Krankenhaus-Reform als Scheidepunkt – gelingt eine zukunftsfähige Diabetes-Versorgung?

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Krankenhaus-Reform als Scheidepunkt – gelingt eine zukunftsfähige Diabetes-Versorgung
© DDG/Dirk Deckbar
Krankenhaus-Reform als Scheidepunkt – gelingt eine zukunftsfähige Diabetes-Versorgung?

Wie kann die geplante Krankenhaus-Reform eine zukunftsfähige Diabetes-Versorgung sicherstellen? Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) kritisiert, dass die kürzlich vorgestellten Eckpunkte zur Reform derzeit noch keine ausreichend qualifizierte Diabetes-Expertise in allen Versorgungsleveln vorsehen und damit die Behandlungsqualität in Zukunft gefährden. Die Einführung von Vorhaltepauschalen begrüßt die DDG. Sie warnt jedoch, dass der Bereich “Komplex Diabetologie/Endokrinologie” nach den vorgestellten Eckpunkten weiterhin unterfinanziert sein wird und diabetologische Leistungen nicht angemessen vergütet werden.

Lediglich 17 Prozent aller Kliniken in Deutschland halten laut DDG derzeit eine ausreichende Diabetes-Expertise vor. Grund dafür sei die knapp bemessene Vergütung, die für viele Leistungen der diabetologischen Behandlung im entsprechenden Katalog vorgesehen ist. „Es gibt kaum einen medizinischen Fachbereich, der über die letzten Jahre und Jahrzehnte finanziell und personell so ausgeblutet ist“, kritisiert der neue DDG-Präsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche aus Tübingen.

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➤ Neuer DDG-Präsident: Prof. Fritsche fordert „Investition in Menschen und Menschlichkeit“

Dies habe zur Folge, dass die stetig wachsende Anzahl an Menschen mit Diabetes oft nicht mehr leitliniengerecht behandelt werde. Der Komplexität der vielschichtigen Erkrankung würde so kaum noch Rechnung getragen, so der Experte. „Der Aufenthalt in Krankenhäusern ist für Menschen mit Diabetes zunehmend gefährlich, weil sie oft keinen qualifizierten Ansprechpartner für ihre Erkrankung haben.“ Das sei besonders dann der Fall, wenn die Betroffenen mit einer Diabetes-Erkrankung als Nebendiagnose aufgenommen werden und wegen einer anderen Behandlung vor Ort sind.

Unterversorgung von Menschen mit Diabetes: Kann die Krankenhaus-Reform etwas ändern?

„Wir begrüßen daher die Vorschläge zur Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft ausdrücklich. Die Zentralisierung von Versorgungsleistungen und Finanzierung von Vorhaltekosten werden insbesondere in der Diabetologie seit langem gefordert“, betont DDG-Mediensprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. „Doch momentan droht einer adäquaten diabetologischen Versorgung auch nach der Krankenhaus-Reform praktisch das Aus.“ Die Regierungskommission subsummiert derzeit die Diabetologie in Level-I-Krankenhäusern unter ‚Basisbehandlung Innere Medizin‘. So sei nicht gewährleistet, dass jede Klinik auch eine speziell diabetologische Expertise aufweist, kritisiert der Experte.

„Doch eine flächendeckende und verlässliche, sichere Grundversorgung für die zurzeit rund 8,7 Millionen Menschen mit Diabetes ist nur sichergestellt, wenn Krankenhäuser aller Versorgungslevel eine entsprechende Diabetes-Expertise vorhalten“, mahnt der Tübinger Diabetologe Prof. Gallwitz. Angesichts der steigenden Patientenzahlen sei außerdem wichtig, die Fort- und Weiterbildung im Bereich der Diabetologie konsequent zu fördern und in allen Versorgungsleveln zu berücksichtigen: „Es ist besonders wichtig, Medizinstudierende und angehende Fachärztinnen und Fachärzte möglichst früh für die Diabetologie und die besonderen medizinischen Bedürfnisse diabetologischer Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren“, so Prof. Gallwitz.

Mindestanforderungen und Vorhaltepauschalen: Die Krankenhaus-Reform als Chance

Die DDG bringt sich im Schulterschluss mit anderen Fachgesellschaften maßgeblich in die Krankenhaus-Reform ein. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat sie wichtige Eckpunkte für die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Leistungskomplexe Diabetologie/Endokrinologie definiert. Sie merken dazu an: „Grundsätzlich ist es schwierig, wenn die Vorhaltepauschalen sich weiter über Falldefinitionen und einen ICD-Code definieren“, so DDG-Präsident Prof. Fritsche. Die dann zunehmende Überschneidung von verschiedenen Leistungsgruppen, so der Experte, schaffe direkt oder indirekt abermals eine wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den internistischen Schwerpunkten: „Als Sprechende Medizin steht die Diabetologie schon heute im DRG-System schlecht da – ohne grundlegende Änderungen wird sich dieses Dilemma nicht lösen.“

