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Diabetes Typ F oder: Die Wahrheit hinter dem Satz „Wir schaffen das!“
4 Minuten
Es gibt dieser Tage ja leider eine ganze Menge Menschen in diesem Land, die sich über den Satz „Wir schaffen das“ von Angela Merkel aus dem Jahr 2015 aufregen. Mein Mann Christoph ist keiner von denen, die unsere Bundeskanzlerin dafür kritisieren, dass sie seinerzeit die Grenzen der Bundesrepublik nicht geschlossen und Flüchtlinge ihrem Schicksal überlassen hat. Er findet allerdings, dass er das Copyright auf diesen Satz hält. Denn seine erste Reaktion, als ich ihm am 30. März 2010 von meiner Diagnose Typ-1-Diabetes erzählte, lautete: „Wir schaffen das, meine Kleine!“

Würde er mich unterstützen – oder mich mit Diabetes als Last empfinden?
Für mich war seine Antwort – abgesehen davon, dass sie mich zu Tränen rührte – eine ungeheure Erleichterung. Denn bevor ich mit Christoph über meine frisch diagnostizierte Erkrankung gesprochen hatte, waren mir eine ganze Reihe blöder Gedanken durch den Kopf geschossen. Wir waren damals nämlich erst seit einem Jahr ein Paar, hatten über Längerfristiges wie Hochzeit noch nicht gesprochen. Natürlich war ein Jahr ein ausreichender Zeitraum, um zu erkennen, ob wir miteinander klarkommen oder nicht. Aber war es genug Zeit, um mir sicher zu sein, dass Christoph wirklich durch dick und dünn mit mir gehen würde, in guten wie in schlechten Zeiten? Würde Christoph mich auch mit einer chronischen Erkrankung lieben? Würde er mich unterstützen – oder mich mit Diabetes als Last empfinden und sich lieber eine gesunde Frau suchen?
Partner und Familienangehörige finden unsere Ängste oft völlig absurd
Die Vorstellung, mich wegen meines Diabetes weniger zu lieben oder das Zusammenleben mit dieser Herausforderung als Last zu sehen, fand Christoph völlig absurd. Und damit war er beim Diabetes-Barcamp in Frankfurt nicht allein. Dort hatte Nadja, die hier in der Blood Sugar Lounge einmal ihren Freund Flo über die Beziehung zu einer Diabetikerin hat erzählen lassen, eine eigene Session zum Thema „Diabetes Typ F“ angeregt. Diese Session wurde übrigens live gestreamt – und wer nicht persönlich in Frankfurt dabei sein konnte, hat noch immer die Möglichkeit, sie sich hier nachträglich anzuschauen. Als wir Anwesenden alle so reihum erzählten, wie es um unsere persönlichen Beziehungen mit dem Diabetes als Drittem im Bunde bestellt ist, sind mir vor allem zwei Dinge aufgefallen.

Wir wollen nicht nerven, kein Klotz am Bein sein, alles allein wuppen
Meine erste Beobachtung: Wir Menschen mit Typ-1-Diabetes haben Riesenangst davor, unserem Partner bzw. unserer Partnerin zur Last zu fallen. Wir wollen taff und unabhängig sein, alle unsere Probleme allein lösen, niemanden in unserem Umfeld mit unserer Erkrankung nerven, kein Klotz am Bein sein. Und wenn einmal etwas schiefläuft, wir unterzuckert rumzicken oder den Betrieb aufhalten, dann tut es uns hinterher überdimensional leid. Unsere Partnerinnen und Partner wiederum können genau mit dieser Angst und den ausufernden Entschuldigungen herzlich wenig anfangen. Sie sagen: „Wenn ihr alles allein machen wollt, dann fühlen wir uns ausgeschlossen! Ihr seid keine Last, nur weil ihr Diabetes habt. Der Diabetes ist oft nervig, doch das ist ja nicht eure Schuld – dafür müsst ihr euch doch nicht lang und breit entschuldigen!“ Diesen Zwiespalt kann man nur überbrücken, indem man redet, redet und nochmals redet. Und indem wir Typ-1er auch einmal in uns gehen und uns fragen, ob es denn wirklich so schlimm ist, wenn unser Partner mal 5 Minuten auf uns warten muss, weil wir gerade Traubenzucker einwerfen, das Diabetestäschchen suchen oder einen Katheter wechseln müssen. Würden wir dasselbe nicht auch für sie tun, ohne mit den Augen zu rollen oder genervt auf die Uhr zu schauen?

