Die Selbsthilfe-Verbände in Deutschland sind traditionell Mitgliedsverbände des Paritätischen Wohlfahrtsverbands (Paritäter) als Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege. Daneben gibt es weitere Spitzenverbände: die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Caritas, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Lebenshilfe und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST).
Die Mitwirkung der Selbsthilfe-Verbände innerhalb der Paritäter-Familie spielt sich auf zwei Ebenen ab: In den Bundesländern sind viele Verbände der Selbsthilfe den Paritätischen Landesorganisationen angegliedert, während die Bundesverbände der Selbsthilfe wie die Deutsche Diabetes Föderation oder der Deutsche Diabetiker Bund als überregionale Mitglieds-Organisationen dem Paritätischen Gesamtverband angehören. Woher kommt diese enge Verbindung?
Zum einen waren einige Selbsthilfe-Verbände an der Gründung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands vor 100 Jahren unmittelbar beteiligt und haben dessen Gene mitgeprägt. Zum anderen sind es die Grundsätze wie Parität, Pluralität, Gleichberechtigung und Unabhängigkeit, die uns Akteuren der Selbsthilfe so sympathisch und so nah sind.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband unterscheidet sich nämlich von anderen Wohlfahrtsverbänden, weil er keiner religiösen oder ideologischen Richtung verpflichtet ist. Dies macht ihn besonders attraktiv für Selbsthilfe-Organisationen, die oft auch unterschiedliche Gruppen und Interessen vereinen. Selbsthilfe-Gruppen arbeiten auf der Grundlage von Selbstbestimmung, Eigeninitiative, Inklusion und Betroffenen-Kompetenz und der Paritätische fördert und lebt genau diese Prinzipien besonders.
Mitgliedschaft der Selbsthilfe bei Paritätern: keine Vorgaben bei Organisation oder Inhalten
Es gibt aber auch einen ganz praktischen Grund, warum wir Selbsthilfe-Verbände heute meist im Paritätischen organisiert sind: Als die Selbsthilfe-Bewegung in Deutschland in den 1970er- und 80er-Jahren einen intensiven Aufschwung erlebte, war es der Paritätische Wohlfahrtsverband, der mit seiner offenen Struktur ausdrücklich bereit war, die neu gegründeten Verbände der Selbsthilfe unkompliziert aufzunehmen, und ihnen keine Vorgaben bei Organisation oder Inhalten machte. Er erkannte unsere Kompetenz an und gab uns Heimat und Stimme.
Nun sind wir nicht nur im Paritätischen, weil sich das quasi „historisch“ so entwickelt hat, sondern weil es auch handfeste Vorteile hat, dass wir Mitgliedsverbände eines Spitzenverbands der freien Wohlfahrtspflege sind. Der Paritätische bietet nämlich organisatorische Beratung, rechtliche Unterstützung, Finanzierungshilfen und politische Interessenvertretung in Ländern und Bund an.
Wenn der Präsident des Paritätischen sich zu Wort meldet, wird er gehört – ganz gleich, ob dies in der Öffentlichkeit und den Medien, gegenüber höchsten staatlichen Stellen oder im vertraulichen Gespräch mit politischen Entscheidern ist. Das Wort der Paritäter hat Gewicht. Und damit haben auch wir Verbände der Selbsthilfe mehr Gewicht. Dieses Gewicht und diese starke Stimme werden wir in den nächsten Jahren des zu erwartenden sozial- und gesundheitspolitischen Umbruchs auch dringend benötigen.
Zusammengefasst lässt sich also sagen: Die Selbsthilfe hat im Paritätischen Wohlfahrtsverband eine wertebasierte, unterstützende und unabhängige Heimat, in der Vielfalt, Selbstbestimmung, Wertschätzung und Inklusion eine große Bedeutung haben – wie bei uns!
von Leonhard Stärk, Vorsitzender des Vorstands (DDF)
Erschienen in: Diabetes-Anker, 2025; 73 (4) Seite 66-67