Freestyle Libre 3: Darf’s ein bisschen weniger sein?

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Freestyle Libre 3: Darf’s ein bisschen weniger sein?

Ich nutze den das iscCGM-System FreeStyle Libre (FSL), seit es im Herbst 2014 auf den Markt gekommen ist. Seither gab es eine ganze Reihe von Weiterentwicklungen: Während das FSL der ersten Generation nur mit einem speziellen Lesegerät gescannt werden konnte und auch noch nicht über Alarme bei Hypo- oder Hyperglykämien verfügte, ließ sich das FSL2 mit einer App auslesen und machte sich – sofern gewünscht – bei grenzwertig hohen oder niedrigen Werten akustisch bemerkbar. Nun steht mit dem FSL3 noch einmal eine neue Generation in den Startlöchern. Ich habe den neuen Sensor in den vergangenen zwei Wochen gratis testen dürfen und erzähle euch hier einmal von meinen Beobachtungen.

1. Verpackung

Der neue Sensor kommt mit deutlich weniger Verpackung aus. Mein Testpaket war zwar aufwändig verpackt, doch wenn es in Zukunft um die Quartalslieferungen geht, dürfte das Päckchen ein ganzes Ende kleiner und leichter sein als bei den bisherigen Lieferungen.

Gegenüber dem Karton des FSL2 kommt die Verpackung des FSL3 ausgesprochen zierlich daher. (Quelle: Antje Thiel)

2. Applikator

Ich nenne das Ding immer „Abschussrampe“. Beim FSL2 besteht sie aus zwei Komponenten, die man nach dem Öffnen erst einmal miteinander verschrauben muss, bevor man den Sensor abschießen anbringen kann. Beim FSL3 ist alles bereits in einem Element integriert. Vorteil: ein Arbeitsschritt und knapp 30 Gramm Plastikmüll weniger. Ansonsten unterscheidet sich die Handhabung nicht, man muss sich also nicht umgewöhnen.

Der neue Applikator bringt 29 Gramm weniger auf die Waage als der des FSL2. (Quelle: Antje Thiel)

3. Sensor

Der Sensor des FSL3 hat einen deutlich geringeren Durchmesser als der des FSL2 und ist auch einen Hauch flacher. Ich fand schon das alte Modell angenehm zu tragen, doch die neue Version trägt noch einmal weniger auf und bereitet mir keinerlei Kopfzerbrechen, was den Kontakt mit den typischen „Fressfeinden“ eines jeden Sensors (sprich: Türrahmen, BH-Träger…) angeht. Während ich den FSL2 oft noch als reine Vorsichtsmaßnahme mit Tape fixiert habe, sehe ich hierfür beim FSL3 gar keine Notwendigkeit. Zum Glück habe ich noch nie irgendwelche Probleme mit der Hautverträglichkeit noch mit der Klebeleistung gehabt. Insofern bin ich happy, dass der Klebstoff offenbar nicht verändert wurde.

Der FSL2-Sensor hat den Durchmesser einer 2-Euro-Münze, der FSL3-Sensor nur noch den einer 5-Cent-Münze. (Quelle: Antje Thiel)

 

4. Glukosemessungen

Das FSL3 ermittelt jede Minute den aktuellen Gewebezuckerwert und funkt ihn – und das ist neu – ohne Scannen an die dazugehörige FSL3-App. Man muss also nicht mehr die App öffnen, auf den Button „Scannen“ drücken und das Smartphone an den Sensor halten. Vielmehr sind der aktuelle Wert, die Kurve und der Trendpfeil sofort da, wie bei anderen CGM-Systemen auch. Weil bei mir sowohl das erste FSL als auch das FSL2 in den ersten zwei Tagen ungenau messen, wenn ich den Sensor gleich nach dem Setzen aktiviere, habe ich auch beim FSL3 meine üblichen 24 Stunden gewartet und ihn erst dann aktiviert. Die Messgenauigkeit war, wann immer ich sie mit einem blutigen Wert verglichen habe, sehr hoch: Die Abweichung lag immer im einstelligen Bereich. So kenne ich das auch vom FSL2, das bei mir immer ziemlich genau misst.

5. App

Das FSL3 hat eine eigene App, die man sich erst einmal aus dem App-Store herunterladen muss. Bislang ist nur eine Version für iOS verfügbar, doch eine für Android ist in Arbeit. Weil ich nach meinem Testsensor wieder auf das FSL2 umgestiegen bin, hatte ich keine Lust, mein Konto mit der neuen App zu verknüpfen, und habe den Testsensor einfach unabhängig von meinem FreeStyle-Libre-Nutzerkonto verwendet. Ich habe mich schnell daran gewöhnt, dass ich die App nur am iPhone aufrufen musste, um den aktuellen Wert zu sehen. Mir sind nur ganz geringfügige Details aufgefallen, in denen sich die neue von der alten App unterscheidet. So wird bei den Auswertungen in der App nun nicht mehr das geschätzte HbA1c angezeigt, sondern der Glukose-Management-Indikator (GMI) – ein neuerer Begriff, der sich mittlerweile in der von CGM-Messwerten geprägten Diskussion etabliert hat. Abgesehen vom GMI, der im Grunde auch dasselbe aussagt wie das klassische HbA1c, muss man sich bei der Funktionsweise der App überhaupt nicht umgewöhnen.

