Den „Treffpunkt Diabetes online“ des DDB gibt es auch in diesem Jahr wieder mit spannenden Themen. Anfang des Jahres war der Psychologe Prof. Dr. Bernhard Kulzer aus Bad Mergentheim zu Gast. Er sprach über die Bedrohung durch Folgeerkrankungen als Stressfaktor für Menschen mit Diabetes. Und er zeigte auf, wie wir dem Stress entgegenwirken können.
„Das Gespenst der Folgeerkrankungen ist eine ständige Belastung im Alltag von Menschen mit Diabetes“, sagte Bernhard Kulzer, einer der Leiter des Forschungsinstituts Diabetes-Akademie Mergentheim (FIDAM). Das Gemeine an der Sorge und Angst vor Folgeerkrankungen sei, dass Menschen die Wirkungen ihres Handelns im Alltag nicht direkt spüren können.
Sei es Therapie, Sport oder Ernährungsverhalten: „Der Gewinn für das, was wir jetzt tun, liegt in einer unbestimmten Zukunft.“ Zudem ist der Zusammenhang zwischen dem Handeln im Jetzt und dem Auftreten einer Folgeerkrankung unsicher. „Diese Unsicherheit macht die Sorge vor Folgeerkrankungen so virulent“, sagt der Psychologe.
Gleichzeitig kann das Wissen um mögliche Folgen des Diabetes auch Motivation liefern. „Die Angst vor Folgeerkrankungen ist die wichtigste Motivationsquelle für das anstrengende Management des Alltags mit der Grunderkrankung.“
Balance finden zwischen Sorge und Sorglosigkeit
„Entscheidend ist das Ausmaß der Sorge“, brachte Bernhard Kulzer es auf den Punkt. Jüngere Menschen leben zum Beispiel häufig eher sorglos, was im Umgang mit einem Diabetes auch eine Gefahr darstellen kann. Zu viele Sorgen dagegen können ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen bedeuten.
Die Rate an Depressionen liegt bei Menschen mit Diabetes etwa doppelt so hoch wie beim Durchschnitt der Bevölkerung.
Befördert wird das Auftreten der psychischen Erkrankung nicht selten von Stress. Im Alltag belastet Menschen mit Diabetes besonders die Angst vor Blutzucker-Schwankungen und hohen Glukosewerten. „Was dahintersteckt, ist auch das Wissen um die langfristigen Auswirkungen der Schwankungen, also die Sorge vor Folgeerkrankungen“, erklärte Bernhard Kulzer.
Resilienz lässt sich trainieren
Was hilft also, dem Stress entgegenzuwirken und sein Leben selbstbestimmt und möglichst angstfrei zu gestalten? Einen Schutzschirm namens Resilienz stellte der Psychologe und Experte in Sachen Diabetes den Teilnehmenden an diesem Abend vor. „Resilienz ist sowas wie das Immunsystem der Seele“, erklärte er. Die Eigenschaft schützt Menschen vor allzu schweren Auswirkungen negativer Einflüsse aus ihrer Umwelt. Und die gute Nachricht: Resilienz lässt sich trainieren.
Eine Grundsäule der Resilienz ist die Akzeptanz der eigenen Krankheit. Das ist leicht gesagt, wenn die Glukosewerte einem den Start in den Tag vermasseln, die Insulinpumpe spinnt und die Support-Hotline unerreichbar ist oder wenn der Diabetes zu Ausgrenzung und zwischenmenschlichen Konflikten beiträgt. Es gibt aber Strategien, die eigene Akzeptanz auszubauen, die jede und jeder Betroffene erlernen kann.
Um Resilienz zu stärken und zu erhalten, ist auch die Selbstfürsorge wichtig. „Es gilt, eine gute Balance zwischen den Anforderungen des Alltags und Zeiten der Entspannung für sich selbst zu finden“, sagte Bernhard Kulzer. Und auch das kann man lernen! Ausgeruht und entspannt kann man mit auftretenden Problemen gelassener umgehen und konstruktive Lösungen finden.
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (7) Seite 60-61