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Am 1. Juni startet der Diabetes Garten im Frankfurter Krankenhaus Sachsenhausen in die neue Saison. Beim „Gartentag“ spricht der Diabetologie-Chefarzt Dr. Ralf Jung.
Seit genau zehn Jahren gibt es „Lauber´s Diabetes Garten“ im Krankenhaus Sachsenhausen, der ältesten Diabetes-Klinik der Welt. Angelegt habe ich ihn auf Initiative des damaligen Chefarztes Dr. Kristian Rett. Aus fünf Beeten besteht dieser Garten, in denen rund 50 Pflanzen wachsen. Drei Beete befassen sich mit den Ursachen des Typ-2-Diabetes, nämlich Übergewicht, permanente Entzündungen und Insulin, das nicht mehr richtig wirkt. Zwei Beete informieren über typische Folgen, nämlich schlecht heilende Wunden und seelische Verstimmungen.
Erfreulicherweise führt Dr. Ralf Jung, Nachfolger von Professor Rett, die Tradition des Gartens fort – und er wird am 1. Juni ab 15 Uhr zusammen mit mir die einzelnen Pflanzen erläutern. Wobei er deutlich machen wird, dass es sich dabei nicht um Medikamente im klassischen Sinne handelt, sondern um Mittel, die eigene Anstrengungen unterstützen. Dieser Ansatz passt sehr gut zur aktuellen Therapie des Typ-2-Diabetes, bei dem die Patienten ermuntert werden, sich aktiv um ihre Stoffwechselstörung zu kümmern. Denn mit bald zehn Millionen Betroffenen besteht die Gefahr, dass das Gesundheitssystem überfordert wird.
Der gelernte Forstwirt Günter Stoidtner hat sich jahrelang ehrenamtlich um den Garten gekümmert. Doch nun lassen die Kräfte nach, sodass Mitarbeitende von Dr. Jung in diesem Jahr den Garten angelegt haben – wobei Günter Stoidtner weiter ein waches Auge auf den von ihm geschätzten Garten haben wird.
Übergewicht ist eine der wesentlichen Ursachen für die Explosion des Typ-2-Diabetes, der längst pandemische Dimensionen erreicht. Süßes wiederum ist der entscheidende Treiber für zu viele Pfunde. Vor allem „schnelle Kohlenhydrate“ wie Zucker, Süßgetränke, Weißbrot, weiche Nudeln locken das Dickmachhormon Insulin. Wer Kohlenhydrate als Vollkornprodukte, wer viel Gemüse isst, schafft gute Grundlagen für ein schlankes Leben. Den Weg zum Idealgewicht unterstützen Pflanzen, vor allem solche, welche die Kohlenhydrate nicht so schnell ins Blut flutschen lassen, wie etwa Erdmandeln sowie Topinambur und Schwarzwurzeln. Hilfreich sind auch Pflanzen, welche die Verdauung erleichtern, wie etwa Fenchel und Leinsamen. Ganz wichtig sind auch Bitterstoffe, welche den Gallefluss anregen. Deshalb wächst im Garten auch der von vielen als Unkraut geschmähte Löwenzahn.
Schärfe frommt ebenfalls der schlanken Linie: So strotzt der Meerrettich vor antibiotischen Senfölen, welche die Verdauungssäfte fließen lassen, auf dass das Gegessene den Körper wieder auf schickliche Art verlassen kann.
Entzündungen können ebenfalls bei der Entstehung des Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle spielen. Sind etwa Gelenke, Darm oder Zahnfleisch permanent entzündet, entsteht eine verhängnisvolle Kettenreaktion: Die Signalwege des zuckersenkenden Insulins werden blockiert, es entwickelt sich eine Insulinresistenz, das wichtige Hormon kann also nicht mehr richtig funktionieren.
Als ein Grund für Entzündungen gilt in der Naturheilkunde die Übersäuerung des Körpers, weshalb im Garten vor allem basische Gemüse wachsen. Aber auch Pflanzen wie Brennesseln, die säureabführend und gleichzeitig entzündungshemmend sind, gedeihen hier. Eine stark unterschätzte Heilpflanze ist der Spitzwegerich. Vor allem als frischer Pflanzensaft stärkt der „König der Wege“, so die wörtliche Übersetzung, das Immunsystem. Seine Kraft verdankt die Pflanze dem antibakteriellen Aucubin, das in seiner Wirkung an Penicillin heranreicht.
Insulin, das nicht mehr ausreichend wirkt, ist ebenfalls eine starke Diabetes-Ursache. Denn die meisten haben noch genügend eigenes Insulin, allerdings mit eingeschränkter Funktion, etwa weil die Betroffenen übergewichtig sind oder sich zu wenig bewegen. Hier setzen Wirkstoffe an, welche die Sensitivität des Hormons erhöhen. Viele dieser Wirkstoffe finden sich auch in Pflanzen, wobei angemerkt werden muss, dass sich die pflanzlichen Wirkungen natürlich nicht mit denen von Arzneimitteln vergleichen lassen. Die Naturapotheke kann nur eigene Anstrengungen unterstützen – das aber sanft und nachhaltig.
