Je mehr Sport, desto unwahrscheinlicher werden Diabetes-Komplikationen

Je mehr Sport, desto unwahrscheinlicher werden Diabetes-Komplikationen
Je mehr Sport, desto unwahrscheinlicher werden Diabetes-Komplikationen
Foto: contrastwerkstatt – stock.adobe.com

Sport und körperliche Aktivität reduziert das Risiko für Komplikationen, die durch eine Diabetes-Erkrankung entstehen können. Dabei gilt: Viel hilft viel! Besonders wirksam ist ein intensives Training – aber auch mit weniger Aktivität lassen sich bereits positive Effekte zu erzielen.

Menschen mit Diabetes haben bekanntlich ein hohes Risiko für Folgeschäden an den großen Gefäßen, die Herzkreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen oder eine Herzschwäche zur Folge haben können (makrovaskuläre Komplikationen). Und auch die kleinen Blutgefäße können in Mitleidenschaft gezogen werden, was zu diabetischen Augen-, Nieren- oder Nervenerkrankungen führen kann (mikrovaskuläre Komplikationen).

Dass körperliche Aktivität einem Typ-2-Diabetes vorbeugen kann, ist längst hinreichend wissenschaftlich belegt. Inwiefern Sport Menschen mit bereits vorliegenden Diabetes vor diabetesbezogenen Folgeerkrankungen schützt, ist allerdings deutlich weniger gründlich erforscht. Gleiches gilt für die Frage nach der optimalen Trainingsintensität. Um diese Wissenslücke zu schließen, unterzog ein Forscherteam um Marlene Rietz vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) in Düsseldorf 31 thematisch relevante prospektive Studien einer Metaanalyse.

MET-Stunden als Maß für die sportliche Aktivität

Alle betrachteten Untersuchungen hatten den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Häufigkeit verschiedener Diabetes-Komplikationen geprüft. Als Maß für die sportliche Aktivität der Studienteilnehmenden wählten die Forschenden das metabolische Äquivalent (Metabolic Equivalent of Task, MET). Hierzu rechneten sie die Art, Dauer und Intensität der Belastungen in MET-Stunden pro Woche um (siehe folgenden Kasten).

Schnell erklärt: das Metabolische Äquivalent (MET)
Das metabolische Äquivalent gibt die Leistung (= den Kalorienverbrauch) von Aktivitäten als ein Vielfaches des Ruhe-Umsatzes an (Sauerstoffaufnahme in Ruhe gegenüber Sauerstoffaufnahme bei Belastung). Es zeigt damit an, wie intensiv die körperliche Belastung ist. 1 MET entspricht dem Sauerstoffverbrauch in vollkommener Ruhe. Leichte Hausarbeit ergibt etwa 2,5 MET, Spazierengehen etwa 3 MET, gemächliches Radfahren rund 4 MET, Joggen oder Fußball zirka 7 MET.

Die in den USA, Europa, Asien und Australien durchgeführten Studien hatten Erwachsene mit einem Typ-1- und/oder Typ-2-Diabes eingeschlossen und waren zwischen 1995 und 2021 publiziert worden. Sechs Untersuchungen wiesen ein mäßiges und 25 ein hohes Risiko für eine Verzerrung auf. Dieses bestand hauptsächlich darin, dass in den analysierten Primärstudien nicht alle potenziellen Störvariablen berücksichtigt worden waren und dass die körperliche Aktivität mit nicht eindeutig überprüfbaren Instrumenten erfasst worden waren.

Die Metaanalyse der Studiendaten ergab: Sportlich sehr aktive Menschen mit Diabetes hatten im Vergleich zu wenig aktiven ein um 16 Prozent geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wobei das Risiko pro 10 MET-Stunden pro Woche intensiverer Belastung um 3 Prozent abnahm. Sie entwickelten ferner 16 Prozent seltener eine koronare Herzkrankheit (Verengung der großen Blutgefäße des Herzens), 26 Prozent seltener Schlaganfälle und sonstige Erkrankungen der Blutgefäße des Gehirns, 24 Prozent seltener eine Herzschwäche und 18 Prozent seltener schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen.

Intensiver Sport schützt vor der Entwicklung von Komplikationen durch Diabetes

Auch im Hinblick auf die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Ereignisse erwiesen sich intensive sportliche Belastungen als schützend: Die besonders Aktiven hatten im Vergleich zu den wenig Aktiven ein um 38 Prozent geringeres Sterberisiko, wobei dieses pro 10 MET-Stunden pro Woche um 18 Prozent abnahm. Die stärkste Reduktion der Sterblichkeit ergab sich bei 40 MET-Stunden pro Woche. Weiterhin senkte hohe körperliche Aktivität aber auch das Risiko für Diabetes-Folgen an den kleinen Blutgefäßen: Das Risiko hierfür war um 24 Prozent geringer (Risikoabnahme pro 10 MET-Stunden pro Woche um 7 Prozent). Die intensiv Sporttreibenden erkrankten zudem um 32 Prozent seltener an einer diabetischen Augenerkrankung (Retinopathie; Risikoabnahme pro 10 MET-Stunden pro Woche um 5 Prozent).

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➤ Checkliste: Worauf man beim Sport mit Diabetes achten sollte

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für Erwachsene mit chronischen Erkrankungen mindestens 150 bis 300 Minuten mäßig intensiven Ausdauersport bzw. 75 bis 150 Minuten intensive körperliche Aktivität pro Woche. Dies entspricht etwa 8,25 bis 16,5 MET-Stunden pro Woche. Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass beim Diabetes Belastungen zwischen 20 und 40 MET-Stunden pro Woche offenbar am besten vor Spätfolgen durch die Stoffwechselerkrankung schützen. Aber auch geringere Aktivitäten senken das Komplikationsrisiko. Ihr Fazit: Beim Diabetes zahlt sich jeder Schritt in Richtung eines aktiveren Lebensstils aus. Weitere Studien müssen nun diese Beobachtungen bestätigen.



von Dr. Judith Lorenz

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