„Diabetes 2030“ – Patienten treffen Experten aus der Diabetesversorgung

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„Diabetes 2030“ – Patienten treffen Experten aus der Diabetesversorgung

Ein Raum voller Experten aus allen Bereichen der Diabetesversorgung. Vertreter aus Politik, Wirtschaft und der Selbsthilfe kamen für zwei Tage in Berlin zusammen, um zu diskutieren, zu beratschlagen und sich miteinander auseinanderzusetzen. Und zwischen all den Debatten, dem Lautwerden von Wünschen und Zielen, saß ich – als Patient mit Typ-1-Diabetes.

Viele Äußerungen fielen in diesen zwei Tagen. Einige nahm ich einfach so hin, wie sie in den Raum gestellt wurden. Bei anderen rebellierte alles in mir, wieder andere rissen mich begeistert mit. Und zwischen all diesen Diskussionen und den vielen, vielen Blickwinkeln, in die wir dort Einblick erhalten durften, entstand eine Dynamik innerhalb dieser bunt zusammengewürfelten Gemeinschaft, die mir teilweise wirklich die Augen öffnete.

Fangen wir von vorne an:

Sowohl Seine Exzellenz F.A. Petersen, Botschafter von Dänemark, als auch Tina Abild Olesen, Geschäftsführerin von Novo Nordisk, eröffneten die Konferenz „Diabetes 2030“ mit eindrucksvollen Worten. Sie sprachen davon, mit „Mut, Offenheit und Vertrauen“ vorwärtszugehen, um den Patienten wieder in den Fokus allen Tuns zu rücken. Dabei betonten beide, dass man nur gemeinsam, als eine eng zusammenarbeitende Gemeinschaft, Veränderungen hervorbringen könne.

Keine Therapieempfehlungen oder gar Therapieentscheidungen aufgrund von Apps?

Dieses Vertrauen in Institutionen, mit denen man für gewöhnlich als Patient wenig bis keine direkten Berührungspunkte hat, wurde für mich persönlich wenige Stunden später auf die Probe gestellt. Thomas Müller (Leiter der Abteilung Arzneimittel des Gemeinsamen Bundesausschusses) machte in seinem Vortrag deutlich, dass dem G-BA eine große Rolle in Sachen Diabetestherapie zufällt – gab dabei aber zu, dass die Effektivität dieser Institution verbesserungsfähig sei. Erst durch seine Ausführungen wurde mir bewusst, wie lang der Weg von der Entwicklung einer neuen Therapie bis hin zur Genehmigung und Einführung in die Krankenversorgung ist. Umso alarmierender fand ich deshalb seine nächsten Worte. Herr Müller berichtete von der Etablierung einer neuen Projektgruppe, die sich mit der Auswirkung von „medical devices“ (hier explizit Apps) auf die Diabetestherapie beschäftigen soll. Der G-BA möchte dabei durchsetzen, dass Apps, die Therapieempfehlungen geben oder gar Therapieentscheidungen treffen, kontrolliert bzw. gar nicht erst auf dem Markt zugelassen werden.

Bei mir als Typ-1-Diabetikerin schrillten augenblicklich alle Alarmglocken. Wer die vielen Social-Media-Kanäle verfolgt, wird davon gehört haben, dass momentan einige Diabetiker ihr eigenes Closed-Loop-System bauen. Dazu braucht es neben einer Insulinpumpe und einem CGM-System eben auch Apps – die genau das machen, was der G-BA unterbinden möchte: Therapieentscheidungen treffen, ohne dass dies von einem Arzt direkt kontrolliert werden kann. Ein großer Vorteil, den Herr Müller in diesem Projekt sieht, ist die Tatsache, dass Patienten so wieder mehr dazu „gezwungen“ werden, mit ihrem Arzt zu sprechen und somit mit professioneller Kompetenz Therapieentscheidungen zu treffen.

Innerlich konnte ich nur heftigst mit dem Kopf schütteln. Natürlich sollte der Arzt bei Unsicherheiten in der Therapie immer der erste Ansprechpartner sein – doch im Alltag sind nicht die Diabetologen die Experten, sondern jemand ganz anderes: Wir. Wir als Patienten kennen unseren Körper am allerbesten, wissen, wann er wie reagiert, welche Situationen wir vermeiden sollten und in welchen wir Entscheidungen treffen müssen, die sicherlich nicht immer mit ärztlichem Sachverstand bedenkenlos abgenickt würden.

Kröger machte sich stark für Patienten

Dr. Jens Kröger von diabetesDE sprang wenig später in genau diese Bresche. Voller Inbrunst machte er sich dafür stark, die Patienten, die sich selbst helfen wollen, die es leid sind zu warten und die die Kompetenz dank „Schwarmwissens“ besitzen, nicht genau dieser Möglichkeit zu berauben. Denn Patienten, die sich für sich selbst starkmachen, seien schließlich auch diejenigen, die es kaum „nötig“ hätten, jedes Quartal ausführliche Gespräche mit ihrem Diabetologen zu führen. Stattdessen sollte man sich im Alltag auf die Patienten konzentrieren, die Anleitung, Hilfe und Unterstützung bräuchten.

