Aktiv werden beim Thema Diabetes-Müll

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Aktiv werden beim Thema Diabetes-Müll

In vielen Bereichen des menschlichen Lebens entsteht Abfall. Lange haben wir es einfach hingenommen, haben mehr oder weniger zuverlässig unseren Müll getrennt. Doch das reicht nicht mehr, denn die Menschheit versinkt allmählich unter ihren Müllbergen. Deshalb muss auch beim Thema Diabetes-Produkte an den Abfall, der dadurch entsteht, gedacht werden – um ihn möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen oder ihn wenigstens gut recycelfähig zu machen.

Jeder Mensch mit Diabetes, der seine Erkrankung nicht nur durch seine Ernährung und durch Bewegung behandelt, produziert Abfall durch den Diabetes. Bei Menschen mit einer Tabletten-Therapie sind es die Blister-Packungen. Bei einer Therapie mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten entsteht Abfall durch die Pens, mit denen der Wirkstoff gespritzt wird. Für eine Therapie mit Insulin, das mit einem Einmal-Pen gespritzt wird, gilt das Gleiche. Außerdem wird für jede Injektion eine Einmal-Kanüle benötigt, die anschließend entsorgt wird. Diese und zusätzlich Insulin-Patronen fallen auch bei wiederverwendbaren Insulin-Pens an. Und wer eine Therapie mit einer Insulin-Pumpe durchführt, produziert Abfall durch Kanülen, Katheter und ebenfalls Insulin-Patronen. Eine Patientin mit Typ-1-Diabetes, Insulin-Pumpe und CGM-System hat einmal über ein Quartal ihren Abfall gesammelt – das Ergebnis sieht man hier.

Auch bei Kontrollen viel Abfall

Wer seine Glukosewerte kontrolliert, weiß, dass auch hier jede Menge Abfall entsteht. Je nach Methode sind das Lanzetten zum Gewinnen des Bluts, Blutzucker-Teststreifen, Glukose-Sensoren, Setzhilfen, Pflaster usw. Auch die Stromversorgung mit Batterien und Akkus und die Transmitter für das kontinuierliche Glukose-Monitoring (CGM) sind hier nicht zu vergessen.

Dabei versuchen doch immer mehr Menschen, sich den Abfall-Bergen entgegenzustemmen, ihren Abfall zu reduzieren. Denn die Menschheit vermüllt ihre Lebensgrundlage, die Natur, immer mehr.

Müll ist Thema bei Diabetes

Ende letzten Jahres wurden Menschen mit Diabetes bzw. Eltern von Kindern mit Diabetes für den Digitalisierungs- und Technologiereport Diabetes, der Anfang 2022 erschienen ist, auch zum Thema Verpackungs-Müll und Nachhaltigkeit befragt (siehe Abbildung oben). Von 2417 Teilnehmenden gaben 54,5 Prozent an, sich bereits Gedanken über Verpackungs-Müll bei Diabetes-Technologien zu machen. Den Wunsch nach mehr wiederverwendbaren Utensilien bei der Diabetes-Therapie bestätigten 67,1 Prozent. Allerdings ist die Menge des Verpackungs-Müll nur für 15,2 Prozent ein Kriterium zur Auswahl einer Diabetes-Technologie. Hier spielen sicher bisher andere Faktoren eine größere Rolle.

Trennen in Rohstoffe oft schwierig

Wer versucht, den entstehenden Müll wenigstens in seine Rohstoffe zu trennen, gerät bei Diabetes-Abfall schnell an seine Grenzen. Denn meist sind unterschiedliche Rohstoffe in einem Gerät oder System so miteinander verbunden, dass ein Trennen nicht möglich ist. Nimmt man einmal eine Patchpumpe, also eine, die direkt auf die Haut geklebt wird, auseinander, zeigt sich, dass darin fast 70 unterschiedlichste Bauteile stecken.

Es gibt viele Umwelt-Themen

Immer mehr Abfall und Müll ist nur ein Thema, wenn es um den Schutz der Erde geht. Auch andere Dinge beeinflussen unsere Lebensumgebung – mit der Folge, dass es immer mehr Umweltkatastrophen wie Waldbrände und Überschwemmungen, um nur zwei zu nennen, gibt. Es ist also dringend Zeit, sich auch um das Thema Müll bei Diabetes immer intensiver Gedanken zu machen.

