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Mein Mann Christoph und ich hatten schon lange vorgehabt, einmal Skilanglauf auszuprobieren. Irgendwo in Norwegen oder im Harz vielleicht. Doch dann ergab sich mit einem Schnupperwochenende der IDAA Mitte März die tolle Gelegenheit, in Oberwiesenthal (Erzgebirge) das Skifahren in der Loipe auszuprobieren. Noch dazu zusammen mit einer Gruppe anderer Typ-1-er und unter Anleitung des Top-Skilangläufers Arne Reichelt (20 Jahre alt), der eigentlich gern in der Sportfördergruppe der Bundeswehr an seiner Profi-Karriere gebastelt hätte – wenn ihm 2015 nicht die Diagnose Typ-1-Diabetes einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Wer sich für Arnes Geschichte interessiert, dem möchte ich seine Blogbeiträge bei diabetiker.info ans Herz legen, in denen er ausführlich über seine Diagnose und die Integration des Diabetes in sein Training berichtet. Doch zurück zu unserem IDAA-Wochenende: Mit so einem Coach kann doch eigentlich nichts schief gehen, oder?
Arne hatte es an dem IDAA-Wochenende mit einem guten Dutzend Menschen mit Diabetes vom Typ 1 und Typ F zu tun, die größtenteils noch nie auf Langlaufskiern gestanden hatten. Doch wir stellten uns recht passabel an und glitten am Samstagvormittag nach einer kurzen Einweisung schon bald ohne Fremdhilfe durch die Loipen des perfekt verschneiten Fichtelbergs. In der Loipe fühlte ich mich schon recht bald sicher, doch dummerweise sind auch Langlaufstrecken nicht ausschließlich flach, sondern führen gelegentlich mal ein Stück bergab. Ich musste also üben, bei kleinen Abfahrten mit dem klassischen Schneepflug zu bremsen. Das klappte lange Zeit nicht, wenn ich es allein probierte und schon gar nicht, wenn Christoph in der Nähe war und mir vermeintlich hilfreiche Tipps gab. Wenn es mir zu schnell bergab ging und ich stoppen wollte, sah ich als einzige Option, mich irgendwie seitlich in den Schnee fallen zu lassen. Mit einem Schneepflug kam ich nur dann zum Stehen, wenn Arne direkt vor mir rückwärts den Berg herunterfuhr und mir gut zuredete. Er machte seinen Job als Trainer wirklich klasse und strahlte so viel Ruhe und Sicherheit aus, dass meine Panik vor der Abfahrt irgendwann verflog.
Unsere IDAA-Skitruppe kurz vor dem ersten Training. Unser Trainer Arne ist der einzige, der seine Skier noch nicht angeschnallt hat
Unsere erste Trainingseinheit dauerte etwa zwei Stunden, in denen sich mein Diabetes tatsächlich mustergültig verhielt. Ich hatte am Abend zuvor mein Basalinsulin vorsorglich ein wenig reduziert und war mit einem Gewebezuckerwert von etwas über 150 mg/dl gestartet, der im Laufe des äußerst schweißtreibenden Trainings ohne zusätzliche Kohlenhydrate nur auf 119 mg/dl absackte. Zum Glück machten trotz der Minusgrade weder mein Sensor, noch das Lesegerät des Freestyle Libre schlapp und ich konnte zwischendurch immer einmal checken, welche Richtung die Glukosekurve nimmt. Und sie sah toll aus. Bingo. Doch es ist nie schlau, sich für einen Diabetesprofi zu halten, nur weil die Zuckerwerte sich mal einen Vormittag lang äußerst kooperativ gezeigt haben. Als wir am Samstagnachmittag unsere zweite Trainingseinheit dranhängten, kannte mein Zucker nämlich nur noch eine Richtung: steil bergab.
Stolz nach der ersten Trainingseinheit: Ich habe mich nicht komplett ungeschickt angestellt, und der Zucker benahm sich mustergültig.