Ich, als Patient, bleibe dabei abhängig von Institutionen um mich herum. Von Krankenkassen, von Ärzten, vom Gesetzgeber. Doch diese Institutionen sind in ihrem Tun begrenzt. Sie müssen versuchen, jedes Therapiemittel per Kosten-Nutzen-Rechnung zu bewerten. Um das jedoch realistisch tun zu können, soll jetzt der Faktor Lebensqualität mit in diese Bewertung einfließen. Und hier ist das große Problem: Wie kann die Lebensqualität eines jeden Einzelnen gemessen werden? Jeder hat schließlich eine ganz eigene Vorstellung davon, was getan werden müsste, um seine Lebensqualität maßgeblich zu verbessern.

Wir müssen weitermachen!

Was also ist zu tun? Wir müssen weitermachen! Es gibt keinen besseren Weg, zu beweisen, dass wir für etwas Neues bereit sind, als selbst die Zügel in die Hand zu nehmen und mit aller Macht unsere Wünsche, Träume und Ziele zu verwirklichen. Wir als Patienten müssen dranbleiben. Technischen Fortschritt einfordern und selbst herbeiführen, uns politisch engagieren und dafür sorgen, dass wir gehört werden. Nur so können wir die Diabetestherapie in Deutschland selbst voranbringen.

Auf der Veranstaltung waren auch (v. l.) Günter Nuber (Diabetes-Journal), Antje Thiel, Stephanie Hill und Bastian Hauck (#BSLounge-Autoren). 


Ist das Gesundheitssystem für die Zukunft in Sachen Diabetes gewappnet? Steffi im Interview mit Prof. Dr. Jürgen Wasem

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  • hallo, ich hab schon ewig Diabetes, hab damit 4 Kinder bekommen und war beruflich unterschiedlich unterwegs, in der Pflege und Pädagogik. Seit ein paar Jahren funktioniert nichts mehr so wie ich das möchte: die Einstellung des Diabetes, der eigentlich immer gut lief, Sport klappt nicht mehr….ich bin frustriert und traurig..so kenne ich das nicht.. Geht es jemanden ähnlich? Bin 53…Viele grüße. Astrid

    • Liebe Astrid! Ich gerade 60 geworden und habe seit 30 Jahren Typ 1, aktuell mit Insulinpumpe und Sensor versorgt. Beim Diabetes läuft es dank des Loop gut, aber Psyche und Folgeerkrankung, Neuropathie des Darmes und fehlende Hypoerkennung, machen mir sehr zu schaffen. Bin jetzt als Ärztin schon berentet und versuche ebenfalls mein Leben wieder zu normalisieren. Kann gut verstehen, wie anstrengend es sein kann. Nicht aufgeben!! Liebe Grüße Heike

    • @mayhe: Hallo liebe Heike, danke für deine schnelle Antwort, das hat mich sehr gefreut. Nein aufgeben ist keine Option, aber es frustriert und kostet so viel Kraft. Ich hoffe dass ich beruflich noch einen passenden Platz finde. Und danke dass du dich gemeldet hast und von deiner Situation berichtet. Das ist ja auch nicht einfach. Und ich wünsche auch dir eine gewisse Stabilisierung…jetzt fühle ich mich mit dem ganzen nicht mehr so alleine. Was machst du denn sonst noch? Viele Grüße Astrid

    • Liebe Astrid! Ja, das Leben mit Diabetes ist echt anstrengend. Es kommt ja auf den normalen Wahnsinn noch oben drauf. Ich habe den Diabetes während der Facharztausbildung bekommen und ehrgeizig wie ich war auch damit beendet. Auch meinen Sohn, 26 Jahre, habe ich mit Diabetes bekommen. Hattest bei den Kindern auch schon Diabetes? Leider bin ich von Schicksalsschlägen dann nicht verschont geblieben. Was dann zu der heutigen Situation geführt hat. Ich habe durchgehalten bis nichts mehr ging. Jetzt backe ich ganz kleine Brötchen, freue mich wenn ich ganz normale kleine Dinge machen kann: Sport, Chor, Freunde treffen, usw. Ich würde mich zwar gerne aufgrund meiner Ausbildung mehr engagieren, dazu bin ich aber noch nicht fit genug. Was machst du so und wie alt sind deine Kinder? Bist du verheiratet? Liebe Grüße Heike

  • Wir freuen uns auf das heutige virtuelle Community-MeetUp mit euch. Um 19 Uhr geht’s los! 🙂

    Alle Infos hier: https://diabetes-anker.de/veranstaltung/virtuelles-diabetes-anker-community-meetup-im-november/

  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

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