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Auto fahren mit Diabetes? In der Regel ist das kein Problem – sofern man Unterzuckerungen noch rechtzeitig bemerkt. Dennoch kann es passieren, dass Betroffene Post von der Führerscheinbehörde bekommen und aufgefordert werden, ein Gutachten über ihre Fahreignung vorzulegen. In diesem Beitrag erfahren Sie, was zu tun ist und was Sie unbedingt beachten sollten.
Menschen mit Diabetes sind grundsätzlich geeignet, am Straßenverkehr teilzunehmen. Allerdings gilt dies nur, wenn Unterzuckerungen rechtzeitig wahrgenommen werden und der Fahrer auch verantwortlich mit seiner Krankheit umgeht. Es kann auch passieren, dass man plötzlich solche Post von der Führerscheinbehörde bekommt:
„Uns wurde bekannt, dass bei Ihnen eine Diabetes-Erkrankung vorliegt. Dies begründet Bedenken gegen Ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Wir haben Sie daher aufzufordern, durch Vorlage eines verkehrsmedizinischen Gutachtens Ihre Fahreignung nachzuweisen. Das Gutachten ist auf Ihre Kosten von einem Facharzt für Innere Medizin/Diabetologen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation (gem. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 FeV) zu erstellen. Adressen von Ärzten mit der geforderten Qualifikation finden Sie in anliegender Liste.
Ein positives Gutachten muss uns bis spätestens … vorliegen. Nach Ablauf dieser Frist müssen wir ansonsten davon ausgehen, dass keine Fahreignung besteht; wir müssten Ihnen dann die Fahrerlaubnis umgehend entziehen.“
Liegt ein solches Schreiben in der Post, sollten Sie sofort handeln. Man darf hier nichts falsch machen, sonst ist der Führerschein in Gefahr.
Hat die Straßenverkehrsbehörde von einer Erkrankung eines Führerscheininhabers erfahren, dann muss sie gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) überprüfen, ob und inwiefern die Erkrankung Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr hat:
„Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung […] begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens […] anordnen.“
Solche „Tatsachen“ liegen aber nicht erst dann vor, wenn ein Unfall passiert oder jemand „auffällig“ geworden ist. Denn die FeV sagt weiter (§ 11 Abs. 2 S. 2 FeV):
„Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.“
Dies bedeutet: Allein die Tatsache, dass jemand Diabetes oder eine andere der in der Anlage zur FeV aufgelisteten Krankheiten hat, berechtigt die Behörde zur Anordnung eines Gutachtens.In der Regel geht dem meist ein Unfall oder ein sonst auffälliges Verhalten voraus, bei dem der Diabetes ins Spiel kam. Nicht selten werden Betroffene aber vollkommen überrascht: Die Ursache kann dann z. B. bei Nachbarn oder Arbeits„kollegen“ liegen, die eine entsprechende Meldung bei der Führerscheinbehörde gemacht haben. Denn auch, wenn solche Anzeigen meist anonym eingehen, darf die Behörde diese nicht einfach ignorieren.
Aus diesem Grund empfiehlt sich auch, dass man seine Diabetes-Utensilien nicht so offen im Auto herumliegen lässt, dass diese bei einer Polizeikontrolle ins Auge springen: Viele Polizisten wissen mittlerweile, was es damit auf sich hat. Wenn es dumm läuft, könnten die Polizeibeamten solche Hinweise auf eine Diabetes-Erkrankung der Führerscheinbehörde melden, was dann ebenfalls zur Anordnung eines Gutachtens führen kann.
Auch wenn es wie eine Diskriminierung anmutet: Die Behörde ist zum Schutz der Allgemeinheit berechtigt, eine solche Begutachtung anzuordnen. Man muss dann auf eigene Kosten ein ärztliches Gutachten beibringen und damit nachweisen, dass man (weiterhin) fahrtauglich ist. Die Behörde kann auch bestimmen, ob das Gutachten von einem verkehrsmedizinisch erfahrenen Facharzt (Facharzt für Innere Medizin, Diabetologe), von einem Amtsarzt oder von einem Betriebsmediziner erstellt werden soll. Ein Attest vom Hausarzt reicht nicht.
