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Was tun, wenn mein Kind mit Diabetes Unterstützung in Kindergarten oder Schule braucht?
4 Minuten
Ist es eine übersteigerte Erwartungshaltung, wenn Eltern von Kindergärten und Schulen Unterstützung beim Diabetesmanagement ihrer Kinder einfordern? Der auf Diabetesthemen spezialisierte Rechtsanwalt Oliver Ebert hatte bei der DDG-Herbsttagung im November 2016 in Nürnberg Tipps hierzu parat.
Wäre die DDG-Herbsttagung eine Veranstaltung für betroffene Familien, hätte Oliver Ebert sicherlich einen anderen Einstieg in seinen Vortrag gewählt. Doch da er sich nun einmal an Ärzte und medizinisches Fachpersonal richtete, konnte er folgenden Satz sagen, ohne gleich ausgebuht zu werden: „Eines der Hauptprobleme, wenn es um die Unterstützung in Kindergarten oder Schule geht, ist die übersteigerte Erwartungshaltung vieler Eltern von Kindern mit Diabetes.“
Kitas und Schulen seien in der Regel durchaus willens, sich während der Betreuungszeiten um das Diabetesmanagement der Kinder zu kümmern. „Aber Eltern lassen manchmal sogar rudimentäre Höflichkeitsformen vermissen, und dann ziehen Kitas und Schulen sich natürlich schnell wieder zurück und möchten lieber kein Risiko eingehen.“

Hand aufs Herz: Es gibt diese extrem fordernden Eltern…
Das klingt natürlich relativ hart. Doch Hand aufs Herz – wir wissen alle, dass es solche Eltern gibt. Eltern, die von Erzieherinnen oder Lehrkräften erwarten, dass sie ihrem Kind nicht von der Seite weichen und sich genauso um den Diabetes ihres Sprösslings kümmern, wie sie das zu Hause tun. Selbstredend, ohne dabei auch nur den geringsten Fehler zu machen – wobei einem das privat natürlich nicht rund um die Uhr gelingt.
Erzieherinnen und Lehrkräfte, die in der Vergangenheit schon einmal mit solchen Eltern zu tun hatten und sich ggf. sogar mit Beschwerden oder gar Klagen herumärgern mussten, weil die Blutzuckerwerte des von ihnen betreuten Kinder einmal aus dem Ruder gelaufen sind, möchten derartigen Stress in Zukunft gern vermeiden. Sie legen sich dann – vielleicht sogar nachvollziehbar – ein dickes Fell zu und verweigern beim nächsten Kind mit Diabetes die Mitarbeit, frei nach dem Motto: „Ich mache hier nur Dienst nach Vorschrift.“

Erzieherinnen und Lehrkräfte sind nicht zum Diabetesmanagement verpflichtet
Und tatsächlich ist es eine rein freiwillige Leistung, wenn Erzieherinnen und Lehrkräfte bei Kindern mit Diabetes den Blutzucker messen, Insulin spritzen, bei der Programmierung der Insulinpumpe helfen, auf Symptome einer Unterzuckerung achten und im Notfall Traubenzucker geben. Zwar haben Erzieherinnen und Lehrkräfte keine juristischen Konsequenzen zu befürchten, wenn ihnen dabei ein Fehler unterläuft. Sie sind im Schadensfall über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert wie bei einem Arbeitsunfall.
Viele Erzieherinnen und Lehrkräfte wissen das nicht – betroffene Eltern können sie daher im Gespräch zumindest in diesem Punkt beruhigen. Dennoch betonte Oliver Ebert: „Sie sind nicht verpflichtet, das Diabetesmanagement zu übernehmen. Lehrer haben auch keine besondere Aufsichtspflicht für Kinder mit speziellen Anforderungen, sie sind auch nicht zur Krankenbehandlung verpflichtet. Deshalb sollten Eltern es wertschätzen, wenn sie trotzdem dazu bereit sind.“

Für Krankenbehandlung ist ein anderes Amt zuständig als für Integrationsleistungen
Nichtsdestotrotz müssen Kinder mit Diabetes ja zur Schule gehen, und berufstätige Eltern brauchen natürlich auch vor dem Schulalter eine verlässliche und kompetente Betreuung für ihr Kind. Wie geht das zusammen? Zum Glück hatte Oliver Ebert auch eine Reihe Tipps parat, wie man diese Herausforderung meistern kann – und zwar ohne dass ein Elternteil seinen Job aufgeben und sein Kind selbst rund um die Uhr begleiten muss.
