Raus aus der Tabuzone: Wir reden jetzt über Diabetes und den weiblichen Zyklus!

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Raus aus der Tabuzone: Wir reden jetzt über Diabetes und den weiblichen Zyklus!

Es ist noch nicht lange her, da schilderte ich hier in der Blood Sugar Lounge unter dem Titel „50 Shades of Sweat“ , mit welchen verschiedenen Sorten von Schweißausbrüchen ich es neuerdings zu tun habe. Meine Situation damals: Meine Schilddrüse verabschiedete sich gerade langsam aus ihrer vorübergehenden Überfunktion, wie sie für eine Hashimoto-Unterfunktion zu Beginn typisch ist. Eine überaktive Schilddrüse kann einem gelegentlich heftige nächtliche Hitze-Flashs und damit verbundene Schweißausbrüche bescheren. Parallel dazu hatte ich mir im Sommer bei meinem letzten Gynäkologen-Termin turnusmäßig meine Hormonspirale ziehen lassen, mit der ich in den vergangenen fünf Jahren verhütet hatte.

Fünf Jahre ganz ohne Monatsblutung – das war eigentlich ziemlich cool

Lange Zeit fand ich diese Verhütungsmethode enorm praktisch: Sie gilt als sehr sicher, gleichzeitig sorgt sie zumeist dafür, dass die Monatsblutung sehr schwach ausfällt oder sogar ganz ausbleibt. Bei mir war Letzteres der Fall: Ich hatte nach einer ersten Eingewöhnungsphase tatsächlich überhaupt keine Periode mehr. Ohne Blutungen, ohne blöde Flecken in der Bettwäsche und ohne Tampons lebt es sich in der Tat sehr angenehm. Eine neue Hormonspirale mochte ich mir nach diesen fünf sorgenfreien Jahren dennoch nicht einsetzen lassen – zum einen, weil mir diese Verhütungsmethode dank verschiedener Berichte mittlerweile etwas suspekt geworden ist. Zum anderen, weil bei mir mit meinen 47 Jahren möglicherweise die Wechseljahre vor der Tür stehen und sich damit das leidige Thema Verhütung ohnehin bald erledigt hat. Und da ich nach dem Ziehen der Hormonspirale erst einmal drei Monate lang keine Monatsblutung hatte, ging ich davon aus, dass ich tatsächlich in den Wechseljahren angekommen bin.

Erstmal üben, wie man die Zellophan-Ummantelung eines Tampons aufpult

Tja, Pustekuchen, alles zurück auf Null. Nach drei unblutigen Monaten, in denen ich allenfalls interessiert in mich hineinlauschte und mich darin übte, die verschiedenen Sorten Schweißausbrüche – Hypoglykämie? Sportliche Anstrengung? Schilddrüse? Wechseljahre? – auseinanderzuhalten, kam meine Periode zurück. Ich war überrascht, wie stark die Blutung war, und musste nach all dieser Zeit allen Ernstes erst einmal ganz neu üben, wie man diese fisselige Zellophan-Ummantelung eines Tampons korrekt aufpult. Ich hatte das wirklich verlernt. Neue Tampons musste ich auch kaufen, Größe Monster-XXL. Gleichzeitig stellte ich rund um meine nagelneue Periode herum auch Veränderungen meiner Glukosewerte fest, die mir zuvor auch überhaupt nicht vertraut waren.

So war ein paar Tage vor meiner Periode mein Insulinbedarf zum Frühstück höher als sonst; außerdem brauchte sogar das schnelle Fiasp deutlich länger als gewöhnlich, bis es wirkte. Unschöne Glukosespitzen nach dem Frühstück waren die Folge – und mit Einsetzen der Periode war dieser Spuk auch schon wieder vorbei. Beim nächsten Zyklus dasselbe Spiel, es scheint also ein gewisses System dahinterzustecken.

Vor der Monatsblutung Basalrate auf 130 Prozent laufen lassen?

