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Verzeihung, liebe Leser, ich greife in meinem Beitrag erneut das Thema Hypoglykämien vom DiabetesHypoBarcamp in Frankfurt auf. Denn in Frankfurt gab es eine für mich sehr spannende „Hypo“-Diskussion, die mich zum weiteren Nachdenken anregte.
Zudem war der 14. November der Weltdiabetestag und meine Wohnstadt Innsbruck setzte mit ihrer blau beleuchteten Bergisel Schanze ein Zeichen für den Diabetes in Österreich.
Bin ich als DiabetikerIn der oder die Schuldige, hat nur die Technik versagt oder gibt es gar keinen Schuldigen? Die Technik mischt sich in den letzten Jahren immer mehr in unsere Gesundheit und bei uns in den Diabetes ein. Hier spielen Techniken wie Pumpe, CGM und Co. eine immer entscheidendere Rolle.
Ich habe Menschen in meinem unmittelbaren Umfeld die Frage gestellt und um ihre Meinung zum Thema Schuld bei Unterzucker gebeten.
Da meinte mein Partner: „Eine Unterzuckerung musst du selbst in den Griff bekommen, denn du bist ja alt genug!“, oder es folgte die Schuldfrage: „Immer muss ich wegen dir zurückstecken! Nein, du musst deine ‚Hypos‘ selbst besser regeln!“ Autsch, da bin ich als Diabetikerin wohl sehr häufig die Schuldige.
Eine Bekannte, deren Mutter selbst Typ-2-Diabetikerin ist, meinte zum Thema Unterzucker: „Es gibt ja jetzt die Sensoren und Pumpen, da sollte eine ‚Hypo‘ eigentlich nicht mehr passieren!“ Mmh, auch diese Aussage muss ich leider verneinen. Denn trotz dieser tollen Technik gibt es „Hypos“, wie wir auf dem Barcamp live erlebt haben. Denn wie oft habt ihr euch beim Berechnen der BE-Menge selbst schon verschätzt?
Ein Teilnehmer am HypoBarcamp bekam die Diagnose Typ-1-Diabetes erst mit 18 Jahren. Vor dieser Zeit kritisierte er manchmal gemeinsam mit seinem Vater die eigene Mutter, auch Typ-1-Diabetikerin, bei einer „Hypo“. Nun ist er selbst Diabetiker und kann sich gut in die „Hypo“-Situation der eigenen Mutter hineinversetzen. Nun bleibt Kritik an der Mama bei einer „Hypo“ aus. Aha, dieser Blickwechsel ist ja interessant!
In meinem Arbeitsumfeld gehe ich selbst auf das Thema „Hypo“ nicht näher ein, weil ich in der Vergangenheit schon einige verbale Angriffe erlebt habe: „Na, wenn Sie Unterzuckerungen haben, dann können Sie diesen Job nicht mehr machen…“ Solche Aussagen verunsichern mich. Denn ich war in meinem Beruf die letzten Jahre nur zwei Tage im Krankenstand, als meine Tochter damals die Masern hatte. Für „Hypos“ in der Arbeit bin ich immer gut vorbereitet mit Obst, Säften, Gummibärchen und Co.
Andere Personen, zu denen ich nur unregelmäßig Kontakt habe, zum Beispiel Freunde, sagten zum Thema Unterzuckerung nur: „Hypoglykämie? Was soll das denn sein, ich habe davon noch nie etwas gehört. Ich selbst esse nur manchmal Traubenzucker, wenn ich mich schwindelig fühle. Zum Beispiel beim Sport.“
Es gibt auf dem Marktplatz der „Hypos“ also unendlich viele Außen-Ansichten. Da sind extrem viele Beobachter unserer „Hypos“. Wir selbst als DiabetikerInnen sind aber die aktiven SpielerInnen in diesem Zuckerspiel!
Ich glaube, eine „Hypo“ ist so einzigartig und individuell wie jeder einzelne Mensch. Ich als Diabetikerin und SpielerIn befinde mich täglich mit meinem Diabetes auf dem Spielfeld. Die Entscheidungen bei diesem Spiel muss ich als Diabetiker tatsächlich jederzeit alleine treffen. Wie bei allen großen Herausforderungen im Leben kann ich mich darauf jedoch bestmöglich vorbereiten. Und genau da helfen mir wiederum die technischen Hilfsmittel wie Pumpe, CGM oder auch das Loopen.
Bei mir persönlich befinden sich in jeder Tasche irgendwelche „Hypo“-Helfer wie Bonbons, ein Apfel oder ein Smoothie. Ich muss als Spieler meinen Diabetes selbst steuern. Und da kann auch jederzeit eine „Hypo“ mitspielen. Ärzte, DiabetesberaterInnen, PartnerInnen oder Freunde sind da nur meine (mehr oder weniger hilfreichen) Unterstützer in diesem Spiel. Alle Diabetes-Entscheidungen muss ich jedoch allein fällen.
Und genau da befindet sich die Schwachstelle im „Hypo“-Spiel. Unser tägliches Lebes (zumindest meins) ist oft sehr stressig. Es treffen täglich viele äußere Stressfaktoren und dazu vielleicht noch die Hormone aufeinander. Und da sind wir als DiabetikerInnen als Manager gefragt. Das zeichnet jeden Diabetiker unter uns aus. Je besser ich meinen Diabetes managen kann, desto eher kann ich die Schuldfrage selbst steuern. Ich behaupte, schuld oder nicht schuld ist bei einer „Hypo“ nicht die Frage. Es geht darum, inwieweit ich fähig bin, mein Zuckerkarussell bestmöglich selbst zu steuern. Dazu muss jeder Diabetiker seine eigene Strategie finden.
Ich selbst setze seit bald drei Jahren auf Low-Carb, was mir hilft, in meiner Glukosekurve größere Schwankungen zu vermeiden. Aber auch hier gibt es wieder Herausforderungen bei Low-Carb im Alltag. Da muss ich dann wieder managen, wo ich die geeigneten Lebensmittel organisiere, oder meinem Umfeld erklären, dass ich eben kein normales Brot esse.
Diabetiker sind nicht selbst schuld an ihren „Hypos“. Doch hat jeder Diabetiker eine eigene Verantwortung für seinen Diabetes. Und dazu braucht es eine lebenslange Ausdauer! In guten wie in schlechten Zeiten…
Und wie seht ihr die „Hypo“-Frage? Ich gespannt auf eure Antworten!
Weitere Erfahrungen zum Thema Unterzuckerungen von Heike findet ihr zum Beispiel hier: Wie eine Hypoglykämie ein Gefühl von Panik und Hilflosigkeit auslösen kann
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