Oft ist zu hören, dass Betroffene nach Erhalt eines solchen Schreibens energisch nach einem Rechtsanwalt rufen – die Kosten hierfür kann man sich sparen, denn auch der Anwalt kann hier nicht viel machen: Bei der Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens handelt es sich nämlich noch um keine behördliche Entscheidung, gegen die man sich mit Rechtsmitteln wehren kann. Denn die Behörde macht bislang ja noch nichts – sie droht nur die Konsequenzen an, mit denen man bei Nichtvorlage des Gutachtens rechnen muss.
Auch wenn Sie also der Auffassung sind, dass die Behörde kein (weiteres) ärztliches Gutachten von Ihnen verlangen darf – unternehmen können Sie gegen eine solche Anordnung nichts. Die Behörde kann andererseits eine solche Untersuchung nicht erzwingen. Wenn Sie allerdings das geforderte Gutachten nicht vorlegen (wollen), dann darf die Behörde davon ausgehen, dass die Eignung zum Führen des Kfz nicht (mehr) besteht, und wird die Fahrerlaubnis entziehen bzw. deren Erteilung verweigern (geregelt in § 11 Nr. 8 FeV).
(2) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen. Die Behörde bestimmt in der Anordnung auch, ob das Gutachten von einem
erstellt werden soll. Die Behörde kann auch mehrere solcher Anordnungen treffen. Der Facharzt nach Satz 3 Nummer 1 soll nicht zugleich der den Betroffenen behandelnde Arzt sein.
[…]
(6) Die Fahrerlaubnisbehörde legt […] fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen […] mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Der Betroffene hat die Fahrerlaubnisbehörde darüber zu unterrichten, welche Stelle er mit der Untersuchung beauftragt hat. Die Fahrerlaubnisbehörde teilt der untersuchenden Stelle mit, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind und übersendet ihr die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen. Die Untersuchung erfolgt auf Grund eines Auftrags durch den Betroffenen.
[…]
(8) Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 6 hinzuweisen.
Es bringt also nichts, mit der Behörde zu streiten oder mit einem Anwalt zu drohen. Auch wäre es keine gute Idee, das geforderte Gutachten zu verweigern. Denn die Behörde wird dann die Fahrerlaubnis entziehen. Gegen einen solchen Bescheid könnte man dann zwar Rechtsmittel einlegen – aber bis die Gerichte hierüber entschieden haben, können Jahre vergehen. Und so lange bliebe man dann ohne Führerschein …
Wenn also die Aufforderung zu einem Gutachten kommt, sollte man in den sauren Apfel beißen und dies akzeptieren. Im Folgenden gebe ich Ihnen einige Tipps zur Vorgehensweise:
Zunächst sollten Sie der Behörde umgehend signalisieren, dass Sie ein Gutachten bringen werden – bitten Sie aber dann gleich um eine Verlängerung der Frist. Dies wird in der Regel ohne Probleme gewährt.
Suchen Sie nun einen geeigneten Gutachter in Ihrer Nähe. Beachten Sie dabei, dass dieser über die von der Behörde geforderte Qualifikation (z. B. „Facharzt für Innere Medizin mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation“) verfügen muss. Am besten fragen Sie Ihr Diabetes-Team, in Ihrer Selbsthilfegruppe oder auch im Internet nach Ärzten, mit denen andere Betroffene gute Erfahrungen gemacht haben. Auf der Website der Deutschen Diabetes Gesellschaft können Sie nach diabetologisch kompetenten Ärzten in Ihrer Nähe suchen, die über die geforderte Qualifikation verfügen.
Tipp: Häufig fügen die Behörden eine Liste mit Gutachtern bei. Sie sind aber nicht verpflichtet, einen der dort genannten Ärzte aufzusuchen, denn diese sind oft mit dem Thema Diabetes nicht sehr vertraut.
