„Lösungen schaffen und unterstützen“

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© Kirchheim
„Lösungen schaffen und unterstützen“

Wir haben uns mit Matthias Borst unterhalten, dem Vorsitzenden des Verbandes der Diagnostica-Industrie und Vizepräsidenten für den Bereich Diabetes in Europa bei Becton-Dickinson.

Diabetes-Journal (DJ): Welche Themen stehen beim VDGH derzeit im Vordergrund?

Matthias Borst: Bei der Labordiagnostik geht es darum, dass man die Laborwerte noch mehr präventiv nutzt. Und wir müssen weiter daran arbeiten, den Nutzen der Labordia­gnostik generell nach vorne zu bringen. Ich sage immer: Ohne Labordiagnostik keine Therapie. Und auch: Ohne Labordiagnostik kein Verlauf der Therapie.

DJ: Welchen Stellenwert hat die Diabetologie im Gesamtbereich des VDGH?

Borst: Der Stellenwert wird immer wichtiger. Es gibt, mit Dunkelziffer, vielleicht 10 Millionen Diabetiker in Deutschland. Das sind um 10 Prozent der Bevölkerung, und dadurch hat Diabetes einen ganz hohen Stellenwert, denn wir dürfen nicht vergessen: Wir reden immer nur über die Blutzuckermessung, aber koronare Herzkrankheit, Schlaganfallprophylaxe usw. – da spielt die Labordiagnostik überall eine Rolle. Wir als Diagnostika-Industrie wollen breit unterstützen und breite Lösungen zur Verfügung stellen.

DJ: Wen wollen Sie unterstützen?

Borst: Patienten und Krankenkassen. Wie machen wir das? Indem wir Schulung anbieten. Ein Beispiel: Natürlich würden sie jetzt gleich über die Blutzuckermessung reden – wie bediene ich so ein Gerät? – das kann man relativ schnell lernen. Aber es gibt noch andere Bereiche, um den Diabetes und dadurch auch die Qualität zu verbessern. Es ist nicht genug, wenn der Patient weiß, welche Tasten er drücken muss, sondern er muss wissen: Was mache ich mit dem Ergebnis? Deswegen ist es so wichtig, und da wollen wir auch unterstützen, immer wieder klarzumachen: Das Ganze muss im Zusammenhang gesehen werden – zum Beispiel die Blutzuckermessung und die Insulininjektion beim insulinpflichtigen Dia­betiker. Auch da wissen wir: Eine verbesserte Insulininjektionstechnik kann signifikant das Ergebnis verbessern.

DJ: Was heißt im Zusammenhang mit dem VDGH Schulung?

Borst: Schulung heißt, dass wir als Indus­trie unser Knowhow Diabetesberaterinnen und Ärzten zur Verfügung stellen. Ein Thema, das ganz wichtig ist, gerade in Deutschland im Moment, ist E-Health. Ich glaube, digitale Medien können gerade bei Diabetes sehr positive Unterstützung sein, zum Beispiel mit dem virtuellen Management von Patienten – wir haben ein Ärzteproblem auf dem Land, und mit den neuen digitalen Medien können wir auch da die Patienten hervorragend unterstützen, über die Diabetesberaterin, über den Arzt.

DJ: Welche Ihrer Mitglieder arbeiten konkret an E-Health?

Borst: Generell arbeiten alle Blutzuckermessgerätefirmen an dem Thema der Datenübertragung. Es wird ja immer ein bisschen als Spielerei gesehen, womit man Mittelwerte berechnen kann und anderes. Wenn man aber die Daten nutzt, die einem zur Verfügung stehen, kann man den Patienten wesentlich besser einstellen. Deswegen arbeiten alle Firmen an Managementsystemen. Das heißt: Wie können wir Daten aufbereiten, wie können wir Daten versenden? Und wie können wir dem Patienten Rückmeldung geben?

