- Aktuelles
Zuhören? Zuhören!
3 Minuten

Unsere Welt ist bestimmt von extrovertiert auftretenden Menschen. Wir müssen alle irgendwie Teil dieser homogenen Gruppe sein, um einen Platz in unserem System zu finden. Viele von uns müssen damit ein Verhalten anstreben, was sich eher aufgesetzt als natürlich anfühlt.
Schon im ersten Bewerbungsgespräch müssen wir unsere Kommunikationsstärke unter Beweis stellen. Zeigen, dass wir durchgängig reden, durchgängig argumentieren und immer wieder unsere Meinung präsentieren können. Aber fehlt da nicht was? Gehören zu einem interpersonalen Gesprächsakt in der Regel nicht mindestens zwei Personen? Hier kommt Zuhören ins Spiel. Eine Fähigkeit, die viel zu häufig vergessen wird und schneller als eine normale menschliche Fähigkeit angesehen wird als wie ein besonderes, schätzenswertes Verhalten.
Ich verstehe Zuhören primär als einen Weg, Menschen Raum zu geben oder Raum zu bekommen. Raum für meine Erfahrungen und Raum für ungeteilte Aufmerksamkeit. Raum, in dem mir das Gefühl gegeben wird, dass es okay ist, wenn ich ihn für diesen Moment einnehme.

Und was hat Zuhören mit dem Puzzleteil Diabetes in meinem Leben zu tun?
Diese Frage stellte sich mir relativ schnell, als ich mein Verständnis von Zuhören auf unterschiedliche meiner Lebensbereiche anwendete. Mein erster Gedanke widmete sich hier meinen Ärzt*innen. Werde ich von meinem Diabetesteam gehört und wird mir vielleicht für einen kurzen Moment ungeteilte Aufmerksamkeit gegeben?
Ich bin mir sicher, wir können alle von den unterschiedlichsten Erfahrungen berichten, sämtlichen Gefühlslagen, mit denen wir aus unseren Quartalsterminen herausgekommen sind. Und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass meine Stimmung nicht davon abhängt, wie aufmerksam mir zugehört wurde.
Es hat mich einige Jahre Erfahrungensammeln gekostet, bis ich Stück für Stück gelernt habe, dass es auch (oder vielleicht gerade) hier völlig legitim ist, diesen Raum einzunehmen. Schlecht gelaufene Termine bei Ärzt*innen zu relativieren, à la „die sind halt auch sehr gestresst“ oder „ich bin nun mal nicht die einzige Patientin hier“ kann ich mittlerweile leider auch ziemlich gut. Deswegen muss ich mir immer wieder vor Augen führen, dass es hier mehr als legitim ist, mich selbst für diese 10-20 min Gespräch als Priorität zu sehen.
Am Ende geht es um meine Gesundheit. Es geht darum, dass mein Körper als Ganzes gesehen wird. Und es geht darum, dass ich möglichst viel Mehrwert für meine (Diabetes-)Therapie aus dem Gespräch mitnehme. Und wenn wir Zuhören auch im Sinne von Vermeidung von Missverständnissen sehen, gibt es für mich wenige Orte, wo ich Fehlinterpretationen oder voreilige Schlüsse lieber vermeiden würde, als wenn es um meine Gesundheit geht.
Es geht um meine Gesundheit
Zuhören kann Empathie fördern. Und nein, Empathie ist nicht gleich Mitleid. Empathie ist Mitgefühl und Verständnis. Es ist der Versuch, sich in die andere Person und ihre Erlebnisse, Hindernisse und Hürden hineinzuversetzen. Ohne dabei sofort den Anspruch zu erheben, 100% nachempfinden zu können, wie sich nächtliche Unterzuckerungen anfühlen, wie es ist, am nächsten Morgen trotzdem aufstehen zu müssen, um zu funktionieren. Als Person mit Diabetes merke ich immer wieder, wie wichtig es mir ist, dass Menschen im meinem Umfeld mir zuhören. Nicht weil ich den Anspruch habe, dass sie meinen Spritzplan auswendig können, sondern weil sie mir auch zuhören würden, wenn ich wegen einer Grippe gerade angeschlagen wäre. Eine chronische Krankheit als Grund ist für nicht betroffene Personen schwerer greifbar. Umso wertvoller ist es, unaufgefordert Raum zu bekommen, um von meinen Erfahrungen zu berichten.
Und zu guter Letzt darf ich auch nie vergessen, mir selbst zuzuhören. Für mich bedeutet das, darauf zu achten, wann und wo mein Körper mir Grenzen setzt, psychische und physische. In Phasen wie gerade, in denen ich selten dazu komme, auch nur kurz durchzuatmen, merke ich, wie es mir ebenso schwerfällt, anderen Personen voll und ganz zuzuhören, wie auch mir und meinem Körper selbst. Wiederkehrende Kopfschmerzen, massenhaft Unterzuckerungen und einen trägen Körper als konstante Wegbegleitung, wie eine Rolle Traubenzucker, werden dann von mir ignoriert. Ich höre nicht hin, ignoriere, was mein Körper mir erzählt. Ich wende immer wieder ein: „nur noch ein paar Wochen durchhalten“, „du kannst dich heute Nacht ausruhen“, „die Unterzuckerung liegt sicherlich daran, dass ich die Kohlenhydrate falsch berechnet habe“.
Zuhören ist ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung
Ich bin dann meine eigene unbeliebte Gesprächspartnerin, die mir ins Wort fällt und sich nicht darauf einlässt, was ich zu erzählen habe.
Mir hat es geholfen, vor allem mein eigenes Zuhörverhalten zu reflektieren. So merke ich, was für einen zwischenmenschlichen Umgang ich mir wünsche. Egal um welchen Lebensbereich es geht. Sei es Diabetes oder Unistress. Aktives Zuhören ist eins der Verhalten von Personen, für das ich mittlerweile am dankbarsten bin. Weil es auch immer ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung ist.
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Ähnliche Beiträge
- Aus der Community
Empathie ist nicht gleich Mitleid, Mitleid ist nicht gleich Empathie

