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Puh, ich kann heute einfach nicht. Der Diabetes ist 365 Tage im Jahr, 12 Monate, 52 Wochen und sieben Tage pro Woche, 24 Stunden am Tag bei mir. Oft läuft es sehr gut mit uns, einfach nebenbei. Ich messe, checke, spritze, esse, kontrolliere, korrigiere, schaue mir meine Linien an. Aber manchmal, ja, manchmal geht es einfach für einen Tag nicht mehr. Vielleicht kennt ihr das, vielleicht ist es aber auch eine ganz unbekannte Erscheinung für euch.
Mein Wecker klingelt und ich spüre bereits die Welle, die anrollt und sich sogleich über mich werfen und mich unter ihr begraben wird. Unter ihr begraben bin ich recht machtlos und leider nur zu sehr, sehr wenig in der Lage. Ich stehe auf und gucke kurz auf meinen Handybildschirm. 132 mg/dl (7,3 mmol/l) wird mir dort angezeigt, mein Sensorwert. Okay, mehr wird heute schlichtweg nicht gehen und besser wird es für mich auch nicht werden. Ich frühstücke irgendetwas, das ich gut schätzen kann, und spritze irgendeine sehr grob geschätzte Einheit. Das nächste Mal werde ich erst abends wieder meinen Wert kontrollieren.
Die Tatsache, dass ich dann zum Aufstehen noch den Wert anschaue, ist schon eine sehr große Leistung für einen solchen Tag. Oft kann ich mich an Tagen wie diesem nur schlecht um mich kümmern. Den ersten Schluck Wasser trinke ich meist erst zur Mittagszeit oder noch später. Ich bin gefangen in meinen Gedanken, in meinem Kopf, unter dieser Welle und ich schaffe es kaum raus. Auch wenig anderes kann ich an diesem Tag erarbeiten. Nicht nur der Diabetes leidet, aber wegen ihm sehr vieles.
Abends schaue ich auf mein Handydisplay und überprüfe meinen Sensorwert. Heute hatte ich Glück, denn der Wert war aus irgendeinem Grund den ganzen Tag in meinem Zielbereich, daher gab es keinerlei Alarme und ich hatte vollkommen meine Ruhe. Aber ich habe mich auch kaum um mich gekümmert und nur sehr wenig gegessen. Für einen Tag, an dem ich vom Diabetes einfach mal Ruhe brauchte, waren die Werte auf jeden Fall eher Glück im Unglück. Ich weiß aber, dass es so nicht für mich funktioniert, dass ich mir nichts Gutes tue, wenn ich meinen Glukosewert nur zwei Mal am Tag beiläufig prüfe und den Rest des Tages nicht über meinen Diabetes nachdenke. Aber, wie gesagt:
Obwohl ich den Diabetes an einem solchen Tag in den Hintergrund rücke, habe ich den ganzen Tag ein unglaublich schlechtes Gewissen. Ich sollte mich eigentlich kümmern, messen, kontrollieren, rechnen, spritzen, checken, essen, korrigieren, denn ich habe nun mal Diabetes. Kann ich aber nicht. Ich brauche auch mal Ruhe von all dem, Urlaub vom Diabetes. Leider kann ich ihn nicht einfach einen Tag ablegen. Stattdessen laufe ich einen Tag lang mit einem schlechten Gewissen durch die Gegend, gönne mir nichts Gutes und behandle meinen Körper schlecht.
Und am nächsten Tag stehe ich auf, atme tief ein und aus und mache da weiter, wo ich vorgestern aufgehört habe. Kümmern, kontrollieren, rechnen, messen, spritzen, checken, essen, korrigieren, die Werte beobachten. Und dann geht es wieder, weil ich einen Tag alles versucht habe abzulegen. Manchmal brauche ich einen solchen Tag. Einen Tag, an dem ich sage: Ich kann heute nicht! Ein Tag, an dem dann nur das Aller-, Allernötigste passiert. So lange ich nach diesem einen Tag zurückkehren kann, ist alles in Ordnung.
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