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Eine TV-Talkshow sorgte in der Diabetes-Klinik von Dr. Hans Langer für Aufregung: In der Sendung ging es darum, ob in deutschen Krankenhäusern das Wohl der Patienten oder die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund stehen – leider mit einer sehr sensationsheischenden und einseitigen Aufmachung…
Bei der heutigen Besprechung in der Diabetesklinik reichte ein Blick in das Gesicht unseres Chefarztes: Seine Stimmung war am Boden. Wenn sich unser Chef aufregt, dann meist so richtig. Was war passiert?
Am Vorabend gab es im 3. Fernsehprogramm eine Talkshow. Thema: Zählt im Krankenhaus eher das Geld oder die Gesundheit der Patienten? Die schauten wir natürlich später auch alle in der Mediathek – und ganz ehrlich: Wir Ärzte konnten unseren Chef ausnahmsweise alle verstehen.
Man sah schon zu Beginn der Sendung den flapsigen und eher uninformiert wirkenden Moderator neben einem bedauernswerten Patienten im Rollstuhl. Später berichtete eine weitere Patientin, wie grauenvoll sie bei der Geburt ihrer Zwillinge behandelt worden sei. Die eingeladene Hebamme bestätigte, dass dies in deutschen Kliniken eher die Regel sei.
Garniert wurde der illustre Kreis durch ein Betriebsratsmitglied einer Großklinik: Die Klinik habe alle Mitarbeiter des Reinigungsdienstes in Billigfirmen verfrachtet, diese müssten nun täglich 1000 m² Boden bei Mindestlohn putzen. „Seriös“ wurde das Ganze durch einen Anästhesisten, der berichtete, dass sein chirurgischer Kollege heute immer die größtmögliche, statt die schonendste Operation bei seinen Patienten durchführt – des Geldes wegen. Über allem schwebte ein Medizin-Ethiker, der versicherte, dass das heutige Vergütungssystem in Kliniken die falschen Anreize setze.
Was meinen Chef aber so auf die Palme brachte, war eine Statistik, die zeigte, dass von 100 Patienten, die in eine Klinik gehen, 40 überhaupt kein Vertrauen mehr in die Krankenhäuser haben (dazu tragen sensationsheischende TV-Sendungen wie diese natürlich erheblich bei).
So etwas ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die jeden Tag im Krankenhaus ihr Bestes geben, um Menschen wieder physisch und auch psychisch zu stabilisieren. Natürlich läuft nicht in allen Kliniken jeden Tag alles rund. Und an vielen Stellen muss gespart werden, weil zu wenig Geld in die Krankenhäuser fließt. Wenn dies aber bekannt ist, dann ist es die Aufgabe der Politik, hieran etwas zu ändern. Nicht hilfreich ist es, die Mitarbeiter in Kliniken bloßzustellen und ihre Arbeit gering zu schätzen. Aber so ist Fernsehen nun mal.
Zum Glück hatte sich unser Chef einen Tag später wieder beruhigt. Wenn er wieder eine Sendung dieser Art erwischen sollte, dann gibt es ja am TV-Gerät einen Abschaltknopf. Oder er wechselt auf die beliebte Fernsehsendung „In aller Freundschaft – die jungen Ärzte“. Das ist die Lieblingssendung meiner Frau Gabi, weil es da immer ein „Happy End“ gibt.
von Dr. Hans Langer
Erschienen in: Diabetes-Journal, 2020; 69 (3) Seite 82
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