3 Minuten
- Aus der Community
Einmal über den Tellerrand blinzeln reicht schon lange nicht mehr!

3 Minuten
Diabetes-Anker-Newsletter
Alle wichtigen Infos und Events für Menschen mit Diabetes – kostenlos und direkt in deinem Postfach. Mit unserem Newsletter verpasst du nichts mehr.
Über uns
Geschichten, Gemeinschaft, Gesundheit: Der Diabetes-Anker ist das neue Angebot für alle Menschen mit Diabetes – live, gedruckt und digital. Der Diabetes-Anker und die Community sind immer da, wo du sie brauchst. Für alle Höhen und Tiefen.
Community-Frage
Mit wem redest du
über deinen Diabetes?
Die Antworten werden anonymisiert gesammelt und sind nicht mit dir oder deinem Profil verbunden. Achte darauf, dass deine Antwort auch keine Personenbezogenen Daten enthält.
Werde Teil unserer Community
Community-Feed
-
hexle postete ein Update vor 1 Tag, 3 Stunden
Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.
-
tako111 postete ein Update vor 4 Tagen, 13 Stunden
Fussschmerzen lassen leider keine Aktivitäten zu!
-
nina33 postete ein Update in der Gruppe In der Gruppe:Diabetes Typ 3c vor 4 Tagen, 16 Stunden
Hallo guten Abend ☺️
Ich heiße Nina, bin 33j jung und Mama von drei zauberhaften Mädels.
Und vor kurzem bekam ich die Diagnose Diabetes Typ 3c. Nach 5 Jahren – 11 Bauchspeicheldrüsen Entzündungen und schwangerschaftsdiabetes 2024, hat meine Drüse nun fast aufgegeben.. Ich bin irgendwie froh diese Schmerzen nicht mehr zu haben, aber merke wie schwer der Alltag wird. denn hinzukommt noch dass ich alleinerziehend bin.
Aktuell komme ich überhaupt nicht klar mit der ganzen Situation, täglich habe ich hunderte Fragen die niemand beantworten kann. Dass ist mehr als verrückt.
Wie habt ihr euch gefühlt in dem Moment als es diagnostiziert wurde?Ich freue mich sehr auf einen netten Austausch und eure Erfahrung.
Liebe Grüße, schönen Abend
Nina 🙂-
wolfgang65 antwortete vor 4 Tagen, 1 Stunde
Willkommen Nina, …
da hast du ja sich schon einiges hinter Dir. Wie schaut es bei Dir mit Mutterkindkur aus, auch in hinblick einer Diabetesschulung. Hast du guten Diabetologen, Teilnahme DMP, Spritzt du selber oder Pumpe, auch hier gibt es viele Fragen. Wie sieht es mit Selbsthilfegruppen bei Euch aus. …
Oder Forum? Gerade am Anfang, wo noch alles neu ist, – ist es schon eine tägliche Herausforderung, – da kann es hilfreich sein kleine Ziele sich zu setzen. Dabei finde ich die Aktzeptanz am wichtigsten, oder auch sich selber spritzen zu müssen, oder das Weg
lassen bzw. bändigen des Naschen … etc. Kleine Schritte …Viele Fragen bekommst du auch in eine Diabetes-Schulung beantwortet,
falls noch nicht gemacht, spreche das bei Deinem Diabetologen an!Über weiteren Austausch bin ich auch erfreut, schildere ruhig deine Bausstellen, … doch letztendlich sollte Dein Arzt das beurteilen.
LG
Wolfgang
-
suzana antwortete vor 19 Stunden
Hallo Nina! Auch von mir herzlich willkommen. Der Antwort von Wolfgang kann ich mich nur anschließen.
Auf jeden Fall eine Mutter Kind Kur beantragen mit Diabetes-Abteilung, dann kannst du dich auf dich Louis’s die Kinder sind versorgt und mit dir. Ich hoffe dass es sowas gibt.
Viel Kraft und Durchhaltevermögen!
-