Was tun, wenn mein Kind mit Diabetes Unterstützung in Kindergarten oder Schule braucht?

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Was tun, wenn mein Kind mit Diabetes Unterstützung in Kindergarten oder Schule braucht?

Ist es eine übersteigerte Erwartungshaltung, wenn Eltern von Kindergärten und Schulen Unterstützung beim Diabetesmanagement ihrer Kinder einfordern? Der auf Diabetesthemen spezialisierte Rechtsanwalt Oliver Ebert hatte bei der DDG-Herbsttagung im November 2016 in Nürnberg Tipps hierzu parat.

Wäre die DDG-Herbsttagung eine Veranstaltung für betroffene Familien, hätte Oliver Ebert sicherlich einen anderen Einstieg in seinen Vortrag gewählt. Doch da er sich nun einmal an Ärzte und medizinisches Fachpersonal richtete, konnte er folgenden Satz sagen, ohne gleich ausgebuht zu werden: „Eines der Hauptprobleme, wenn es um die Unterstützung in Kindergarten oder Schule geht, ist die übersteigerte Erwartungshaltung vieler Eltern von Kindern mit Diabetes.“

Kitas und Schulen seien in der Regel durchaus willens, sich während der Betreuungszeiten um das Diabetesmanagement der Kinder zu kümmern. „Aber Eltern lassen manchmal sogar rudimentäre Höflichkeitsformen vermissen, und dann ziehen Kitas und Schulen sich natürlich schnell wieder zurück und möchten lieber kein Risiko eingehen.“

 

Mädchen über Heft gebeugt_1
Quelle: Pixabay

Hand aufs Herz: Es gibt diese extrem fordernden Eltern…

Das klingt natürlich relativ hart. Doch Hand aufs Herz – wir wissen alle, dass es solche Eltern gibt. Eltern, die von Erzieherinnen oder Lehrkräften erwarten, dass sie ihrem Kind nicht von der Seite weichen und sich genauso um den Diabetes ihres Sprösslings kümmern, wie sie das zu Hause tun. Selbstredend, ohne dabei auch nur den geringsten Fehler zu machen – wobei einem das privat natürlich nicht rund um die Uhr gelingt.

Erzieherinnen und Lehrkräfte, die in der Vergangenheit schon einmal mit solchen Eltern zu tun hatten und sich ggf. sogar mit Beschwerden oder gar Klagen herumärgern mussten, weil die Blutzuckerwerte des von ihnen betreuten Kinder einmal aus dem Ruder gelaufen sind, möchten derartigen Stress in Zukunft gern vermeiden. Sie legen sich dann – vielleicht sogar nachvollziehbar – ein dickes Fell zu und verweigern beim nächsten Kind mit Diabetes die Mitarbeit, frei nach dem Motto: „Ich mache hier nur Dienst nach Vorschrift.“

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Quelle: Pixabay

Erzieherinnen und Lehrkräfte sind nicht zum Diabetesmanagement verpflichtet

Und tatsächlich ist es eine rein freiwillige Leistung, wenn Erzieherinnen und Lehrkräfte bei Kindern mit Diabetes den Blutzucker messen, Insulin spritzen, bei der Programmierung der Insulinpumpe helfen, auf Symptome einer Unterzuckerung achten und im Notfall Traubenzucker geben. Zwar haben Erzieherinnen und Lehrkräfte keine juristischen Konsequenzen zu befürchten, wenn ihnen dabei ein Fehler unterläuft. Sie sind im Schadensfall über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert wie bei einem Arbeitsunfall.

Viele Erzieherinnen und Lehrkräfte wissen das nicht – betroffene Eltern können sie daher im Gespräch zumindest in diesem Punkt beruhigen. Dennoch betonte Oliver Ebert: „Sie sind nicht verpflichtet, das Diabetesmanagement zu übernehmen. Lehrer haben auch keine besondere Aufsichtspflicht für Kinder mit speziellen Anforderungen, sie sind auch nicht zur Krankenbehandlung verpflichtet. Deshalb sollten Eltern es wertschätzen, wenn sie trotzdem dazu bereit sind.“

Baum pflanzen_3
Quelle: Pixabay

Für Krankenbehandlung ist ein anderes Amt zuständig als für Integrationsleistungen

Nichtsdestotrotz müssen Kinder mit Diabetes ja zur Schule gehen, und berufstätige Eltern brauchen natürlich auch vor dem Schulalter eine verlässliche und kompetente Betreuung für ihr Kind. Wie geht das zusammen? Zum Glück hatte Oliver Ebert auch eine Reihe Tipps parat, wie man diese Herausforderung meistern kann – und zwar ohne dass ein Elternteil seinen Job aufgeben und sein Kind selbst rund um die Uhr begleiten muss.

Ein zentrales Problem sind nach Darstellung des Rechtsanwalts die unterschiedlichen Zuständigkeiten: „Blutzuckermessen und Insulinspritzen gilt per Definition als Krankenbehandlung, deshalb ist die gesetzliche Krankenversicherung dafür zuständig.“ Mit diesen Tätigkeiten wird also ein Pflegedienst beauftragt, sofern das Kind sie noch nicht allein handhaben und die Lehrkräfte sie nicht ausführen können oder wollen.

Wenn es aber um die Begleitung im Schulalltag geht – also zum Beispiel Unterstützung beim Berechnen der Kohlenhydrate beim Essen oder Begleitung beim Schulsport, um Notfälle durch Unterzuckerungen zu vermeiden –, dann gilt das als Integrationsleistung, für die das Integrationsamt  zuständig ist. Es kann auf Antrag eine Schulbegleitung bewilligen. „Eltern müssen also beizeiten an den richtigen Stellen die richtigen Anträge auf Hilfsleistungen stellen“, erklärte Oliver Ebert.

Mädchen beim Ausschneiden_4
Quelle: Pixabay

Nicht überall bekannt: persönliches Budget für Hilfeleistungen

Alternativ können Eltern auch ein persönliches Budget für Hilfeleistungen beantragen, das sie dann nach eigenem Ermessen für die Betreuung ihrer Wahl verwenden. „Vorteil ist hier, dass das eigene Einkommen auf diese Leistungen nur geringfügig angerechnet wird, obwohl die Leistung vom Sozialamt kommt“, riet Oliver Ebert, „allerdings wissen die Behörden das oft nicht und stellen sich erst einmal quer.“ In solchen Fällen helfe nur eins: „Nicht lange mit den Behörden streiten, sondern lieber rasch eine Mediation oder letztlich einen Anwalt einschalten.“

Trotz aller Bemühungen um Inklusion wird es Eltern extrem schwer gemacht!

Was lernen wir also daraus? Ja, Kinder mit Diabetes können in den Kindergarten gehen. Sie können auch eine Regelschule besuchen. Doch sie brauchen (zumindest bis zu einem bestimmten Alter) Unterstützung dabei. Und bei der Gewährung dieser Unterstützung wird es ihnen bzw. ihren Eltern – trotz Ratifizierung der UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen (Stichwort „Inklusion“) extrem schwer gemacht.

Es ist in meinen Augen eine Katastrophe, dass trotz aller öffentlichen Diskussionen über Inklusion und Teilhabe die Eltern von Kindern mit Diabetes im Alltag von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um sich an den verschiedenen Stellen Hilfen für ihre Kinder zu erbetteln. Dass nicht nur Kindergärten und Schulen, sondern auch die zuständigen Behörden häufig so wenig über die juristische Situation sowie über die Rechte von Kindern mit Behinderungen wissen. Ein Armutszeugnis für eine moderne Gesellschaft!

Im Diabetes-Eltern-Journal beantwortet Rechtsanwalt Oliver Ebert in jeder Ausgabe rechtliche Fragen. Natürlich geht’s dabei auch häufig um den Umgang mit Diabetes in Kindergarten und Schule, in Ausgabe 3/2016 konkret um das persönliche Budget (ePaper der Ausgabe). 