Hypoglykämien sind die ultimative Bewährungsprobe für jede Beziehung
Meine zweite Beobachtung: Die ultimative Bewährungsprobe für jede Beziehung, bei der einer der beiden Diabetes hat, sind Hypos. Ich persönlich kann von großem Glück sagen, dass ich bislang noch nie eine schwere Unterzuckerung hatte, bei der ich mir nicht mehr allein hätte helfen können. Mein niedrigster jemals gemessener Blutzuckerwert lag bei 45 mg/dl (2,5 mmol/l), er erwischte mich nicht ganz unvorbereitet und war mit schnellen Kohlenhydraten nach 10 Minuten wieder erledigt. Und auch meine gefühlt schlimmste Hypo war noch weit entfernt von dem, was andere Typ-1er bereits erlebt haben oder mit blöder Regelmäßigkeit erleben. Bislang habe ich mich bei einer Hypo noch nie bockig, zickig oder uneinsichtig benommen – was sicherlich dazu beiträgt, dass mein Diabetes die Beziehung zwischen mir und Christoph nicht sonderlich belastet.
Typ-Fler sind oft unsicher, wie sie sich bei Unterzuckerung verhalten sollen
Doch ich weiß, dass viele Menschen mit Diabetes bei extrem niedrigen Glukosewerten, gelinde gesagt, ein bisschen schwierig werden. Dass sie albern werden und nicht einsehen wollen, dass sie sich um ihren Zucker kümmern sollten. Dass sie ihre Mitmenschen beschimpfen oder sogar aggressiv werden. Nicht aus böser Absicht, sondern weil ihrem Gehirn der Zucker fehlt, den es zum klaren und vernünftigen Denken nun einmal braucht. In der Session zeigte sich deutlich, dass viele Partner in solchen Situationen unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen: Wie bewege ich einen unterzuckerten Diabetiker dazu, Traubenzucker oder Orangensaft zu sich zu nehmen? Wie gehe ich damit um, dass sie sich dagegen sperrt und sich unvernünftig verhält? Ab welchem Punkt höre ich auf zu diskutieren, sondern übernehme das Kommando und suche nach einer Glukagon-Spritze oder rufe einen Rettungswagen?
Genau hierfür hatte eines der anwesenden Pärchen einen tollen Tipp parat. „Wir haben ein Codewort vereinbart“, erzählte er. Es kommt nur zum Einsatz, wenn er ganz dringend den Eindruck hat, dass etwas mit ihrem Diabetes nicht in Ordnung ist. So könne er zum Beispiel vermeiden, seine Partnerin auf einer Party bloßzustellen. Sie wiederum wisse beim Codewort genau, dass es ihm ernst ist und dass sie unbedingt ihren Zucker messen sollte, um ihn nicht weiter zu beunruhigen. „Bislang habe ich das Codewort erst ein- oder zweimal benutzen müssen“, berichtete er. Ich fand diesen Tipp ungeheuer toll und kann mir gut vorstellen, dass er vielen Paaren helfen könnte, in einer kritischen Situation schnell wieder auf den gemeinsamen Nenner zu kommen, nämlich: „Wir schaffen das!“
Übrigens: In ihrem Buch „In guten wie in schlechten Werten“ hat Antje sich intensiv mit dem Thema „Diabetes und Angehörige“ beschäftigt. Herausgekommen ist ein Mutmach-Buch, in dem Familien und Paare erzählen, vor welche Herausforderungen der Diabetes sie stellt und wie sie im Alltag damit umgehen.
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insulina postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Reisen mit Diabetes vor 1 Woche, 2 Tagen
Hallo Zusammen,
ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
Wenn ´s weiter nichts ist… .
Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
Nina -
gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen, 4 Tagen
Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
Danke schonmal im Voraus-
darktear antwortete vor 2 Wochen
Hallo,
Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*LG Sndra
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moira antwortete vor 1 Woche, 3 Tagen
Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG
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hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 5 Tagen
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
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lena-schmidt antwortete vor 2 Wochen
@stephanie-haack hast du vielleicht ein paar gutes Tipps?
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connyhumboldt antwortete vor 1 Woche, 1 Tag
Besorge Dir Pflaster die über Tattoos geklebt werden, wenn die neu gestochen sind! Oder Sprühpflaster das Stomapatienten benutzen!
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Hallo Nina,
als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig