- Soziales und Recht
Schwerbehindertenausweis bei Diabetes?
3 Minuten
Seit 2010 geltende Vorschrift
Nach den seit 2010 geltenden Vorschriften gilt: Menschen mit Diabetes, die eine
In diesen Fällen kann dann ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden.
Häufige Fehlinterpretationen
Es wurde nun teilweise vehement behauptet, dass somit der mit einer Insulintherapie einhergehende Therapieaufwand ausreichend sei, um eine Schwerbehinderteneigenschaft zu begründen. Auch wurde immer wieder suggeriert, dass die tatsächliche Stoffwechseleinstellung keine Rolle mehr spiele. Und es dürfe ja schließlich nicht sein, dass die Betroffenen quasi dafür belohnt würden, wenn sie mit ihrem Diabetes nachlässig umgehen und die ärztlichen Anweisungen nicht befolgen.
Ämter interpretierten eng
Umgekehrt haben auch Versorgungsämter die Vorschrift oft dahingehend eng interpretiert, dass tatsächlich jeden Tag mindestens vier unterschiedliche Injektionen erforderlich seien und dabei immer die Dosis angepasst werden müsse. Lagen diese Voraussetzungen nicht vor bzw. entdeckten die Ämter in den Aufzeichnungen entsprechende Lücken, dann wurden Anträge nicht selten abgelehnt.
Aufwand und Beeinträchtigung
Das Bundessozialgericht hat nun klargestellt, dass es nicht allein auf den Therapieaufwand ankommen kann, vielmehr muss "die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein". Dies komme durch "die Verwendung des Wortes ‚und‘ deutlich zum Ausdruck". Es sei auch "nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt."
"Erheblicher Einschnitt"?
Solche "erheblichen Einschnitte" könnten auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa "wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch". Auch ein unzulänglicher Therapieerfolg, also eine schlechte Stoffwechseleinstellung, könne sich als solcher Einschnitt in der Lebensführung auswirken.
Allein das Messen und Spritzen reicht also nicht – vielmehr muss man insgesamt gesehen auch krankheitsbedingt erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Für Juristen, die die Rechtsprechung des Gerichts kennen, ist das allerdings nicht überraschend; ich hatte das so bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der einschlägigen Vorschriften prognostiziert
Unklare Unterscheidung
Allerdings lässt das Gericht weiterhin einigermaßen unklar, wie zwischen einem "Einschnitt", einem "wesentlichen Einschnitt" und einem "erheblichen Einschnitt", der sich "gravierend auf die Lebensführung auswirkt", zu unterscheiden ist – diese schwammigen Rechtsbegriffe liegen der Feststellung des Behinderungsgrads aber zugrunde.
Das im Urteil genannte Beispiel, dass jemand "für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer", scheint allerdings eher theoretisch und dürfte in der Praxis kaum relevant sein. Ich empfehle daher, beim Antrag möglichst umfassend und ausführlich zu schildern, wie bzw. inwieweit man durch den Diabetes in seiner Lebensführung beeinträchtigt wird.
Ansonsten sagt das Gericht aber immerhin ganz ausdrücklich, dass "die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluter Grenzwert" anzusehen ist. Es sei also nicht – wie manche Ämter es verlangen – erforderlich, dass "ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss". Schließlich bedeute auch "selbständige" Variation der Insulindosis nicht, dass man dafür die Dosis "ständig" anpassen müsse.
Wert – Mahlzeit – Belastung
Entscheidend sei die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom
GdB: Es geht nicht um Konsequenz …
Und das Gericht erteilt eine weitere Ohrfeige: "Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht ‚schlechter‘ behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde."
… der tatsächliche Zustand ist entscheidend!
Weiter heißt es: "Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt." Das mutet auf den ersten Blick seltsam an, denn scheinbar wird damit derjenige quasi "belohnt", der seinen Diabetes absichtlich nicht im Griff hat.
Aber von der Systematik des Gesetzes ist es klar: Es kommt auf den tatsächlichen Ist-Zustand an. Aus welchem Grund es zur Beeinträchtigung kam, spielt grundsätzlich keine Rolle – auch für Diabetiker gilt insoweit nichts anderes als für jemanden, der zum Beispiel aufgrund eines selbstverschuldeten Unfalles querschnittsgelähmt ist.
Im Ergebnis ändert das Urteil nichts daran: Auch weiterhin ist die Feststellung einer Schwerbehinderung aufgrund des Diabetes in vielen Fällen möglich. Allerdings müssen die mit der Krankheit einhergehenden, erheblichen Beeinträchtigungen nachgewiesen werden.
"Erhebliche Einschränkungen": Sie benötigen Belege!
Auch im Antragsverfahren muss auf diese Voraussetzungen eingegangen werden – wer sich dort nur auf den hohen Aufwand seiner Insulin- bzw. Insulinpumpentherapie stützt, wird wahrscheinlich damit keinen Erfolg haben. Sie sollten daher belegen (können), dass Sie erhebliche Einschränkungen erfahren, die sich "gravierend" auf Ihre Lebensführung auswirken.
Ich empfehle, dass Sie dazu möglichst umfassend schildern, wie und inwieweit Sie durch den Diabetes beeinträchtigt werden bzw. was Sie dadurch nicht (mehr) machen können.
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 3 Tagen, 20 Stunden
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 1 Woche, 5 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 5 Tagen, 15 Stunden
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 1 Woche, 2 Tagen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 3 Tagen, 15 Stunden
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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