„Lösungen schaffen und unterstützen“

4 Minuten

© Kirchheim
„Lösungen schaffen und unterstützen“

Wir haben uns mit Matthias Borst unterhalten, dem Vorsitzenden des Verbandes der Diagnostica-Industrie und Vizepräsidenten für den Bereich Diabetes in Europa bei Becton-Dickinson.

Diabetes-Journal (DJ): Welche Themen stehen beim VDGH derzeit im Vordergrund?

Matthias Borst: Bei der Labordiagnostik geht es darum, dass man die Laborwerte noch mehr präventiv nutzt. Und wir müssen weiter daran arbeiten, den Nutzen der Labordia­gnostik generell nach vorne zu bringen. Ich sage immer: Ohne Labordiagnostik keine Therapie. Und auch: Ohne Labordiagnostik kein Verlauf der Therapie.

DJ: Welchen Stellenwert hat die Diabetologie im Gesamtbereich des VDGH?

Borst: Der Stellenwert wird immer wichtiger. Es gibt, mit Dunkelziffer, vielleicht 10 Millionen Diabetiker in Deutschland. Das sind um 10 Prozent der Bevölkerung, und dadurch hat Diabetes einen ganz hohen Stellenwert, denn wir dürfen nicht vergessen: Wir reden immer nur über die Blutzuckermessung, aber koronare Herzkrankheit, Schlaganfallprophylaxe usw. – da spielt die Labordiagnostik überall eine Rolle. Wir als Diagnostika-Industrie wollen breit unterstützen und breite Lösungen zur Verfügung stellen.

DJ: Wen wollen Sie unterstützen?

Borst: Patienten und Krankenkassen. Wie machen wir das? Indem wir Schulung anbieten. Ein Beispiel: Natürlich würden sie jetzt gleich über die Blutzuckermessung reden – wie bediene ich so ein Gerät? – das kann man relativ schnell lernen. Aber es gibt noch andere Bereiche, um den Diabetes und dadurch auch die Qualität zu verbessern. Es ist nicht genug, wenn der Patient weiß, welche Tasten er drücken muss, sondern er muss wissen: Was mache ich mit dem Ergebnis? Deswegen ist es so wichtig, und da wollen wir auch unterstützen, immer wieder klarzumachen: Das Ganze muss im Zusammenhang gesehen werden – zum Beispiel die Blutzuckermessung und die Insulininjektion beim insulinpflichtigen Dia­betiker. Auch da wissen wir: Eine verbesserte Insulininjektionstechnik kann signifikant das Ergebnis verbessern.

DJ: Was heißt im Zusammenhang mit dem VDGH Schulung?

Borst: Schulung heißt, dass wir als Indus­trie unser Knowhow Diabetesberaterinnen und Ärzten zur Verfügung stellen. Ein Thema, das ganz wichtig ist, gerade in Deutschland im Moment, ist E-Health. Ich glaube, digitale Medien können gerade bei Diabetes sehr positive Unterstützung sein, zum Beispiel mit dem virtuellen Management von Patienten – wir haben ein Ärzteproblem auf dem Land, und mit den neuen digitalen Medien können wir auch da die Patienten hervorragend unterstützen, über die Diabetesberaterin, über den Arzt.

DJ: Welche Ihrer Mitglieder arbeiten konkret an E-Health?

Borst: Generell arbeiten alle Blutzuckermessgerätefirmen an dem Thema der Datenübertragung. Es wird ja immer ein bisschen als Spielerei gesehen, womit man Mittelwerte berechnen kann und anderes. Wenn man aber die Daten nutzt, die einem zur Verfügung stehen, kann man den Patienten wesentlich besser einstellen. Deswegen arbeiten alle Firmen an Managementsystemen. Das heißt: Wie können wir Daten aufbereiten, wie können wir Daten versenden? Und wie können wir dem Patienten Rückmeldung geben?

