Fachverbände nehmen das neue Institut für medizinische Prävention und Aufklärung in die Pflicht

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Fachverbände nehmen das neue Institut für medizinische Prävention und Aufklärung in die Pflicht
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach bei der Verkündung des neuen Bundesinstitut BIPAM.
Foto: YoutTube-Kanal des BMG
Fachverbände nehmen das neue Institut für medizinische Prävention und Aufklärung in die Pflicht

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) setzt verstärkt auf Früherkennung und Versorgung, auch beim Diabetes. Neben Screening-Maßnahmen und einer Öffnung der strukturierten Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programme; DMP) ist ein neues Institut für Prävention geplant. Dessen Aufgaben: Aufklärung und medizinische Prävention. Das reiche jedoch nicht, kritisiert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und fordert einen ganzheitlichen Ansatz inklusive Umwelt- und Lebensbedingungen.

Es heißt abgekürzt BIPAM und soll künftig darüber aufklären, wie sich nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern lassen: das neue Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin. Starten soll es 2025 und in ihm soll die bisherige Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aufgehen. Geplant ist eine enge Zusammenarbeit zwischen BIPAM und Robert Koch-Institut (RKI). Korrekturbedarf an der Konzeption des neuen Instituts hat u.a. schon die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) angemeldet.

Neues Institut: DDG sieht Prävention nur als ganzheitlichen Ansatz effektiv

Die DDG begrüßt zwar den neuen Ansatz zur Stärkung von Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung grundsätzlich, sieht aber auch Schwachstellen. Der Name des Instituts suggeriere, dass „Prävention hauptsächlich eine medizinische Angelegenheit“ sei, stellt DDG Präsident Prof. Dr. Andreas Fritsche fest. Eine effektive Prävention nicht übertragbarer Krankheiten erfordere einen ganzheitlichen Ansatz, der neben der medizinischen Versorgung Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Umwelt, Bildung und soziale Ungleichheit berücksichtigt.

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Verhältnisprävention statt Verhaltensprävention: Wie kann die Politik für gesündere Lebensverhältnisse sorgen? Das haben wir u.a. in unserer Podcast-Reihe Zuckerzange Gesundheitspolitiker von verschiedenen Bundestagsfraktionen gefragt.
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Der Tübinger Diabetologe fragt auch nach dem Mehrwert einer Aufteilung auf zwei Institute. „Die Erforschung der Wechselwirkung zwischen übertragbaren und nicht übertragbaren Erkrankungen könnte sogar erschwert werden, wenn wichtige Schnittstellen sowie Synergien verloren gehen.“ Unklar sei auch, wie das Institut künftig z.B. mit Krankenkassen oder universitären Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten werde.

DDG-Präsident: Ist das neue Institut tatsächlich politisch unabhängig?

Chef des BIPAMs wurde ohne Ausschreibung Johannes Nießen, der auch schon in Lauterbachs Corona-Expertenrat saß. Es ist auch ein „Center of Excellence für Modellierer im Gesundheitswesen” geplant. „Solch ein Vorgehen des Gesundheitsministers stimmt bedenklich und man muss im Auge behalten, ob hier von oben herab vermeintliche Weisheiten verkündet werden sollen”, meint Prof. Fritsche.

Zudem werde das BIPAM als selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMG errichtet und reihe sich in den Kreis von 80 bereits bestehenden Bundesoberbehörden ein. „Auch dies wirft Fragen zur politischen Unabhängigkeit des neuen Instituts hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Arbeit auf, was bedenklich ist.“

Aufklärung allein „nur sehr begrenzt wirksam“, ohne Verhältnis-Prävention gehe es nicht

Dass viele Krankheits- und Todesursachen gerade nicht im medizinischen Versorgungsbereich lägen, sondern in schädlichen Umwelt- und Lebensbedingungen der Menschen, erklären die Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) und die Deutsche Gesellschaft für Public Health (DGPH). Prävention und Gesundheitsförderung sollten jedoch vor allem die Lebensverhältnisse verbessern und soziale Ungleichheit beseitigen, so die Fachgesellschaften.

Krankes Herz: teure Therapie, häufigste Todesursache

Ein Drittel aller Todesfälle war 2021 auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen. Sie sind damit die häufigste Todesursache und verursachten 2020 mit rund 57 Mrd. Euro die höchs­ten Kosten in der Gesundheitsversorgung. Das BMG will dagegen vorgehen und hat vier Handlungsfelder identifiziert:

  • Die Früherkennung soll in allen Altersgruppen verbessert werden. Bei den Erwachsenen will das BMG die Gesundheitsuntersuchung weiterentwickeln und ein Screening einführen, das nach Alter und Risiko gestuft ist.
  • Die DMP sollen geöffnet und gestärkt werden.
  • Der Nikotinkonsum soll bekämpft und reduziert werden
  • Die Früherkennungsuntersuchungen sollen erweitert werden (z.B. Einführung von Lipid-Screenings bei der U9 mit Fokus auf familiärer Hypercholesterinämie). Die Untersuchungsinhalte sollen die medizinischen Fachgesellschaften festlegen.

Diese Maßnahmen soll das BIPAM fachlich begleiten.

Aufklärung allein ziele hingegen lediglich auf Verhaltensänderung und sei deshalb „nur sehr begrenzt wirksam“, kritisiert DGSMP-Präsident Prof. Dr. Andreas Seidler. So sei etwa ein zu hoher Zuckerkonsum im Kindesalter eine häufige Ursache für Erkrankungen im späteren Leben. Eine Zuckersteuer und Werbeverbote für zuckerreiche Lebensmittel müssten demnach folgen. Das neue Institut sollte zudem verhältnispräventive Maßnahmen erforschen.

Bis zu 70 Prozent der Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden durch modifizierbare Lebensstilfaktoren verursacht. Vor allem ungesunde Ernährung, Bewegungsarmut, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum zählen dazu, heißt es in einem aktuellen „Impuls­papier“ des BMG.



von Angela Monecke

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