Bockshornklee heißt der Superstar der pflanzlichen Antidiabetika. Schon der große Naturheiler Sebastian Kneipp empfahl den Schmetterlingsblütler – und zwar aus drei Gründen: So steigert Foenum graecum, also griechisches Heu, die Freisetzung von Insulin und lässt das Hormon auch besser wirken. Außerdem wirkt die Pflanze auch als Resorptionsverzögerer, weil der lösliche Teil der Ballaststoffe im Magen/Darm andere Nährstoffe umschließt und so den schnellen Anstieg des Blutzuckers verzögert.
Das wichtigste Diabetes-Medikament ist Metformin. Es hat wie viele Arzneimittel einen pflanzlichen Ursprung, nämlich die Geißraute. Auch sie wächst in meinem Garten, darf aber in der rein pflanzlichen Form nicht verwendet werden, da sie giftige Alkaloide enthält, weshalb sich die Anwendung als zuckersenkende Tablette empfiehlt. Auch die zart-bittere Aloe vera fördert sanft die Insulinproduktion und lässt das Hormon besser wirken. Wobei grundsätzlich gilt: Alles Bittere wirkt bei Diabetes segensreich.
Drei Beete befassen sich mit Ursachen des Typ-2-Diabetes, zwei mit den Folgen – nämlich schlecht heilenden Wunden und seelischen Verstimmungen. Ein starkes Indiz, dass der Stoffwechsel in Unordnung ist, sind Wunden, die ewig nicht heilen wollen. Wer darunter leidet, dem empfehle ich dringend den Besuch einer diabetologischen Praxis. Aber auch die Naturapotheke kann mit einigen bewährten pflanzlichen Präparaten punkten: Auf den schönen Namen Potentilla erecta hört der unscheinbare Blutwurz – und die potente Bezeichnung ist völlig berechtigt, denn keine andere Pflanze enthält so viele, die offenen Wunde zusammen ziehende Gerbstoffe wie der Gelbblütler.
Die Wirkstoffe des Beinwells nutzen viele Menschen, ohne den Namen Beinwell zu kennen, denn unter „Wallen“ verstanden Ärzte früher das Zusammenwachsen einer Wunde, eines Knochens. Die bewährte Kytta-Salbe basiert ganz stark auf den Inhalten des Borretschgewächses, das sehr gut im Garten wächst – wobei Experten inzwischen leider vom Verzehr der wohl schmeckenden Blätter abraten. Ebenfalls nur noch äußerlich als Umschlag angewendet wird Arnika, über die Sebastian Kneipp sagte: „Verdient an die erste Stelle der Heilmittel bei Verwundungen gesetzt zu werden“.
Seelische Verstimmungen plagen viele Menschen mit Diabetes – und hier können gottseidank viele Pflanzen Linderung versprechen, etwa Johanniskraut, das Paracelsus ein „Arcanum“, ein Allheilmittel nannte. Eine treffliche Einschätzung des großen Mediziners des Mittelalters, denn das Hypericum (benannt nach dem Wirkstoff Hypericin) ist eine Lichttherapie von innen: Es hellt die Stimmung auf, ist ideal bei leichten Depressionen und auch bei Angstzuständen.
Hopfen ist ein wertvolles Heilmittel, denn er fördert den Schlaf, vertreibt Angst und Erschöpfung. Außerdem ist der Humulus lupulus unersetzlich für das Bierbrauen, seine antibakteriellen Stoffe machen den Gerstensaft haltbar, seine ätherischen Öle liefern das typische Aroma. „Der Wermuda“, weiß die Heilige Hildegard, „vertreibet die Melancholia“. Seiner Bitternis verdankt der Wermut seine Heilkraft, wobei die Verdauungssäfte des Magens, der Galle und der Bauchspeicheldrüse angeregt werden. Wermut wärmt innerlich, führt zu einer allgemeinen Kräftigung und vertreibt somit die deprimierende Melancholie.
„Melisse ist die Heilpflanze unserer Zeit“, schreibt die berühmte Freiburger Heilpflanzenkundige Ursel Bühring: Entspannend gegen Stress, eine sanfte Medizin für Körper und Seele. Es ist eine Pflanze, wie nur die Natur sie komponieren kann, alle Wirkstoffe ergänzen sich perfekt. So beruhigen die Melisseblätter den nervösen Magen, das nervöse Herz und helfen beim Einschlafen.
„Mein Diabetes Garten“ heißt ein höchst informatives, 75-seitiges Buch, wo ich die 50 Pflanzen des Gartens kurzweilig und prägnant präsentiere. Es kostet 9,80 Euro und ist im Mainzer Kirchheim-Verlag erschienen. Fotografiert habe ich das Buch da, wo es hingehört: Inmitten der entstressenden Melisse
ECHT ESSEN heißt der Blog, in dem ich seit zehn Jahren jeden Monat mindestens ein Gasthaus vorstelle. Wichtiges Auswahlkriterium: Herkunft der Produkte.
von Hans Lauber
E-Mail: aktiv@lauber-methode.de
Internet: www.lauber-methode.de
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