Prof. Fritsche fordert deshalb, die Krankenhaus-Reform als Chance zu nutzen und diabetologische Leistungen attraktiv zu gestalten. Das beginnt für ihn nun bei den Mindestanforderungen für die jeweilige medizinische Ausstattung und Personalplanung, bei der es um die gelungene Balance gehe. Die Mindestanforderungen für diabetologische Leistungen müsse auskömmlich geplant werden, sodass das breite Aufgabenspektrum und große Behandlungsteam mit einer passenden Finanzierung möglich bleibt und zukunftsfähig ist.

DDG zur Krankenhaus-Reform: 3-Punkte-Plan für eine sichere Diabetes-Versorgung

Im Sinne des Anspruchs der Krankenhaus-Reform „Qualität vor Wirtschaftlichkeit“ müssten für die Diabetologie drei wichtige Punkte in die politische Agenda miteinfließen, um die Versorgungsqualität von Menschen mit Diabetes auch in Zukunft gewährleisten zu können:

  1. Strukturierte Diabetes-Erkennung und -Versorgung in allen Krankenhäusern!
  2. Vulnerable Gruppen schützen! Kinder sowie multimorbide ältere Menschen mit einem Diabetes brauchen besondere Pflege und zeit-intensive ärztliche Betreuung.
  3. Versorgungsqualität muss finanziert werden! Krankenhäuser mit Diabetes-Behandlungsstrukturen sollten finanzielle Zuschläge erhalten. Einrichtungen ohne diabetologische Expertise finanzielle Abschläge.

Von der Closed-Loop-Insulindosierung, über Diabetes-Fachschulungen, Beratung per Telemedizin, hin zur Behandlung von Kindern und Schwangeren mit Diabetes oder eines diabetischen Fußpatienten oder Menschen mit Diabetes und weiteren Folge- oder Nebenerkrankungen: „An keiner Stelle darf die Krankenhaus-Reform zum Abbauprogramm für das medizinische Fachpersonal werden oder zu einem Fachkomplex heranwachsen, der über die Maßen kostenintensiv ist“, mahnt der DDG-Präsident. „Die Diabetologie leistet einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der heterogenen Volkskrankheit Diabetes. Dies muss sich in der Positionierung des Faches in der zukünftigen Krankenhauslandschaft auf allen Leveln wiederfinden – für eine hochwertige Versorgung der vielen Millionen Menschen mit Diabetes.“



von Redaktion Diabetes-Anker

mit Materialien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)

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  • tako111 postete ein Update vor 1 Tag, 19 Stunden

    Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!

  • Hallo guten Abend ☺️

    Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
    Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
    Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
    Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?

    Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.

    Liebe Grüße, schönen Abend
    Nina 🙂

    • Willkommen Nina, …
      da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
      Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
      lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …

      Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
      falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!

      Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.

      LG

      Wolfgang

  • swalt postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Dia-Newbies vor 3 Tagen, 3 Stunden

    Hallo zusammen. Ich möchte mich erst einmal vorstellen. Ich bin “noch” 59 Jahre, und habe wahrscheinlich seit 2019 Diabetes. Ich würde mir wünschen, endlich angekommen zu sein. Wahrscheinlich seit 2019, weil ich in einem Arztbrief an meinen damaligen Hausarzt zufällig auf den Satz: “Diabetes bereits diagnostiziert” gestoßen bin. Ich habe meinen Hausarzt dann darauf angesprochen und wurde mit “ist nicht schlimm” beschwichtigt.
    Lange Rede. Ich habe einen neuen Hausarzt und einen sehr netten Diabetologen, bei dem ich jetzt seit 4 Jahren in Behandlung bin. Ich vertrage die orale Therapie nicht und spritze ICT. Dennoch bin ich in diesem Thema immer noch absoluter Neuling. Natürlich habe ich viermal im Jahr ein Gespräch mit meinem Diabetologen. Das hilft aber im täglichen Umgang nicht wirklich. Auch die anfangs verordnete Schulung war doch sehr oberflächlich und das war es. Ich kenne nicht die Möglichkeiten, die mir zustehen. Ich habe mir alles, was ich zu wissen glaube aus Büchern angelesen. Irgendwie fühle ich mich allein gelassen, irgendwie durchgerutscht. Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Diabetes hat und die nächste Selbsthilfegruppe ist über 50 km entfernt.
    Und so bin ich jetzt hier gelandet. Ich möchte wissen, wie ihr das handhabt, damit ich verstehe, was ich richtig mache und was falsch. Damit ich weiß, dass ich nicht allein damit lebe.

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