Es gibt hier bei Berlin eine kleine Startup-­Company, die einen E-Pen, einen digitalen Pen entwickelt hat, der alle Daten speichert. Das ist genau das, was noch gefehlt hat. Wir haben die Daten im Blutzuckermessgerät, wir haben die Daten der Insulinpumpe – aber das hat noch gefehlt: Daten vom Insulinpen zu bekommen. Wenn ich jetzt als Diabetesberater oder Arzt die Daten vom Blutzuckermessgerät und vom Insulinpen habe, kann ich schon viel machen mit dem Patienten. Deswegen ist es auch so wichtig, dass gerade im Bereich der Blutzuckermessung Qualität im Vordergrund steht. Es geht nicht darum, irgendwie einen Messwert zu bekommen, sondern auch sicherzustellen, dass die Messwerte genutzt werden und die Dia­gnostika-Industrie das Knowhow hinter dem Wert zur Verfügung stellt.

DJ: Wer kann Mitglied werden im VDGH?

Borst: Alle Firmen, die im Bereich der Labortechnik oder -diagnostik arbeiten: auf der einen Seite die klassische Labordiagnostik, die Sie aus dem Krankenhaus und aus dem Privatlabor kennen, auf der anderen Seite – neudeutsch – Point-of-­Care-Geräte, also Geräte, die direkt am Patienten angewandt werden, wozu die Blutzuckermessung gehört.

DJ: Mit wem kooperieren Sie in Ihrer täglichen Arbeit?

Borst: Wir kooperieren mit allen Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen: mit den Krankenkassen, mit Instituten wie dem IQWiG. Wir arbeiten mit der Politik, mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und auch natürlich mit Patientenvertretern. Wir wollen sehr faktisch arbeiten, das heißt an Themen. Bleiben wir beim Thema Diabetes. Wir überlegen uns, wer die Entscheidungsträger sind, und versuchen, diese zu unterstützen. Die VDGH-Strategie ist, das Knowhow der Industrie den Entscheidungsträgern zur Verfügung zu stellen, um dadurch eine Gesamtverbesserung der Situation zu bewirken, herzustellen oder überhaupt ein System aufzubauen, in dem die verschiedenen Player am runden Tisch sitzen und die einzelnen Expertisen genutzt werden.

DJ: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit diabetesDE aus?

Borst: diabetesDE ist ein ganz wichtiger Partner für uns. Beim Fußballspiel im Mai FC Bundestag gegen FC Diabetologie haben die Mitglieds­unternehmen den Politikern und jedem, der wollte, den Blutzucker gemessen: während des Spiels, nach dem Spiel – und tatsächlich auch gezeigt, wie sich Dinge verändern. Es ist eine finanzielle und eine ideelle Unterstützung gewesen, auch eine Sachunterstützung. Es muss jeder Entscheidungsträger verstehen, dass Dia­betes nicht ein isoliertes Krankheitsbild ist, sondern einen volkswirtschaftlichen Einfluss hat. Das Thema kann nur gemeinsam angegangen werden – mit Politik, mit Selbstverwaltung, mit Indu­strie und mit allen Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen.

DJ: Was wünschen Sie sich?

Borst: Was ich mir im Verband wünsche, das haben wir im Prinzip schon erreicht: dass wir zum Beispiel im ­VDGH eine Arbeitsgruppe haben, die sich nur mit dem Thema Diabetes beschäftigt – das schon seit einigen Jahren – und wir dadurch die Zusammenarbeit mit diabetesDE begonnen haben. Da sage ich, wir haben den richtigen Weg. Wir sind sicher noch nicht am Ziel. Hier müssen wir uns überlegen: Was können wir noch an zusätzlichem Service anbieten?

Was ich mir generell wünschen würde, ist, dass über den Diabetes in genau der gleichen Offenheit gesprochen wird wie über andere Erkrankungen und dass Dia­betes den gleichen Stellenwert hat und wir gemeinsam versuchen, über Aufklärung und Präventionsmaßnahmen die Prävalenz zu reduzieren. Woran wir auch, finde ich, arbeiten müssen, ist der Prädiabetes: dass er mehr erkannt wird und man nicht erst wartet, bis der Diabetes tatsächlich ausgebrochen ist.

DJ: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Interview: Dr. Katrin Kraatz
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-online.de

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 3 Tagen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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