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Wir sind viele und „Internet sei Dank“ finden wir leicht zueinander. Die Communitys boomen und mehr und mehr finden persönliche Treffen vor Ort statt.
Schafft die Tatsache, an Diabetes erkrankt zu sein, bereits Solidarität? Nein, so ist das nicht, denn dazu sind wir alle zu individuell. Wir haben unsere Biografie, unterschiedliche Lebenseinstellungen und Erfahrungen.
Aber es gibt einiges, was uns verbindet.
Unterwegs in einer anderen Stadt, Penkanülen oder Insulinpumpenkatheter zu Hause vergessen, das war früher eine echte Katastrophe. Heute ist das zwar immer noch nervig, aber die Chance, schnelle Hilfe über Mitglieder einer Community zu bekommen, ist groß. Oft passiert das innerhalb weniger Minuten, dass Hilfe angeboten wird. Menschen, die sich vorher nicht gekannt haben, helfen einander – da hat der Typ-1-Diabetes etwas, das verbindet. Da unterstützen wir uns gegenseitig, ohne zu zögern, ohne Wenn und ohne Aber. Das ist Solidarität zum Anfassen und fühlt sich richtig gut an!
Mit dieser Frage zu reagieren, ist zunächst einmal ganz normal, wenn man mit einem Thema erstmalig konfrontiert wird. Mir fällt dazu eine Geschichte vor ca. 20 Jahren ein. Damals hatte ich erst frisch die Diagnose Typ-1-Diabetes bekommen und habe an einem bundesweiten Treffen von Menschen mit Typ-1-Diabetes teilgenommen. Ein großes Thema war dort, dass Schweineinsulin vom Markt genommen wird. Ich habe das zunächst nicht verstanden, denn ich war doch mit meinem gentechnisch herstellten Insulin bestens zufrieden. Warum wollten so viele das Schweineinsulin weiterhin benutzen? Erst in Gesprächen wurde mir klar, dass es um weitaus mehr ging als nur um eine Weigerung, auf andere Insuline umzusteigen. Es ging um Nebenwirkungen und Verzweiflung, wie es für die Anwender*innen weitergehen sollte, wenn das Schweineinsulin komplett vom Markt verschwindet. Obwohl ich selber nicht betroffen war, habe ich durch meine Unterschrift die entsprechende Petition für den Erhalt von Schweineinsulin unterstützt.
Mittlerweile haben wir das Jahr 2020. Vieles, was für uns als einzelner Mensch gut geregelt ist, z.B. genehmigte Insulinpumpe, rtCGM-System u.v.m., bedeutet für andere Anstrengung und Kampf mit Krankenkassen und MD (bisher: MDK). Hier können und sollten wir uns in an geeigneten Stellen solidarisch äußern und positionieren.
Die Frage, warum man statt von „Diabetikern“ von „Menschen mit Diabetes“ spricht, macht immer mehr die Runde. Einige sagen, das ist doch mal überhaupt kein Thema für mich, ist mir egal, macht mich auch nicht gesünder usw. Mich hat die Diskussion um diesen Punkt von Anfang an beschäftigt. Speziell die Tatsache, dass in sozialen Netzwerken teilweise nicht nur sehr kontrovers – was ja erst einmal positiv ist –, sondern auch sehr aggressiv diskutiert wird. Kritische Stimmen stellen die Frage, ob wir sonst keine Probleme hätten. Zum Glück ist es ja so, dass das Leben uns die Möglichkeit gibt, viele Themen parallel aufzugreifen. Nur weil man „Sprache“ zum Thema macht, heißt es nicht, dass alle anderen Themen unwichtig werden. Diejenigen, die von sich selbst als Diabetiker*in sprechen, wollen ebenso wenig auf ihre Erkrankung reduziert werden. Genau dort liegt unser gemeinsames Ziel, dass wir als komplette Persönlichkeiten mit all unseren Bedürfnissen von unserer Außenwelt wahrgenommen werden wollen.
Welche Rolle Sprache spielt und, vor allem, welche unterbewusste Wirkung Sprache hat, wird dabei oftmals unterschätzt. Mein Tipp: #languagematters wird auch im Blog von https://suesshappyfit.blog/ thematisiert.
Neben der Verfügbarkeit und Nutzung von Insulinen, Hilfsmitteln und „Diabetestechnik“ muss es bei unserem gemeinsamen Engagement ebenso um Fragen des Alltags gehen. Es darf aufgrund unserer Diabeteserkrankung keine Benachteiligung mehr geben. Angefangen vom Besuch in der Kindertagesstätte für alle Kinder mit Typ-1-Diabetes bis hin, wie es uns später mal im Altenheim ergehen wird. Es werden sich im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte immer wieder Situationen und völlig neue Themen ergeben, die wir jetzt noch gar nicht „auf dem Schirm haben“.
Mal ehrlich, wie tolerant und gelassen bin ich wirklich? Wenn ich in der Community, in den sozialen Medien was lese oder bei einem Diabetestreffen was höre, was zunächst mal nicht mit meinen Ansichten übereinstimmt – wie reagiere ich da?
Mir hilft es, wenn ich mir deutlich mache, dass es nicht meine eigene, sondern die Meinung des anderen ist. Ob oder inwieweit ich dann die Meinungen oder das Anliegen teile, ergibt sich dann meist durch die weitere Diskussion. Wenn es bei unterschiedlichen Sichtweisen bleibt, dann ist das so. Die Hauptsache ist, das der Umgang miteinander wertschätzend und freundlich bleibt. Um für uns Menschen mit Diabetes etwas zu bewegen, müssen wir nicht immer einer Meinung sein. In diesem Sinne lasst uns künftig ganz viel gemeinsam bewegen – Solidarität hat und braucht viele Gesichter!
#BSLounge-Autorin Antje (Gründerin von dem genannten Blog „Süß, happy und fit“) wurde vor kurzer Zeit für ihren Blogbeitrag über Diabetes und Sprache mit dem DDG-Medienpreis ausgezeichnet. Mehr dazu hier.
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