Mit Beobachtungen dieser Art bin ich nicht allein, wie ich in Tines Session (über die sie selbst übrigens auch schon auf ihrem Blog berichtet hat) beim Barcamp erfahren durfte. Auch andere Frauen erleben, dass ein paar Tage vor Beginn ihrer Periode ihr Körper nicht so empfindlich auf Insulin reagiert wie sonst. Die Pumpenträgerinnen unter den Frauen tauschten sich gleich über ihre jeweiligen Strategien aus: „Bei mir funktioniert es gut, wenn ich drei bis vier Tage vor meiner Periode die Basalrate auf 130 Prozent erhöhe. Sobald meine Periode dann einsetzt, lasse ich die Pumpe wieder auf 100 Prozent laufen“, erzählte eine von ihnen, begleitet von zustimmendem Nicken in der Runde. Die meisten hatten ihr Anpassungsschema selbst ausgetüftelt, denn von ihren Diabetespraxen gab es in diesem Punkt wenig bis gar keine Unterstützung.

Warum wissen Diabetologen so wenig über den weiblichen Zyklus?

Genau diesen Punkt fanden wir alle, die wir dort in dieser Session zusammensaßen, ziemlich befremdlich. Wie kann es sein, dass zum Beispiel im Zuge einer Pumpenneueinstellung Frauen nicht routinemäßig gefragt werden, in welcher Zyklusphase sie sich gerade befinden, obwohl dies offensichtlich einen großen Unterschied bei der Insulinanpassung macht? Warum wissen Diabetologen so wenig über Gynäkologie und den weiblichen Zyklus (oder lassen sich ihr Expertenwissen so selten anmerken)? Wieso gibt es keine Diabetes-App, in der man ausführliche Zyklusdaten integrieren kann? „Wir sind ja schließlich nur die Hälfte der Menschheit“, frotzelte eine von uns, aber es klang ein bisschen bitter.

Außerhalb von Foren oder Blogs findet man kaum Informationen im Netz

Tatsächlich ist es gar nicht so leicht, seriöse Informationen zum Zusammenspiel zwischen weiblichem Zyklus und Diabetes zu finden. Wer Google bemüht, stößt auf unzählige Blog- und Forenbeiträge zum Thema, findet aber nur verstreute Informationen auf Diabetes-Websites oder in Online-Zeitschriften.

Auf der Seite Diabetes-Deutschland.de etwa kann man einen Beitrag von 2003 (!) lesen, in dem man im Wesentlichen lediglich erfährt, dass bei Typ-1-Diabetes auch der Menstruationszyklus häufig mehr Probleme bereitet als bei anderen Frauen (stärkere Blutungen, mehr Monatsbeschwerden, ach… lassen wir das… gibt es denn so gar kein körperliches Phänomen, das dank eines Typ-1-Diabetes irgendwie einfacher, schöner oder cooler wird?).

Immerhin ein paar praxisnahe Tipps zur Insulinanpassung findet man auf der Seite Diabetes-News.de, etwa den Ratschlag, den Zyklus genau zu beobachten und zu dokumentieren und in der Insulinpumpe temporäre Basalraten für die verschiedenen Zyklusphasen zu programmieren. Wer hingegen auf der Internetseite der Organisation DiabetesDE nach dem Stichwort „Menstruation“ sucht, wird gebeten, die Schreibweise des Suchbegriffs zu prüfen.

Ebenso erfolglos bleibt man, wenn man auf der Internetseite der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) nach diesem Stichwort sucht. Und obwohl ich seit etlichen Jahren regelmäßig die Kongresse der DDG besuche, kann ich mich nicht daran erinnern, dass das Thema „Diabetes und weiblicher Zyklus“ einmal eine gewichtige Rolle im Tagungsprogramm gespielt hätte. Das finde ich sehr traurig und erschreckend – und das sollte sich ändern.

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