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Diabetes ist auch in Scheidungsverfahren immer wieder ein Thema. Zum Streit kommt es nicht zuletzt um den Umgang mit der Krankheit des gemeinsamen Kindes bzw. über die Art und Weise der Behandlung. Immer wieder erreichen mich daher Anfragen verzweifelter Eltern, bei denen der Diabetes auch im "Rosenkrieg" eine Rolle spielt.
So habe ich beispielsweise unlängst folgende Anfrage erhalten, welche die Problematik deutlich zeigt:
Einer der vielen Streitpunkte ist immer wieder der "richtige" Umgang mit dem Diabetes unserer Tochter (15, Typ 1, Insulinpumpe + CGM, HbA1c derzeit 9,8 %). Mein Mann ist seit einigen Jahren überzeugter Veganer und meint, dass dies auch für unser Kind die ideale Ernährungsform sei. Auch hält er nicht viel von Technik, am liebsten würde er ihr die Pumpe wegnehmen und wieder auf Spritzen umstellen. Diskussionen gibt es auch immer wieder, weil ich mir ihre Werte laufend aufs Smartphone schicken lasse, um zur Not immer gleich eingreifen zu können. Mein Mann ist der Auffassung, dass ich ein "Kontroll-Freak" sei, zudem hat er geradezu eine Paranoia, was den Datenschutz angeht. Unser Kind leidet sehr unter unseren Auseinandersetzungen und hat vielleicht auch deswegen so schlechte Blutzuckerwerte.
Nun habe ich Angst, was nach der Trennung kommt. Ich fände es für unsere Tochter das Beste, wenn der Vater hier nicht mehr reinreden dürfte. Auch will ich nicht, dass sie womöglich nur Körner zu essen bekommt, wenn sie bei ihm ist. In einem Internetforum habe ich nun gelesen, dass man in solchen Fällen das Jugendamt einschalten kann, damit ich bei der Scheidung dann das alleinige Sorgerecht bekomme.
In solchen Fällen kann man nur hoffen, dass die Eltern sich irgendwie zusammenraufen und eine gemeinsame, einvernehmliche Lösung finden.
Grundsätzlich haben beide Elternteile ein gemeinsames Sorgerecht. Dies bedeutet, dass über alle wichtigen Angelegenheiten des Kindes gemeinsam entschieden werden muss. Hierzu zählen beispielsweise die Anmeldung in einer Kindertagesstätte oder Schule, die Auswahl der Schule, die Ausbildung, grundlegende Fragen der religiösen Erziehung, das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder eben auch wesentliche medizinische Behandlungen.
Hieran ändert auch eine Trennung oder Scheidung nichts, das gemeinsame Sorgerecht besteht zunächst trotzdem fort. So könnte die Mutter im obigen Fall beim Familiengericht einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts stellen. Soweit der Vater zustimmt und das Kind nicht widerspricht, wird das Gericht dem Antrag stattgeben.
Wahrscheinlich wird der Vater hier aber wohl eher nicht zustimmen; die Voraussetzungen zum Erhalt des alleinigen Sorgerechts sind dann recht hoch. Die Mutter müsste daher plausible Tatsachen vorbringen, mit denen das Gericht davon überzeugt werden kann, dass eine Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts für das Wohl des Kindes wirklich besser ist. Falls ja, wird das Gericht dem jeweiligen Elternteil das Sorgerecht zusprechen, bei dem es das Kindeswohl am besten gewahrt sieht.
Nicht wenige solcher Sorgerechts-Streitigkeiten werden oft zu schlimmen Schlammschlachten, die letztlich auch auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden.
Immer wieder wird auch versucht, das Kind als Druckmittel zu benutzen oder zur Rache am anderen Elternteil zu instrumentalisieren. Leider gießen manche Anwälte zusätzlich Öl ins Feuer, wenn durch unnötig aggressive Formulierungen in Schriftsätzen die Gegenseite bewusst provoziert wird.
Für das Kind ist es sicher die beste Lösung, wenn sich beide Elternteile einig sind. Einen Sorgerechtsstreit sollte man daher nur führen, wenn es nicht mehr anders geht und man auch gewichtige Argumente vorbringen kann.