Nun sollten Sie mit dem Gutachter schnell einen Termin vereinbaren. Wichtig ist dabei auch, dass Sie vorab die Kosten besprechen, um böse Überraschungen zu vermeiden. In der Regel muss man mit Kosten zwischen ca. 500 und 800 Euro rechnen. Wenn umfangreiche Laborbefunde zu erheben sind, kann es auch deutlich teurer werden. Wenn vom Hausarzt/Diabetologen aktuelle Laborwerte vorgelegt werden, dann kann man aber hier oft etwas Geld sparen.
Zum Untersuchungstermin sollten Sie sich gut vorbereiten und Ihr Messgerät sowie umfassende Tagebuchaufzeichnungen (oder Computerausdrucke) mitbringen; der Gutachter muss sehen, dass Sie verantwortungsvoll mit Ihrem Diabetes umgehen.
Hierzu etwas Werbung in eigener Sache: Diese Tagebuchführung geht bequem mit der von mir entwickelten Computersoftware DIABASS. Diese können Sie kostenlos unter www.diabass.de herunterladen und nutzen.
Wichtig: Sagen Sie dem Arzt unbedingt, dass er das Gutachten direkt an Sie als Auftraggeber und nicht an die Behörde schicken soll. Stimmen Sie insoweit auch keiner Entbindung der Schweigepflicht gegenüber der Führerscheinbehörde zu.Denn liegt der Behörde ein „schlechtes“ Gutachten einmal vor, dann kommt man hiervon oft nur sehr mühsam wieder weg. Selbst wenn man später noch ein zweites positives Gutachten vorlegt: Wenn die Behörde dem ersten Arzt glaubt, dann hat man Pech und muss womöglich lange vor Gericht streiten.
Sprechen Sie mit dem Gutachter auch über die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen; mitunter lässt sich im Gespräch auch etwas „feilschen“. Denn wenn hierzu nichts im Gutachten steht, dann wird die Behörde möglicherweise nach eigenem Ermessen Nachuntersuchungen anordnen – es wäre dann sehr ärgerlich, wenn womöglich jedes halbe Jahr eine neue Untersuchung angefordert würde.
Sobald Sie das Gutachten erhalten haben, sollten Sie dieses umfassend prüfen und ggf. mit Ihrem Diabetologen besprechen. Bei Unklarheiten kann es sich lohnen, die Einschätzung eines Anwalts einzuholen.
Wenn das Gutachten positiv ausgefallen ist, dann können Sie es an die Behörde weiterleiten. Aber auch, wenn der Gutachter zum Schluss kommt, dass Sie nicht mehr fahren dürfen bzw. er erhebliche Bedenken hat, muss man die Hoffnung nicht fahren lassen. Es ist nämlich gar nicht mal so selten, dass der eine Arzt es etwas lockerer sieht, während der andere (möglicherweise unnötig) sehr strenge Maßstäbe anlegt. Aufgrund der (hoffentlich) eingeholten Fristverlängerung haben Sie dann aber noch Zeit, einen anderen Gutachter zu suchen. Dieser findet vielleicht doch noch eine Lösung, wie Sie weiterhin fahren dürfen.
Auf Basis des Gutachtens entscheidet die Behörde, ob Auflagen erteilt werden müssen oder die Fahrerlaubnis womöglich zu entziehen ist. Hierüber ergeht ein Bescheid, gegen den man Rechtsmittel einlegen kann – ansonsten passiert nichts weiter, und die Sache hat sich für Sie erledigt.
Erscheint das Vorgehen der Behörde willkürlich, z. B. wenn ohne Verkehrsverstöße in halbjährlichen Abständen Gutachten angefordert werden, dann sollte man zunächst im Gespräch versuchen, auf die Behörde einzuwirken. Hilft das aber nicht, dann sollten Sie zunächst das geforderte Gutachten bringen und Ihre Fahrtauglichkeit nachweisen. Wenn dann die Bedenken der Behörde (wieder) ausgeräumt sind, kann man mithilfe eines Anwalts nachträglich klären lassen, ob das Vorgehen der Behörde wirklich rechtmäßig war.
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Erschienen in: Diabetes-Journal, 2021; 70 (8) Seite 22-25
5 Minuten
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