Digitale Gesundheitsanwendungen – kurz DiGA – sind Apps oder Web-basierte Anwendungen, die beispielsweise Menschen mit Diabetes darin unterstützen können, ihre Symptome zu beobachten und ihre eigene Therapie zu managen. Der DDB fordert, dass solche Anwendungen Betroffenen schneller zur Verfügung stehen.
Seit 2020 können Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten DiGA verordnen. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten die Kosten, wenn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Anwendung geprüft und in sein Verzeichnis der erstattungsfähigen DiGA aufgenommen hat, zu finden unter diga.bfarm.de.
Schnelle Zulassung? Magere Ausbeute!
Das Zulassungsverfahren ist als Fast-Track konzipiert. Nicht länger als drei Monate soll es dauern, bis das BfArM entscheidet, ob eine DiGA in das Verzeichnis aufgenommen wird. Reichen die Daten oder Ergebnisse vorgelegter Studien zur Wirkung einer DiGA nicht aus, kann das BfArM diese Anwendung auch vorläufig zulassen und weitere Ergebnisse fordern. Für 212 DiGA haben Hersteller bis heute einen Antrag auf Zulassung gestellt, 64 sind derzeit verschreibungsfähig – darunter Apps, die das Management von Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder psychischen Erkrankungen unterstützen. Ganze sechs Anwendungen für den Einsatz bei Diabetes haben den Weg ins BfArM-Verzeichnis geschafft (Stand: 2.10.2024) – fünf beziehen sich auf das Management von Typ-2-Diabetes. Die sechste soll Menschen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes helfen, Depressionen zu lindern. Vier der sechs DiGA sind vorläufig zugelassen, nur zwei haben bisher den Status „Dauerhaft aufgenommen“ erworben. Das wirkt wie eine recht magere Ausbeute.
Dabei entwickelt sich die Technik laufend weiter und viele findige Tüftler werfen Ideen auf den Markt, die das Leben von Menschen mit Diabetes deutlich verbessern könnten. „Bei einer komplexen Erkrankung wie dem Diabetes zählen viele verschiedene Facetten: die Ernährung, der individuelle Stoffwechsel, der Lebensstil“, sagt DDB-Vorsitzende Sandra Schneller. „Da ist es besonders wichtig, offen für innovative technische Unterstützung zu sein: Was können Ärztinnen verordnen, damit die betroffenen Menschen sich mit ihrer gesundheitlichen Situation auseinandersetzen?” Schneller sieht in DiGA wertvolle Werkzeuge, die Selbstwahrnehmung zu schärfen.
Rabatt-Verträge eher hinderlich
Als eher hinderlich für die breite Verfügbarkeit solcher Tools bewertet Sandra Schneller regionale Rabatt-Verträge, die einzelne Krankenkassen mit Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen abschließen. „Es ist den Patient:innen schwer zu vermitteln, warum jemand im Nachbarort jenseits der Landesgrenze eine App erstattet bekommt und ich nicht“, sagt sie. „Schließlich bezahlen bundesweit alle gesetzlich Versicherten den gleichen Beitrag.“
Der zügigen Einführung von DiGA, zumindest in einer vorläufigen Testphase, scheint häufig auch das Pochen auf „evidenzbasierte Medizin“ gegenüberzustehen. Natürlich sind Forderungen nach belastbaren Studien-Ergebnissen, die positive Wirkungen einer Therapie versprechen, an sich berechtigt. „Wir sprechen hier allerdings von nicht invasiven Beobachtungs-Methoden“, betont Sandra Schneller. „Wo das Risiko so gering ist, kann man sich schon fragen, welchen Mehrwert es für die potenziellen Nutzer:innen bringt, auf die Ergebnisse langwieriger, aufwendiger Studien zu warten.“ Wie also einen Weg finden, vielversprechende digitale Tools mit geringem Risiko für die Nutzenden zügig in die Anwendung zu bringen?
Studie soll Versorgung verbessern
Diese Frage ist Teil der Studie „ImplementDiGA“ der Technischen Universität (TU) Dresden in Kooperation mit verschiedenen Krankenkassen, die der Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für drei Jahre finanziell fördert. Sie soll die Implementierungs-Prozesse von DiGA und deren Wirkung untersuchen. „Die Ergebnisse aus dem Projekt sollen zu einer zielgerichteten Weiterentwicklung der Versorgung mit DiGA beitragen, insbesondere des DiGA-Angebots-, des Zulassungs- und Verordnungsverfahrens sowie der Preisgestaltung“, heißt es auf der Website des G-BA. Der DDB begrüßt die Studie. „Entscheidend ist, die Versorgung der Patientinnen und Patienten möglichst schnell und effizient zu verbessern“, sagt Sandra Schneller.
von Dr. Ulrike Schneeweiß
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2024; 72 (11) Seite 58-59