Vom Linearen zum Kreislauf kommen

Entscheidend wird sein, dass wir vom linearen Handeln zum Handeln in Kreisläufen kommen. Der Weg eines Produkts nimmt, vereinfacht dargestellt, folgenden Weg: Zuerst wird Material gewonnen. Aus diesem wird ein Produkt hergestellt. Dieses wird verpackt und anschließend dorthin gebracht, wo es weiterverteilt oder benötigt wird. Dann wird es benutzt. Zuletzt wird es beim linearen Handeln als Abfall entsorgt. Beim Handeln in Kreisläufen würde recycelt und das wiedergewonnene Material in den neuen Kreislauf gegeben. Das gilt für die Produkte selbst wie auch für die Verpackungen, die womöglich sogar direkt wiederverwendet werden können – wenn es flächendeckend entsprechende Projekte und Systeme gäbe.

Politik beschäftigt sich mit Medizin-Müll

Schon im Jahr 2017 wurden die EU Medical Device Regulations überarbeitet. Hierin wird gefordert (übersetzt aus dem Englischen): “Die Produkte werden so designt und hergestellt, dass ihre sichere Entsorgung und die sichere Entsorgung der damit verbundenen Abfallstoffe durch den Anwender, den Patienten oder andere Personen erleichtert wird. Zu diesem Zweck sollen die Hersteller Verfahren und Maßnahmen ermitteln und erproben, mit denen ihre Produkte nach der Verwendung sicher entsorgt werden können. Diese Verfahren sind in der Gebrauchsanweisung zu beschreiben.” Die Politik nimmt sich dieser Fragen in Bezug auf medizinische Produkte also bereits an.

Private Initiativen werden aktiv

Auch private Initiativen wie das Healthcare Plastics Recycling Council (HPRC; www.hprc.org) versuchen, hier aktiv zu werden. Denn das Problem des Abfalls ist groß, wie es auf seiner Website schreibt: “Im Jahr 2020 wurden weltweit über 32 Milliarden Pfund an Kunststoffen für den Medizin-Sektor hergestellt, und bis 2025 wird ein Anstieg auf 48 Milliarden Pfund erwartet. Der größte Teil davon wird auf Mülldeponien oder durch Verbrennen entsorgt, und viel von diesem Material ist nicht kontaminiert und recycelbar.” Auch ein paar Unternehmen aus dem Diabetes-Bereich sind Mitglied des HPRC. Diese Initiative kümmert sich zum Beispiel um Produktdesign-Leitlinien für eine bessere Möglichkeit des Recyclings. Auch Verpackungen haben die Unternehmen dort im Blick. So beinhalten diese Leitlinien u. a. Folgendes:

  • Wenn möglich, sollen Produkte nur aus einem einzigen Material hergestellt werden.
  • Wenn mehrere Materialien erforderlich sind, sollen Kombinationen von chemisch kompatiblen oder gemeinsam verarbeitbaren Kunststoffen genutzt werden.
  • Es sollen Materialien verwendet werden, die in automatisierten Recycling-Prozessen leicht zu trennen sind.
  • Als Alternative zu Papier werden atmungsaktive Kunststoffe empfohlen, außerdem sollen Etiketten und andere Komponenten aus Papier minimiert werden.
  • Klebstoffe sollen auf Wasserbasis funktionieren.
  • Pigmente sollen möglichst nur minimal eingesetzt werden.

Gipfeltreffen der Grünen Diabetes-Initiative

Konkret mit den Umwelt-Aspekten bei Diabetes beschäftigt sich die Green Diabetes Initiative, die zur Diabetes Technology Society in den USA gehört. Diese Initiative hat im vergangenen Jahr den Green Diabetes Summit durchgeführt. Hierbei ging es zum einen um das Entsorgen von Einweg-Systemen für die Diabetes-Therapie, zum anderen um die Schritte davor, nämlich Design-, Herstellungs-, Verpackungs- und Vertriebs-Prozesse von Medizin-Produkten. Schwerpunkte des virtuellen Treffens waren Information, Vernetzung und Planung von Richtlinien, Bildungsprojekten und Forschung im Zusammenhang mit Diabetes-Abfall und Nachhaltigkeit.

Jeder kann aktiv sein

Es tut sich also bereits einiges zum Thema Diabetes und Müll. Aufgerufen ist dabei jeder, der in einen oder mehrere Schritte bei Diabetes-Produkten involviert ist, sich Gedanken zu diesem Problem zu machen und, soweit möglich, entsprechend zu handeln.


Autoren:
© zukunftsboard digitalisierung/Ludwig Niethammer
Prof. Dr. Lutz Heinemann
Science Consulting in Diabetes GmbH /
Geranienweg 7a
41564 Kaarst
mobil: 01 60/8 87 74 01
© Kirchheim/Frank Schuppelius
Dr. Katrin Kraatz
Kirchheim-Verlag

Erschienen in: Diabetes-Journal, 2022; 71 (9) Seite 16-18

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