- Technik
Intelligente Schuheinlage soll Diabetiker-Füße schützen
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Mediziner der Magdeburger Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie haben zusammen mit den Firmen ifak System und OrthoFit Schuhtechnik GmbH in Magdeburg eine intelligente Einlegesohle entwickelt. Sie soll künftig langjährige Diabetiker vor schlecht heilenden Fußwunden und Amputationen bewahren.
Das Fühlen ist eine oft unterschätzte Sinnesleistung des Menschen. Es entzieht sich meist der bewussten Wahrnehmung. Wer beispielsweise zu lange an einer Stelle steht, wechselt ganz automatisch die Hauptbelastung von einem Fuß auf den anderen. Ähnliches geschieht im Sitzen und im Liegen. So vermeidet der Körper Druckdauerbelastungen, die zu Gewebeschäden bis hin zu offenen Wunden führen können.
Zur Wahrnehmung der Dauerdruckbelastung dient das Warnsystem der peripheren Nervenbahnen, die in der Hautoberfläche enden. Sie führen bis in die kleine Zehenspitze und sorgen außerdem dafür, dass Menschen sensibel auf Berührungen (Kitzeln) reagieren.
Druck- und Temperatursignale nicht mehr richtig übertragen
Chronische Krankheiten wie der Diabetes mellitus führen mit den Jahren zu immer mehr Unterbrechungen der peripheren Nervenbahnen. Die mikroskopisch kleinen Zuckerkristalle schädigen die feinen Nervenbahnen und lassen sie absterben.
„Dadurch können Druck- und Temperatursignale nicht mehr von der Haut bis in das Gehirn und zurück übertragen werden“, sagt Prof. Dr. Peter Mertens, Direktor der Magdeburger Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie. „Nach durchschnittlich einem Jahrzehnt treten bei etwa der Hälfte der Diabetiker derartige periphere Nervenschäden auf.“
Zur Wahrnehmungsstörung kommt die Wundheilungsstörung
Die Betroffenen merken beim Stehen oder Gehen nicht, dass sie Fußzehen, die Ferse oder einen anderen Teil des Fußes zu stark belasten. Deshalb entlasten sie den Fuß oft nicht oder viel zu spät. Im schlimmsten Fall entsteht so ein tiefes Geschwür, ohne dass der Patient es spürt. Ein Sandkorn oder eine kleine Unebenheit im Schuh, die einige Stunden unbemerkt bleiben, können mitunter der Grund für schwerwiegende Gewebezerstörungen und offene Wunden sein.
Hinzu kommt die meist schlechte Wundheilung bei langjährigen Diabetikern. „Es braucht mitunter viele Monate intensiver Pflege und Klinikaufenthalte, bis ein Geschwür ausgeheilt ist. Und nicht immer gelingt es“, sagt Diabetologin Dr. Silke Klose, Oberärztin an der Universitätsklinik. Allein in Deutschland gibt es jährlich rund 45.000 Amputationen, weil die Diabetes-Folgen zu spät erkannt werden.
In der Orthopädieschuhtechnik wird dieses Patientenklientel bisher mit einer sogenannten diabetesadaptierten Fußbettung versorgt. Zur Konstruktion dieser speziellen Einlagen werden über dünne Meßsohlen die unter der Fußsohle enstehenden Druckverhältnisse „im Gang“ gemessen, was in der Diabetesversorgung Standard ist.
„Ziel ist eine individuell maßgefertigte, druckausgleichende Fußbettung“, so Orthopädie-Schuhmachermeister Volker Herbst von der Magdeburger Firma OrthoFit Schuhtechnik GmbH. Doch trotz bestmöglicher Versorgung mit orthopädieschuhtechnischen Hilfsmitteln und täglicher Fußkontrolle können Geschwüre entstehen.
Temperatursensoren in der Sohle sollen es besser machen
Anfang des 21. Jahrhunderts gab es erste Berichte von Forschern aus den USA, wonach regelmäßige Temperaturmessungen an den Füßen von Diabetikern Hinweise auf mögliche Gefahrenstellen für die Entstehung von Geschwüren liefern können. Schon sieben Tage vor der Ausbildung eines Geschwürs stieg die Temperatur an, im Schnitt um 4°C. Durch eine Entlastung des betroffenen Fußes war dann die Ausbildung eines Geschwürs vermeidbar.
Das war die Initialzündung für einen neuartigen technischen Ansatz, gemeinsam entwickelt von den Magdeburger Firmen ifak System und OrthoFit Schuhtechnik GmbH mit Medizinern der Magdeburger Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Diabetologie und Endokrinologie.
Messungen werden per Funk-App aufs Smartphone übermittelt
„In diese neu konstruierte intelligente Einlegesohle wurden außer Drucksensoren zusätzlich auch acht Temperatursensoren in gefährdete Fußsohlenregionen integriert“, erklärt Dipl.-Ing. Fred Samland von der ifak system GmbH. Alle Sensormessungen werden von Computerchips in der Einlegesohle analysiert und per Funk-App auf ein Smartphone (muss beim Patienten vorhanden sein) übertragen.
„Das Display ist denkbar einfach gehalten, um Interpretationsfehler zu vermeiden“, so Dipl.-Ing. Thorsten Szczepanski, Geschäftsführer der ifak system GmbH. Im Prinzip funktioniert es wie eine Straßenampel. Grün signalisiert, alles ist noch im normalen Bereich. Gelb ist ein erster Hinweis, dass der Patient die Belastung ändern sollte. Im roten Bereich ertönt zusätzlich ein Warnton oder ein Vibrationsalarm.
„Bei roter Anzeige sollte die Fußbelastung verändert werden, damit die Gewebedurchblutung verbessert wird“, so Prof. Mertens. „Bei Anstieg der Fußtemperatur soll der Fuß ganz entlastet und auf ein beginnendes Geschwür hin durch den Patienten untersucht werden. Eine Vorstellung bei dem betreuenden Arzt wäre dann der nächste Schritt.“
Tests ergaben eine 95-prozentige Zuverlässigekeit
Bislang haben die Forscher das neuartige Warnsystem an zwanzig Patienten im Stehen getestet. Dabei erwies sich die „intelligente Einlegesohle“ zu 95 Prozent als zuverlässig. Bereits nach 20 bis 30 Minuten signalisieren die Sensoren einen Temperaturabfall an der gefährdeten Stelle und fordern durch die gelbe Ampel zu einer Verhaltensänderung auf.
In den kommenden Monaten wollen die Magdeburger Wissenschaftler 30 neue Patienten mit einer peripheren Nervenbahnstörung und ebenso viele Vergleichspersonen ohne diese Schädigung in eine klinische Studie integrieren.
Für die weitere Zukunft ist vorgesehen, dass Diabetes-Patienten die intelligente Einlegesohle auch mit nach Hause nehmen können. Das Ziel ist, auf diese Weise das Verhalten von Patienten mit Diabetes zur Vermeidung von Geschwüren zu trainieren.
Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Magdeburg
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gingergirl postete ein Update vor 6 Tagen, 20 Stunden
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus -
hexle postete ein Update vor 1 Woche, 1 Tag
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 3 Tagen, 1 Stunde
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*
LG Sndra