Ein zentrales Problem sind nach Darstellung des Rechtsanwalts die unterschiedlichen Zuständigkeiten: „Blutzuckermessen und Insulinspritzen gilt per Definition als Krankenbehandlung, deshalb ist die gesetzliche Krankenversicherung dafür zuständig.“ Mit diesen Tätigkeiten wird also ein Pflegedienst beauftragt, sofern das Kind sie noch nicht allein handhaben und die Lehrkräfte sie nicht ausführen können oder wollen.
Wenn es aber um die Begleitung im Schulalltag geht – also zum Beispiel Unterstützung beim Berechnen der Kohlenhydrate beim Essen oder Begleitung beim Schulsport, um Notfälle durch Unterzuckerungen zu vermeiden –, dann gilt das als Integrationsleistung, für die das Integrationsamt zuständig ist. Es kann auf Antrag eine Schulbegleitung bewilligen. „Eltern müssen also beizeiten an den richtigen Stellen die richtigen Anträge auf Hilfsleistungen stellen“, erklärte Oliver Ebert.

Nicht überall bekannt: persönliches Budget für Hilfeleistungen
Alternativ können Eltern auch ein persönliches Budget für Hilfeleistungen beantragen, das sie dann nach eigenem Ermessen für die Betreuung ihrer Wahl verwenden. „Vorteil ist hier, dass das eigene Einkommen auf diese Leistungen nur geringfügig angerechnet wird, obwohl die Leistung vom Sozialamt kommt“, riet Oliver Ebert, „allerdings wissen die Behörden das oft nicht und stellen sich erst einmal quer.“ In solchen Fällen helfe nur eins: „Nicht lange mit den Behörden streiten, sondern lieber rasch eine Mediation oder letztlich einen Anwalt einschalten.“
Trotz aller Bemühungen um Inklusion wird es Eltern extrem schwer gemacht!
Was lernen wir also daraus? Ja, Kinder mit Diabetes können in den Kindergarten gehen. Sie können auch eine Regelschule besuchen. Doch sie brauchen (zumindest bis zu einem bestimmten Alter) Unterstützung dabei. Und bei der Gewährung dieser Unterstützung wird es ihnen bzw. ihren Eltern – trotz Ratifizierung der UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderungen (Stichwort „Inklusion“) extrem schwer gemacht.
Es ist in meinen Augen eine Katastrophe, dass trotz aller öffentlichen Diskussionen über Inklusion und Teilhabe die Eltern von Kindern mit Diabetes im Alltag von Pontius zu Pilatus laufen müssen, um sich an den verschiedenen Stellen Hilfen für ihre Kinder zu erbetteln. Dass nicht nur Kindergärten und Schulen, sondern auch die zuständigen Behörden häufig so wenig über die juristische Situation sowie über die Rechte von Kindern mit Behinderungen wissen. Ein Armutszeugnis für eine moderne Gesellschaft!
Im Diabetes-Eltern-Journal beantwortet Rechtsanwalt Oliver Ebert in jeder Ausgabe rechtliche Fragen. Natürlich geht’s dabei auch häufig um den Umgang mit Diabetes in Kindergarten und Schule, in Ausgabe 3/2016 konkret um das persönliche Budget (ePaper der Ausgabe).