6. Verbindung zur Smartwatch

Weil der Sensor eigenständig via Bluetooth die Messwerte überträgt, habe ich auch nach einem Fitbit-Zifferblatt Ausschau gehalten, das die Werte aus der Smartphone-App auf meiner Smartwatch (Fitbit Versa light) anzeigt. Für Leute, die das FSL2 mit einer gepatchten App nutzen, gibt es solche Zifferblätter bereits. Allerdings kann man dann nicht mehr die offizielle FreeStyle-Libre-App nutzen. Aktuell gibt es noch keine Fitbit-Zifferblätter für das FSL3, doch ich vermute einmal, dass es nach der offiziellen Markteinführung nicht lange dauern wird, bis ich meine Werte auch auf der Uhr sehen kann. Das wäre definitiv noch einmal ein echter Gewinn, auf den ich mich schon freue.

Für Fitbit-Smartwatches gibt es bereits ein Zifferblatt, das mit einer gepatchten Libre-App die Glukosewerte anzeigen kann (siehe die beiden linken Fotos). Mit dem FSL3 kann man dieses Zifferblatt allerdings noch nicht koppeln (siehe die beiden rechten Fotos). (Quelle: Antje Thiel)

7. Alarme bei hohen bzw. niedrigen Werten

In puncto Alarme unterscheidet sich das FSL3 nicht wirklich von seinem Vorgänger: Man muss sie zunächst aktiv freischalten und wird dann bei grenzwertig hohen bzw. grenzwertig niedrigen Werten einmal über einen Signalton der App gewarnt. Normalerweise lasse ich mich bei Werten unter 60 mg/dl (3,3 mmol/l) und über 230 mg/dl (12,8 mmol/l) warnen. Allerdings hatte ich den FSL3-Sensor offenbar genau an der Stelle meines hinteren Oberarms angebracht, die beim Schlafen auf der Seite zusammengedrückt wird, sodass dort nicht genug Gewebeflüssigkeit und damit auch nicht genug Gewebezucker zu finden sind. Dann kann es zu einem Alarm wegen einer „Fake-Hypo“ kommen, die man im englischen Sprachraum als „compression low“ bezeichnet. Gibt es eigentlich schon ein deutsches Wort dafür? Diese „Fake-Hypos“ sind meist gut zu erkennen an einem starken kurzen Ausschlag der Kurve nach unten, der nur so lange anhält, wie man auf der betroffenen Seite gelegen hat. Tja, genau so erging es mir gleich in meiner ersten Nacht mit dem FSL3-Testsensor. Er weckte mich nachts um halb eins aus dem Tiefschlaf wegen vermeintlicher 54 mg/dl (3,0 mmol/l) bei null „Hypo“-Symptomen. Die blutige Gegenmessung ergab einen Wert von 100 mg/dl (5,6 mmol/l). Später merkte das System auch, dass dieser Messwert wohl nicht plausibel war, und rechnete ihn wieder aus der Kurve raus. Für mich hieß das jedenfalls: Alarme wegen niedriger Werte deaktivieren, damit ich nicht wegen des ungünstig platzierten Sensors ständig nachts wachgeklingelt werde.

Der Messwert von 54 mg/dl mitten in meiner ersten Tiefschlafphase war falsch – da hatte ich wohl ungünstig auf dem Sensor gelegen. (Quelle: Antje Thiel)

8. Signalverlust

Auch bei Signalverlust zwischen Sensor und App kann man sich warnen lassen. Da ich mein Telefon nicht permanent am Körper tragen mag, habe ich die Alarme bei Signalverlust nicht aktiviert, weil es sonst einfach permanent bimmeln würde. Im Grunde reicht es, den Raum zu verlassen, in dem mein iPhone liegt, damit das Signal verlorengeht. Das hatte den Effekt, dass mir beim Wiedereintritt in die Sensoratmosphäre nicht sofort wieder ein Messwert angezeigt wurde. Meist hatte die App binnen einer Minute wieder Signal und zeigte den Wert an, doch ab und zu dauerte es auch zwei bis drei Minuten. Das ist vor allem dann etwas nervig, wenn ich z. B. vom Kochen in der Küche ins Wohnzimmer komme, wo mein iPhone vor sich hindöst. Weil das Essen gleich fertig ist, will ich fix meinen Bolus spritzen. Doch die App braucht eine Weile, um ein Signal vom Sensor zu empfangen – und genau so lange kenne ich meinen aktuellen Glukosewert nicht und weiß entsprechend auch nicht, wie viel Bolus ich abgeben sollte. Mit dem FSL2 hätte ich einfach über den Sensor scannen und sofort den Wert sehen können. Doch das ist ein eher kleines Manko gegenüber dem ansonsten sehr angenehmen Komfort der automatischen Datenübertragung.

Mein Fazit

Ich war sehr zufrieden mit meinem FSL3-Testlauf und freue mich darauf, das neue System bald statt des FSL2 zu verwenden. Es ist übrigens erstaunlich, wie schnell man sich an dieses neue WENIGER an Material und Arbeitsschritten gewöhnen kann: Kaum hatte ich meinen nächsten FSL2-Sensor angebracht, hatte ich auf einmal das Gefühl, dass er doch ganz schön groß und klobig ist. Und als ich die ersten Werte damit abrufen wollte, rief ich die App auf und starrte erst einmal eine Weile aufs Display, bevor ich kapierte, dass ich ja nun wieder scannen muss. 🙂

*Ich habe das Testpaket mit einem Sensor des FSL3 unentgeltlich vom Unternehmen Abbott erhalten. Mit der Lieferung waren keine besonderen Bedingungen verknüpft. Weder habe ich mich verpflichtet, überhaupt über meinen Test zu berichten, noch gab es Vorgaben, wie ich zu berichten habe. Dieser Beitrag spiegelt ausschließlich meine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke wider.


Antje hat bereits den FreeStyle Libre 1 und 2 miteinander verglichen: Sensorvergleich! Am linken Arm FreeStyle Libre 1, rechts FreeStyle Libre 2. Und dann?

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