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  • Hallo Zusammen,
    ich reise seit meinem 10. Lebensjahr mit Diabetesequipment…
    Auf dem Segelboot mit meinen Eltern, auf Klassenfahrt in den Harz direkt nach meiner Diagnose 1984. Gerne war ich wandern, am liebsten an der Küste. Bretagne, Alentejo, Andalusien, Norwegen. Zum Leidwesen meiner Eltern dann auch mal ganz alleine durch Schottland… Seit einigen Jahren bin ich nun als Sozia mit meinem Mann auf dem Motorrad unterwegs. Neben Zelt und Kocher nimmt das Diabeteszeug (+weiterer Medis) einen Großteil unseres Gepäcks ein. Ich mag Sensor und Pumpe- aber das Reisen war „früher“ leichter. Im wahrsten Sinne es Wortes. Da eben nicht so viel Platz für Klamotten bleibt, bleiben wir (noch) gerne in wärmeren Regionen. Wo ist bei fast 40 Grad Sonnenschein der kühlste Platz an einem Motorrad? Und was veranstalten Katheter und Schlauch da schon wieder unter dem Nierengurt? Nach einem Starkregen knallgefüllte, aufgeplatzte Friotaschen auf den Motorradkoffern, bei den Reisevorbereitungen zurechtgeschnippelte Katheterverpackungen, damit einer mehr in die Tupperdose passt… Oft muss ich über so etwas lachen- und bin dankbar, dass mir noch nichts wirklich bedrohliches passiert ist.
    Im September waren wir auf Sardinien und auf dem Rückweg länger in Südtirol. Ein letztes Mal mit meiner guten, alten Accu-Check Combo. Jetzt bin ich AID´lerin und die Katheter sind noch größer verpackt… 😉
    Mein „Diabetesding“ in diesem Urlaub war eine sehr, sehr sehr große Sammlung von Zuckertütchen. Solche, die es in fast jedem Café gibt. Die waren überall an mir… in jeder Tasche, in der Pumpentache, überall ein- und zwischengeklemmt. Und liegen noch heute zahlreich im Küchenschrank. Nicht, weil sie so besonders hübsch sind und / oder eine Sammlereigenschaft befriedigen… Ich habe beim Packen zu Hause auf einen Teil der üblichen Traubenzuckerration verzichtet, da ich nach jedem Urlaub ausreichend davon wieder mit nach Hause schleppe.
    Da wollte ich wohl dann bei jeder sich bietenden Gelegenheit sicherstellen, bei Unterzuckerungen trotzdem ausreichend „Stoff“ dabei zu haben…
    Ich freue mich auf den nächsten Urlaub und bin gespannt, was für eine Marotte dann vielleicht entsteht. Und, ob ich vom AID wieder in den „Basalratenhandbetrieb“ schalte.
    Die Marotte allerdings kündigt sich schon an. Da ich ja nun das Handy dringend benötige, habe ich bereits eine Sicherungsleine an Handy und Innentasche der Jacke befestigt. So kann ich das Handy zum Fotografieren oder für das Diabetesmanagement heraus nehmen -ohne dass es die Alpen hinunter- oder ins Wasser fällt. Diabetesbedingte Paranoia. 😉
    Wenn ´s weiter nichts ist… .
    Ich würde übrigens lieber ohne Erkrankungen reisen. Aber es hilft ja nichts… und mit Neugierde, Selbstverantwortung und ein bisschen Mut klappt es auch so.
    Lieben Gruß und viel Vorfreude auf die nächsten Urlaube
    Nina

    • Hallo Nina,

      als unser Kind noch kleiner war, fand ich es schon immer spannend für 2 Typ1 Dias alles zusammen zu packen,alles kam in eine große Klappbox.
      Und dann stand man am Auto schaute in den Kofferraum und dachte sich oki wohin mit dem Zuckermonster,es war also Tetris spielen im Auto ;). Für die Fahrten packen wir uns genug Gummibärchen ein und der Rest wird zur Not dann vor Ort gehohlt.
      Unsere letzte weite Fahrt war bis nach Venedig

  • gingergirl postete ein Update vor 2 Wochen

    Hallo zusammen meine name ist chiara und ich bin seit knapp 3 monaten mit der diagnose diabetes typ 1 diagnostiziert. Eigentlich habe ich es recht gut im griff nach der diagnose die zweite woche waren meine werte schon im ehner normalen bereich und die ärzte waren beeindruckt das es so schnell ging da ich aber alles durch die ernährung verändert habe und strickt mich daran halte war es einfach und man sah es sofort.
    Ich habe ein paar Fragen kann man überall am oberarm den sensor ansetzten( da ich ihn jetzt eher etwas hoch habe beim muskel) und muss man jeden dexcom g7 sensor kalibrieren am anfang beim wechseln? .
    Und ich habe bei den overpatch pflastern immer so viel kleberesten am arm kann das am pflaster liegen? Weil es ist ein transparentes und ich habe das gefühl es kriegt wie keine luft… Ich hab mir jetzt nur mal neue pflaster bestellt aber bei einem ist kein loch wo der dexcom ein löchli hat
    Und wie ist das bei euch wegen abnehmen funktioniert das oder nicht?
    Und wie spritzt ihr wenn ihr ihn der Öffentlichkeit seit an einem fest /Messe oder so?
    Da ich nicht immer auf die Toilette renne kann?
    Danke schonmal im Voraus

    Uploaded Image
    • Hallo,

      Als ich noch die ICT Methode hatte habe ich bei Konzerten oder Messen mir das Kurzzeitinsulin in den Bauch gespritzt und das Langzeit oben am Gesäß.Hat meist keiner mitbekommen.
      Meinen Sensor setzte ich oben am Arm,ist für mich angenehmer 🙂
      Ich bin froh das die Technik so gut ist und nicht mehr so Steinzeitmäßig wie vor 42 Jahren *lach*

      LG Sndra

    • moira antwortete vor 1 Woche

      Hallo Chiara! Mit dem Spritzen habe ich es wie Sandra gemacht. Abnehmen ist echt schwierig – ich komme da nicht gut weiter, ich muss aber auch für zwei weitere Leute kochen und deren Essenswünsche sind da nicht unbedingt hilfreich. LG

  • hexle postete ein Update vor 2 Wochen, 1 Tag

    Hat jemand Tipps bei einer Pfalsterallergie gegen dexcom g6. Ich muss die vorhandenen Sensoren noch verwenden, bis die Umstellung auf g7 durch ist.

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