Angst am Anfang war unser Guide total verständnisvoll. Er sagte, wir seien super in der Zeit und fragte, ob er etwas für mich tun könne. Aber was sollte er jetzt auch groß machen? Mich den Vulkan wieder herunterscheuchen?
Der Rest der Wanderung verlief unkompliziert. Nach spannenden Gesprächen über Reisen, Essen, Gott und die Welt und Diabetes gingen wir schlafen und waren am nächsten Morgen überwältigt von der Aussicht.
Mein Fazit war recht klar: An dieser Stelle hätte ich den Diabetes einfach erwähnen können, denn die angekündigten Konsequenzen bestanden natürlich nur auf dem Papier. Das mag sicherlich daran gelegen haben, dass man in einigen Ländern gene mal ein Auge mehr zudrückt bei so etwas – dennoch frage ich mich im Nachhinein, warum ich eigentlich Angst davor hatte, den Diabetes zu zeigen.
Diese Unterzuckerung habe ich so schnell nicht wieder vergessen. Sie wäre sicherlich nicht so stark ausgefallen, wenn ich nicht so lange versucht hätte, sie zu verstecken – alles total kontraproduktiv.
Natürlich erwarte ich nicht, dass der Diabetes bei Events wie Vulkanwanderungen, Trekkingtouren und Bungeesprüngen einfach so von der Liste der Ausschlusskriterien gestrichen wird. Ich erwarte aber von mir eine bessere Sensibilität beim Einschätzen, wann ich den Diabetes doch lieber erwähnen sollte. Eine Vulkantour in einem fremden Land mit einer Menge Gepäck auf dem Rücken gehört für mich nun zu den Momenten, in denen ich es erwähne.
Mehr über Saras Reise-Erfahrungen mit Typ-1-Diabetes könnt ihr hier lesen: Backpacking mit Diabetes
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