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stephanie-haack postete ein Update vor 1 Tag, 20 Stunden
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bloodychaos postete ein Update vor 6 Tagen, 3 Stunden
Hey, brauche Eure Hilfe. Habe den G7 genutzt. Als der über mehrere Monate (Frühjahr/Sommer 2025) massive Probleme (teils Abweichungen von 150 mg/dL, Messfaden schaute oben heraus) machte bin ich zum G6 zurückgegangen. Dessen Produktion wird nun eingestellt. Ich habe solche Panik, wieder den G7 zu nutzen. Habe absolut kein Vertrauen mehr in diesen Sensor. Aber mit meiner TSlim ist nur Dexcom kompatibel. Ich weiß nicht was ich machen soll, ich habe solche Angst.
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ole-t1 antwortete vor 5 Tagen, 22 Stunden
Mit “meinem” Omnipod 5 wird der Dexcom G7 Ende 2026 voraussichtlich der einzige verfügbare Sensor sein.
So richtig begeistert über die Einstellung des G6 bin ich auch nicht, auch wenn es absehbar war.
Ich habe einfach die Hoffnung, dass die Qualitätsprobleme beim G7 bis dahin ausgestanden sind.Ich warte das Thema noch einige Monate ab.
Wenn ich Ende 2026 feststelle, dass die Kombination aus meiner Pumpe und dem CGM für mich nicht funktioniert, bin mir sicher, dass meine Diabetes-Ärztin und ich eine gute Lösung für mich finden.Hier habe ich aufgeschnappt, dass für die t:slim wohl eine Anbindung des Libre 3 in der Mache ist:
https://insulinclub.de/index.php?thread/36852-t-slim-mit-libre-3-wann/
Leider steht keine überprüfbare Quelle dabei. 🤷♂️Ein weiterer mir wichtiger Gedanke:
Angst und Panik sind in diesem Zusammenhang vermutlich keine hilfreichen Ratgeber. Hoffentlich schaffst Du es, dem Thema etwas gelassener zu begegnen.
(Das sagt der Richtige: Ich habe in meinem letzten DiaDoc-Termin auch die Hausaufgabe bekommen, mal zu schauen, was mir gut tut.) -
bloodychaos antwortete vor 5 Tagen, 16 Stunden
@ole-t1: Hey Ole, ganz lieben Dank für Deine Nachricht. Die Produktion des G6 endet laut einem Artikel auf dieser Seite ja zum 1. Juli 2026. Wann der Libre3 mit der TSlim kompatibel sein wird weiß man ja noch nicht. An sich gefällt mir Dexcom auch besser als Libre und die erste Zeit lief der G7 ja auch super bei mir. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der G7 von heute auf Morgen nicht mehr bei mir funktioniert? Es gab ja auch das Gerücht das Dexcom eine zeitlang Produktionsprobleme hatte, dass wäre ja eine Erklärung, aber da geht Dexcom natürlich auch nicht mit hausieren.
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rolli-xx antwortete vor 4 Tagen, 3 Stunden
@bloodychaos: Moin, ich benutze den G 7 seit Dezember 2022 (vorher G 6). Seit Dezember 2024 in Kombination mit der t:slim X 2 Ja, es hat immer mal wieder einen Sensor gegeben, der nicht richtig funktioniert hat . Dann wurde ein neuer gesetzt, der Vorfall an Dexcom gemeldet und es gab dann wenige Tage später einen neuen Sensor.
Wie ole-t1 schon geschrieben hat, erst einmal die Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen. Alle auf dem Markt erhältlichen Sensoren haben Schwankungen in der Genauigkeit ihrer Angaben. Wichtig ist daher zu beurteilen, ob das, was der Sensor anzeigt, überhaupt sein kann.
Zum Beispiel durch blutiges Nachmessen (dabei bitte dran denken, dass der Gewebezucker, den die Sensoren messen, rd. 20-30 Minuten hinter dem Blutzucker hinterher hinkt).
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loredana postete ein Update vor 1 Woche
Die Registrierung mit dem Geburtsjahr war echt sportlich. Wollte es schon fast wieder abbrechen.