Vermutlich hatte es am Vormittag so gut geklappt, weil zwei Stunden Sport durchaus häufiger mal in meinem Alltag vorkommen – eine derartige Belastung ist mein Körper also gewohnt und findet in den Glykogenspeichern schnell genug Stoff um den Blutzuckerspiegel halbwegs stabil zu halten. Doch eine zweite Trainingseinheit kommt bei mir an normalen Tagen nun einmal nicht vor. Außerdem hatte ich in der Mittagspause ein leckeres Stück Torte verputzt, dessen Insulin trotz des reduzierten Bolus noch ein wenig nachwirkte. Was auch immer dahintersteckte: Ich brauchte bei unserer nachmittäglichen Tour zwei Duplo-Riegel und etliche Plättchen Traubenzucker, um meinen Glukosewert wieder stabil auf über 80 mg/dl zu befördern. Doch das Schöne am Training mit anderen Typ-1-Diabetikern ist: Wenn einer eine Hypo hat, dann bleibt ein anderer in seiner Nähe und wartet einfach mit, bis der Zucker wieder ansteigt. Ganz ohne großes Aufhebens, Vorwürfe oder Fragen nach dem Warum und Weshalb. Es ist halt manchmal so mit dem Zucker.
Auch am Sonntagmorgen, als wir unsere letzte gemeinsam Trainingseinheit als Gruppe absolvierten, hatte ich trotz meines reduzierten Frückstücksbolus Mühe, meinen Glukosewert auf ein sporttaugliches Level zu befördern. Was sicherlich am Zeitpunkt unseres Trainings lag. Im Normalfall würde ich nicht unmittelbar nach dem Frühstück mit noch wirkendem Bolus eine Sporteinheit starten, doch außer Christoph und mir wollten die meisten schon am Sonntag abreisen und vorher unbedingt noch einmal Skifahren. Also musste es irgendwie gehen. Wenn man bei einem IDAA-Event verschiedene Typ-1-er fragt, wie sie diabetestechnisch mit einer solchen Herausforderung umgehen, bekommt man die unterschiedlichsten Antworten: Der eine hat vor dem Start einer Sporteinheit am liebsten mit einem Blutzuckerwert von über 300 mg/dl, weil das für ihn am besten funktioniert – auch wenn man ein solches Vorgehen niemandem ernstlich zur Nachahmung empfehlen kann und jeder Diabetologe entsetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde. Die andere hält den Zucker im Zaum und kippt lieber vor dem Start eine kleine Flasche Cola in sich hinein. Ich finde es spannend, mich von diesen verschiedenen Erfahrungswerten inspirieren zu lassen, doch letztlich muss ich immer meinen eigenen Weg finden, wie ich meinen Diabetes im Zusammenhang mit sportlicher Belastung manage. In diesem Fall lautete die Antwort: Cola, Gummibärchen, Duplo-Riegel und Erzgebirgstorte.
Ein mögliches Zaubermittel gegen Hypos beim Skilanglauf: Original-Erzgebirgstorte, wie sie nur in Oberwiesenthal gebacken wird
Christoph und ich hängten nach dem Wochenende in der Gruppe noch einen weiteren Langlauf-Tag dran und machten uns am Montag zu zweit noch einmal mit Langlaufskiern auf den Weg. Die letzte Tour führte uns durch einen idyllisch verschneiten Wald, in dem uns nur gelegentlich andere Skilangläufer begegneten. Außer dem schabenden Geräusch der Skier in der Loipe und der Skistöcke beim Abdrücken war nichts zu hören. Sehr schön und deutlich naturverbundener als der Pistenrummel beim Abfahrtski. Mein Fazit: Skilanglauf macht enorm viel Spaß, ist ein anstrengendes Ausdauertraining und zieht eine Menge Zucker. Ich freue mich schon jetzt auf das Skilanglauf-Wochenende der IDAA, das im nächsten Jahr ungefähr um dieselbe Zeit stattfinden soll. Und falls ihr ebenfalls sportbegeistert seid und euch gern regelmäßig mit gleichgesinnten Typ-1-ern austauschen mögt, dann schaut euch doch einmal auf der Internetseite der IDAA (www.idaa.de) um. Möglicherweise bekommt ihr dort den Eindruck, dass diesem Verein vor allem Extremsportler und Hochleistungsathleten angehört – doch ich kann euch versichern, dass dieser Eindruck trügt. Der beste Beweis: Auch ich bin schließlich Mitglied und fühle mich absolut wohl in der Truppe.
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