Unterschiedliche Überzeugungen oder Lebensweisen – beispielsweise zur Ernährung – spielen daher nur dann eine Rolle, wenn diese für das Kindeswohl nachteilig sind. In obigem Beispiel müsste die Mutter durch plausible medizinische Atteste begründen, dass das Kind ernsthaften Schaden erleiden könnte, wenn es bei den Besuchen beim Vater nur vegane Ernährung bekommt. Allein die bloße Befürchtung, dass es dadurch vielleicht zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands kommen könnte, reicht jedoch nicht aus.
Auch ist die Auffassung des Vaters, der offensichtlich eine intensivierte Insulintherapie für sinnvoller hält, ja nicht per se abwegig. Fakt ist wohl, dass die Glukosewerte des Kindes mit der momentanen Therapie offensichtlich unbefriedigend sind. Es ist meines Erachtens daher grundsätzlich nicht gänzlich verkehrt, durchaus auch über andere Therapieformen nachzudenken. Maßgeblich hierfür wird letztlich aber die Einschätzung des behandelnden Arztes sein. Daher gilt für beide Elternteile gleichermaßen: Wenn einer der beiden die begründeten medizinischen Empfehlungen des Arztes ignorieren bzw. sich diesen widersetzen will, könnte dies nachteilig für das Sorgerecht sein.
Schließlich sollte man auch mit dem Vorwurf "Paranoia" in Bezug auf den Datenschutz vorsichtig sein. Der Vater hat vielleicht durchaus gute Gründe, warum er die Gesundheitsdaten seines Kindes nicht ohne Weiteres an irgendwelche Pharmakonzerne übermittelt sehen will. Und auch zum Thema "Kontrolle" gibt es sicherlich unterschiedliche Auffassungen. Gerade bei Jugendlichen in der Pubertät könnte ich mir durchaus vorstellen, dass eine permanente Überwachung durch die Eltern nicht (mehr) erforderlich und womöglich auch in vielerlei Hinsicht kontraproduktiv ist.
Das alleinige Sorgerecht ist allerdings nicht immer erforderlich. Vielmals sprechen die Gerichte dem Elternteil die Entscheidungsbefugnis über ärztliche Behandlungen oder Ernährung zu, in dessen Obhut sich das Kind gerade befindet. Grundsätzlich müssen dann nur solche medizinischen Eingriffe, die weder Routinebehandlungen noch Akutmaßnahmen (z. B. nach einem Unfall) sind, vorab mit dem anderen sorgeberechtigten Elternteil abgesprochen werden.
Wenn das Kind also die meiste Zeit bei einem Elternteil ist, wird dieser grundsätzlich auch über die medizinischen Behandlungen sowie die Therapie-Formen bestimmen dürfen. Bei grundlegenden Entscheidungen – also beispielsweise einer kompletten Therapie-Umstellung – oder, wenn erhebliche Schäden drohen bzw. das Kindeswohl gefährdet wird, wäre aber die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich.
Selbst wenn das Gericht einem Elternteil aber das alleinige Sorgerecht zusprechen sollte, bliebe der andere Elternteil nicht komplett außen vor. Jeder Elternteil kann Auskunft vom anderen verlangen, sofern hierfür ein berechtigtes Interesse besteht und dies dem Kindeswohl auch nicht zuwiderlaufen würde. Dieser Auskunftsanspruch (geregelt in § 1686 BGB) besteht unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind/waren oder wer das Sorgerecht hat. Auskunft kann man aber nur verlangen, wenn man sich die Informationen nicht auf andere Art und Weise selbst beschaffen kann, beispielsweise, wenn das Kind noch zu klein ist, um entsprechende Fragen zu beantworten.
Im Wege einer solchen Auskunft kann man sich über die allgemeine Entwicklung des Kindes informieren, insbesondere auch über den Gesundheitszustand bzw. etwaige Krankheiten, Aufenthaltswechsel, Besuch von vorschulischen und schulischen Einrichtungen. So muss z. B. darüber informiert werden, welche Medikamente das Kind bekommt und ob bzw. wie lange es diese noch nehmen muss. Ob weitergehende Informationen zu Arzt- und Laboruntersuchungen mitgeteilt werden müssen, hängt dagegen vom Einzelfall ab. Bei schwerwiegenden Krankheiten oder Unfällen wird man das wohl eher bejahen, zu Routineuntersuchungen dürfte dagegen kein Auskunftsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil bestehen. Auch besteht grundsätzlich kein Anspruch auf das Überlassen von medizinischen Unterlagen oder den Nachweis von Arztbesuchen.
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