Haftet der Hersteller Abbott für Hautreaktionen auf das FreeStyle Libre?

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Haftet der Hersteller Abbott für Hautreaktionen auf das FreeStyle Libre?

Bei mir persönlich funktioniert das FreeStyle Libre prima: Der Sensor misst plausible Werte, deren Durchschnitt zuletzt sogar exakt mit dem im Labor ermittelten HbA1c-Wert übereinstimmten. Wenn sich mal ein Sensor vorzeitig verabschiedet hat, dann war es eigentlich immer meine eigene Schuld (Stichwort: Türrahmen oder BH-Träger). Und meine Haut verträgt den Klebstoff ohne jegliche Probleme. Bingo.

Es gibt allerdings etliche Anwender, bei denen es nicht so problemlos läuft, weil sie mit zum Teil doch erheblichen Hautreaktionen auf den Sensor und/oder den verwendeten Klebstoff zu kämpfen haben. Nicht alle wollen klein beigeben und deswegen auf das Messsystem verzichten. In den einschlägigen Facebook-Gruppen kursieren daher diverse Anleitungen, wie man den Sensor anbringen kann, ohne dass der Klebstoff direkt mit der Haut in Berührung kommt.

Für einige funktionieren die Methoden gut, andere haben das Nonplusultra in diesem Punkt noch nicht gefunden. Besonders gründlich hat Sascha von Sugartweaks die verschiedenen Lösungsansätze unter die Lupe genommen.

Volle Produkthaftung wegen Direktvertriebs des FreeStyle Libre?

Weil ich seine Selbstversuche auch als Nicht-Betroffene sehr interessant fand, machte ich einen Bekannten (Arzt, ebenfalls Typ-1-Diabetiker und FreeStyle-Libre-Anwender), der sich ebenfalls mit Hautreaktionen auf den Sensor herumärgert, auf Saschas Blogbeitrag aufmerksam. Er brachte mich erstmals auf die Idee, mich mit der Frage der Produkthaftung zu beschäftigen: „Abbott macht im Beipackzettel nicht auf die möglichen schweren lokalen allergischen Reaktionen aufmerksam, welche bleibende Hautschäden (Hyper- und Depigmentierungen, bleibende Hautrötungen…), ggf. bei sensiblen Allergikern sogar potenziell lebensbedrohliche Folgen auslösen können. Da Abbott dieses Medizinprodukt ohne ärztliche Verordnung direkt vertreibt, besteht m. E. eine volle Produkthaftung.“ Damit war meine Neugier geweckt und ich begann zu recherchieren. Ich bat andere Anwender um Fotos von ihren Hautreaktionen und hatte rasch eine recht gruselige Kollektion beisammen.

Deliktshaftung nach BGB oder Produkthaftung nach ProdHG?

Ein Fachanwalt für Medizinrecht erklärte mir erst einmal, auf welche Gesetze man sich ggf. berufen kann, wenn man den Hersteller eines Medizinprodukts für unerwünschte Nebenwirkungen haftbar machen möchte: Diese sind zum einen die Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuches (Deliktshaftung) oder des Produkthaftungsgesetzes (ProdHG). Ob die Voraussetzungen der Deliktshaftung vorliegen, hängt davon ab, ob dem Hersteller ein Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf die Konstruktion, die Produktion oder die Instruktion vorzuwerfen ist.

Im Falle des FreeStyle Libre liegt das Problem vor allem bei der Instruktion, sprich: Aufklärung. Abbott weist im Beipackzettel des Startersets (1 Lesegerät und 2 Sensoren) und des Lesegeräts zwar darauf hin, dass es bei einigen der Probanden (unter 9%) in den Zulassungsstudien zu Hautproblemen (Ödeme, Ausschlag, Verhärtungen, Bluterguss oder Blutung) gekommen war.

In den Beipackzetteln der einzelnen Sensoren, die ein Anwender in der Folge immer wieder im Onlineshop nachbestellt, fehlt dieser Hinweis jedoch. Dabei treten die Hautreaktionen bei vielen Betroffenen nicht gleich beim allerersten Einsatz des Systems auf. Häufig kommt es erst beim sechsten, siebten oder achten Sensor zu den beschriebenen Problemen – sprich: zu einem Zeitpunkt, an dem ein Anwender aller Wahrscheinlichkeit nach den Beipackzettel des allerersten Produkts des Messsystems längst entsorgt hat.

Reicht der Hinweis auf Hautreaktionen im Starterset wirklich aus?

Natürlich erkundigte ich mich auch bei Abbott, wie man zu diesem Problem steht. Ich erhielt die Antwort, dass man den Hinweis auf dem Beipackzettel des Startersets bzw. des Lesegeräts für ausreichend hält, um den gesetzlich vorgeschriebenen Instruktionspflichten zu genügen.

Der Anwalt Oliver Ebert, Spezialist für Diabetes und Recht, den ich als Nächstes fragte, ist sich da nicht so sicher. Er erklärte mir: „Nach dem Produkthaftungsgesetz ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es hinsichtlich Konstruktion, Fabrikation und gegebenenfalls beizugebender Instruktion nicht die notwendige Sicherheit bezüglich Gesundheitsgefahren bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet wird. Vor diesem Hintergrund könnte man durchaus zum Schluss kommen, dass im Sinne der Produktsicherheit jedem Sensor ausreichende Instruktionen bzw. etwaige Sicherheits-/Warnhinweise beiliegen müssten.“

Ob ein für die Produkthaftung erforderlicher Produktfehler vorliegt, lässt sich im Einzelfall allerdings vermutlich nur gutachterlich bzw. vor Gericht klären. Oliver Ebert sind bislang keine Fälle bekannt, in denen Nutzer des FreeStyle Libre Klage gegen den Hersteller Abbott eingereicht hätten.

Nicht nur ein Lifestyle-Produkt, sondern ein Medizinprodukt

Es geht mir nicht darum, Verhältnisse wie in den USA herbeizuschwören, wo Verbraucher die Hersteller von Produkten zum Teil wegen alberner Lappalien auf horrende Schadensersatzsummen verklagen. Natürlich kann man die Auffassung vertreten, dass es viele Produkte gibt, die Allergien auslösen, ohne dass dies extra auf der Packung angegeben wird. Zum Beispiel gewöhnliche Hautpflaster aus der Apotheke. Wer allergisch reagiert, muss dann halt auf das entsprechende Produkt verzichten oder auf ein anderes ausweichen – auf ein hypoallergenes Pflaster zum Beispiel.

Nun wissen wir aber alle, dass es bislang keine hypoallergene Alternative zum FreeStyle Libre gibt. Und zum anderen wird das FreeStyle Libre gerade neuerdings, seit die Lieferengpässe überwunden sind, intensiv beworben. Neuerdings gibt es sogar einen Fernseh-Spot – und zwar ohne jeglichen Hinweis auf Risiken oder Nebenwirkungen oder, dass man sich für eine Schulung oder Einweisung an seinen behandelnden Arzt wenden sollte.

In meinen Augen ist das FreeStyle Libre aber nicht einfach ein Lifestyle-Produkt, das Diabetikern das gewisse Extra an Komfort im Alltag verschafft. Sondern es ist ein Medizinprodukt mit Erklärungsbedarf, über dessen Risiken und Nebenwirkungen der Anwender gründlich aufgeklärt werden sollte – und zwar auf dem Beipackzettel jedes einzelnen Sensors.

 

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

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    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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