Es gibt hier bei Berlin eine kleine Startup-­Company, die einen E-Pen, einen digitalen Pen entwickelt hat, der alle Daten speichert. Das ist genau das, was noch gefehlt hat. Wir haben die Daten im Blutzuckermessgerät, wir haben die Daten der Insulinpumpe – aber das hat noch gefehlt: Daten vom Insulinpen zu bekommen. Wenn ich jetzt als Diabetesberater oder Arzt die Daten vom Blutzuckermessgerät und vom Insulinpen habe, kann ich schon viel machen mit dem Patienten. Deswegen ist es auch so wichtig, dass gerade im Bereich der Blutzuckermessung Qualität im Vordergrund steht. Es geht nicht darum, irgendwie einen Messwert zu bekommen, sondern auch sicherzustellen, dass die Messwerte genutzt werden und die Dia­gnostika-Industrie das Knowhow hinter dem Wert zur Verfügung stellt.

DJ: Wer kann Mitglied werden im VDGH?

Borst: Alle Firmen, die im Bereich der Labortechnik oder -diagnostik arbeiten: auf der einen Seite die klassische Labordiagnostik, die Sie aus dem Krankenhaus und aus dem Privatlabor kennen, auf der anderen Seite – neudeutsch – Point-of-­Care-Geräte, also Geräte, die direkt am Patienten angewandt werden, wozu die Blutzuckermessung gehört.

DJ: Mit wem kooperieren Sie in Ihrer täglichen Arbeit?

Borst: Wir kooperieren mit allen Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen: mit den Krankenkassen, mit Instituten wie dem IQWiG. Wir arbeiten mit der Politik, mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss und auch natürlich mit Patientenvertretern. Wir wollen sehr faktisch arbeiten, das heißt an Themen. Bleiben wir beim Thema Diabetes. Wir überlegen uns, wer die Entscheidungsträger sind, und versuchen, diese zu unterstützen. Die VDGH-Strategie ist, das Knowhow der Industrie den Entscheidungsträgern zur Verfügung zu stellen, um dadurch eine Gesamtverbesserung der Situation zu bewirken, herzustellen oder überhaupt ein System aufzubauen, in dem die verschiedenen Player am runden Tisch sitzen und die einzelnen Expertisen genutzt werden.

DJ: Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit diabetesDE aus?

Borst: diabetesDE ist ein ganz wichtiger Partner für uns. Beim Fußballspiel im Mai FC Bundestag gegen FC Diabetologie haben die Mitglieds­unternehmen den Politikern und jedem, der wollte, den Blutzucker gemessen: während des Spiels, nach dem Spiel – und tatsächlich auch gezeigt, wie sich Dinge verändern. Es ist eine finanzielle und eine ideelle Unterstützung gewesen, auch eine Sachunterstützung. Es muss jeder Entscheidungsträger verstehen, dass Dia­betes nicht ein isoliertes Krankheitsbild ist, sondern einen volkswirtschaftlichen Einfluss hat. Das Thema kann nur gemeinsam angegangen werden – mit Politik, mit Selbstverwaltung, mit Indu­strie und mit allen Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen.

DJ: Was wünschen Sie sich?

Borst: Was ich mir im Verband wünsche, das haben wir im Prinzip schon erreicht: dass wir zum Beispiel im ­VDGH eine Arbeitsgruppe haben, die sich nur mit dem Thema Diabetes beschäftigt – das schon seit einigen Jahren – und wir dadurch die Zusammenarbeit mit diabetesDE begonnen haben. Da sage ich, wir haben den richtigen Weg. Wir sind sicher noch nicht am Ziel. Hier müssen wir uns überlegen: Was können wir noch an zusätzlichem Service anbieten?

Was ich mir generell wünschen würde, ist, dass über den Diabetes in genau der gleichen Offenheit gesprochen wird wie über andere Erkrankungen und dass Dia­betes den gleichen Stellenwert hat und wir gemeinsam versuchen, über Aufklärung und Präventionsmaßnahmen die Prävalenz zu reduzieren. Woran wir auch, finde ich, arbeiten müssen, ist der Prädiabetes: dass er mehr erkannt wird und man nicht erst wartet, bis der Diabetes tatsächlich ausgebrochen ist.

DJ: Herzlichen Dank für das Gespräch.


Interview: Dr. Katrin Kraatz
Kirchheim-Verlag, Kaiserstraße 41, 55116 Mainz,
Tel.: (0 61 31) 9 60 70 0, Fax: (0 61 31) 9 60 70 90,
E-Mail: redaktion@diabetes-online.de

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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