Krankenhausreform: DDB sieht Mängel bei Sicherheit und Versorgung

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Krankenhausreform: DDB sieht Mängel bei Sicherheit und Versorgung

Die Krankenhausreform hat grundsätzlich drei Ziele:

  • die Behandlungsqualität zu sichern und zu steigern,
  • flächendeckende medizinische Versorgung zu gewährleisten und
  • Bürokratie abzubauen.

Im Kern sieht das Gesetz vor, Krankenhäuser künftig zu einem Großteil über ein Vorhalte-Budget zu finanzieren. Das bedeutet: Sie bekommen eine feste Vergütung dafür, dass sie bestimmte Leistungen „vorhalten“, sie also im Bedarfsfall anbieten können. Diese Vergütung bekommen die Einrichtungen unabhängig davon, ob und wie oft sie die Leistungen in einem Jahr tatsächlich erbringen. Das lenkt das System weg von der Fokussierung auf solche Leistungen, die gemäß Fallpauschalen besonders einträglich für die Häuser sind. Die Vorhalte-Vergütung, die einen Teil der Kosten deckt, soll zudem ein „Massensterben“ von Kliniken verhindern. Viele Häuser wirtschaften derzeit am Rand der Kosten-Deckung. Die Reform soll gerade kleineren Kliniken ihr Überleben sichern.

Die Vergütung der Leistungen ist daran gebunden, dass die Krankenhäuser einheitlich festgelegte Qualitäts-Standardserfüllen. Das Gesetz sieht derzeit 65 Leistungsgruppen vor, in denen festgelegt wird, welche Standards zu erfüllen sind und wie deren Vorhaltung vergütet wird. Das wird auch bedeuten, dass kleinere Häuser, die bestimmte Leistungen nur selten erbringen und darauf nicht optimal ausgelegt sind, die entsprechende Leistungsgruppe nicht anerkannt bekommen oder eventuell ganz geschlossen werden. Die Verteilung und Angebote der Krankenhäuser in einer Region zu planen, fällt in die Verantwortung der Länder.

Versorgungszentren sollen wohnortnah ärztliche und pflegerische Versorgung anbieten

Krankenhäuser sollen zum Teil durch „sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen“ ergänzt oder ersetzt werden, kleinere können zu einer solchen Einrichtung umgebaut werden. Diese Versorgungszentren werden wohnortnah ärztliche und pflegerische Versorgung anbieten. Um Bürokratie abzubauen, sollen die Prüfungen der Krankenhäuser durch den Medizinischen Dienst vereinheitlicht werden und grundsätzlich digital dokumentiert werden. Die Festlegung bundeseinheitlicher Qualitäts-Anforderungen soll den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) entlasten.

Finanziert werden soll die Umstrukturierung der Kliniklandschaft aus einem Transformations-Fonds, den Bund und Länder eingerichtet haben. Allerdings nimmt der Bund seinen Anteil von 25 Milliarden Euro zumindest zum Teil aus dem Gesundheitsfonds, in den auch Beiträge der Mitglieder gesetzlicher Krankenversicherungen einfließen. Dieses Finanzierungs-Modell ist aus verschiedenen Gründen sowohl unter Bürgerinnen und Bürgern als auch unter Fachleuten umstritten.

DDB-Vorsitzende Sandra Schneller im Interview:

Was bringt die Reform für Menschen mit Diabetes? Welche Chancen oder Risiken bergen die strukturellen Veränderungen im System?

Derzeit leben in Deutschland etwa 9 Millionen Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes. Diabetes gehört zu den Erkrankungen, die verschiedene Bereiche der Versorgung beanspruchen und zusammenführen – von der Fußpflege über die Vorsorge für Gefäße und Organe bis hin zur Augenheilkunde oder Transplantations-Chirurgie. Sind Menschen mit Diabetes in den vorgesehenen interdisziplinär ausgestatteten Versorgungs-Einrichtungen eventuell sogar besonders gut aufgehoben?

Sandra Schneller: Ein Diabetes mit seinen zahlreichen schweren Folgeerkrankungen sollte grundsätzlich in solchen interdisziplinären Einrichtungen gut versorgt sein – vorausgesetzt, dass alle versorgungsrelevanten Daten (Diagnosen und Therapien) sinnvoll und effektiv mit dem Patienten zusammen abgestimmt werden können. Gleichzeitig lässt das Vorhaben der Bundesregierung, Krankenhäusern zukünftig fast überall die Möglichkeit zu geben, hausärztliche Versorgung anzubieten, auch Befürchtungen aufkommen: Ist die hausärztliche Versorgung in den ländlichen Gebieten noch sichergestellt, wenn entsprechend qualifizierte Ärzte bevorzugt in den Zentren arbeiten? Durch die Ballung der verschiedenen Arme der Versorgung auf die Versorgungszentren sind ohnehin für viele Patienten unter Umständen weitere Wege in Kauf zu nehmen. Die Mehrzahl der Menschen mit Diabetes ist fortgeschrittenen Alters und meist auch nicht mehr so mobil. Die Versorgung dieser großen Patientengruppe könnte deutlich beeinträchtigt sein.

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin sowie die Deutsche Diabetes Gesellschaft bemängeln, dass die Krankenhausreform nicht genügend finanzielle und personelle Mittel für die fachärztliche Weiterbildung vorsieht. Inwiefern kann das für Menschen mit Diabetes zum Nachteil werden?

Schneller: Dass Gelder für Forschung, Wissenschaft und Weiterbildung in so überschaubarem Maß bereitgestellt werden, führt früher oder später zu einer schlechteren Versorgung; einer Versorgung nämlich, die nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik ist. In diesem Bereich zu sparen, mündet in unüberschaubare Kosten im Gesundheitssystem, verursacht durch vermeidbare Folgeerkrankungen und deren zusätzliche Therapiekosten bei Millionen von Betroffenen.

Das Gesetz soll das Krankenhaussystem entbürokratisieren. Trotzdem wird ein neues Gremium eingerichtet, das über die Qualitätskriterien und -standards entscheidet, nach denen die Leistungsgruppen der Krankenhäuser beurteilt werden. Ist dieses neue Gremium nötig?

Schneller: Qualität als Erfüllung von Anforderungen wird im Moment durch den G-BA ausgestaltet. Sie muss sich an den Bedarfen von Patientinnen und Patienten und im Weiteren an denen der Bevölkerung ausrichten. Deshalb wurde die Patienten-Beteiligung im G-BA gesetzlich verankert, allerdings werden sie zu wenig in die Prozesse einbezogen und haben kein Mitbestimmungsrecht. Es besteht also weiterhin Verbesserungsbedarf in der Versorgungs-Steuerung und vor allem sehen wir Defizite in der Qualität der Patientensicherheit. Das Sicherheitsdefizit entsteht nicht zuletzt dadurch, dass die Leistungserbringer nur mangelhaft vernetzt sind. Gerade bei Diabetes mit Folgeerkrankungen ist eine Abstimmung zwischen den Fachärzten dringend notwendig. Dass diese mit einem neuen, zusätzlichen, Kosten verursachenden Gremium herbeizuführen ist, bezweifele ich.



von Dr. Ulrike Schneeweiß

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